Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

Bild:
<< vorherige Seite

des Räuberhauptmanns eingegangen war und fei¬
erlich versprochen hatte zu schweigen, wurde er
von zwei Räubern durch wildverwachsne Fußsteige
auf den breiten Waldweg geführt und es war
längst heller Morgen worden, als er in sein
Haus trat und die vor Sorge und Angst todten¬
bleiche Giorgina umarmte. Er sagte ihr nur
im Allgemeinen, daß sich ihm Denner als der
verruchteste Bösewicht offenbart, und er daher alle
Gemeinschaft mit ihm abgebrochen habe; nie solle
er mehr seine Schwelle betreten. "Aber das Ju¬
welenkästchen?" unterbrach ihn Giorgina. Da
fiel es dem Andres wie eine schwere Last auf's
Herz. An die Kleinodien, die Denner bei ihm
zurückgelassen, hatte er nicht gedacht, und uner¬
klärlich schien es ihm, daß Dennern auch nicht
ein Wort darüber entfallen war. Er ging mit
sich zu Rathe, was er wol mit diesem Kästchen
anfangen solle. Zwar dachte er daran, es nach
Fulda zu bringen und der Obrigkeit zu übergeben;
wie sollte er aber den Besitz desselben beschönigen,

I 2

des Raͤuberhauptmanns eingegangen war und fei¬
erlich verſprochen hatte zu ſchweigen, wurde er
von zwei Raͤubern durch wildverwachsne Fußſteige
auf den breiten Waldweg gefuͤhrt und es war
laͤngſt heller Morgen worden, als er in ſein
Haus trat und die vor Sorge und Angſt todten¬
bleiche Giorgina umarmte. Er ſagte ihr nur
im Allgemeinen, daß ſich ihm Denner als der
verruchteſte Boͤſewicht offenbart, und er daher alle
Gemeinſchaft mit ihm abgebrochen habe; nie ſolle
er mehr ſeine Schwelle betreten. „Aber das Ju¬
welenkaͤſtchen?“ unterbrach ihn Giorgina. Da
fiel es dem Andres wie eine ſchwere Laſt auf's
Herz. An die Kleinodien, die Denner bei ihm
zuruͤckgelaſſen, hatte er nicht gedacht, und uner¬
klaͤrlich ſchien es ihm, daß Dennern auch nicht
ein Wort daruͤber entfallen war. Er ging mit
ſich zu Rathe, was er wol mit dieſem Kaͤſtchen
anfangen ſolle. Zwar dachte er daran, es nach
Fulda zu bringen und der Obrigkeit zu uͤbergeben;
wie ſollte er aber den Beſitz deſſelben beſchoͤnigen,

I 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0139" n="131"/>
des Ra&#x0364;uberhauptmanns eingegangen war und fei¬<lb/>
erlich ver&#x017F;prochen hatte zu &#x017F;chweigen, wurde er<lb/>
von zwei Ra&#x0364;ubern durch wildverwachsne Fuß&#x017F;teige<lb/>
auf den breiten Waldweg gefu&#x0364;hrt und es war<lb/>
la&#x0364;ng&#x017F;t heller Morgen worden, als er in &#x017F;ein<lb/>
Haus trat und die vor Sorge und Ang&#x017F;t todten¬<lb/>
bleiche <hi rendition="#g">Giorgina</hi> umarmte. Er &#x017F;agte ihr nur<lb/>
im Allgemeinen, daß &#x017F;ich ihm <hi rendition="#g">Denner</hi> als der<lb/>
verruchte&#x017F;te Bo&#x0364;&#x017F;ewicht offenbart, und er daher alle<lb/>
Gemein&#x017F;chaft mit ihm abgebrochen habe; nie &#x017F;olle<lb/>
er mehr &#x017F;eine Schwelle betreten. &#x201E;Aber das Ju¬<lb/>
welenka&#x0364;&#x017F;tchen?&#x201C; unterbrach ihn <hi rendition="#g">Giorgina</hi>. Da<lb/>
fiel es dem <hi rendition="#g">Andres</hi> wie eine &#x017F;chwere La&#x017F;t auf's<lb/>
Herz. An die Kleinodien, die <hi rendition="#g">Denner</hi> bei ihm<lb/>
zuru&#x0364;ckgela&#x017F;&#x017F;en, hatte er nicht gedacht, und uner¬<lb/>
kla&#x0364;rlich &#x017F;chien es ihm, daß <hi rendition="#g">Dennern</hi> auch nicht<lb/>
ein Wort daru&#x0364;ber entfallen war. Er ging mit<lb/>
&#x017F;ich zu Rathe, was er wol mit die&#x017F;em Ka&#x0364;&#x017F;tchen<lb/>
anfangen &#x017F;olle. Zwar dachte er daran, es nach<lb/>
Fulda zu bringen und der Obrigkeit zu u&#x0364;bergeben;<lb/>
wie &#x017F;ollte er aber den Be&#x017F;itz de&#x017F;&#x017F;elben be&#x017F;cho&#x0364;nigen,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">I 2<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[131/0139] des Raͤuberhauptmanns eingegangen war und fei¬ erlich verſprochen hatte zu ſchweigen, wurde er von zwei Raͤubern durch wildverwachsne Fußſteige auf den breiten Waldweg gefuͤhrt und es war laͤngſt heller Morgen worden, als er in ſein Haus trat und die vor Sorge und Angſt todten¬ bleiche Giorgina umarmte. Er ſagte ihr nur im Allgemeinen, daß ſich ihm Denner als der verruchteſte Boͤſewicht offenbart, und er daher alle Gemeinſchaft mit ihm abgebrochen habe; nie ſolle er mehr ſeine Schwelle betreten. „Aber das Ju¬ welenkaͤſtchen?“ unterbrach ihn Giorgina. Da fiel es dem Andres wie eine ſchwere Laſt auf's Herz. An die Kleinodien, die Denner bei ihm zuruͤckgelaſſen, hatte er nicht gedacht, und uner¬ klaͤrlich ſchien es ihm, daß Dennern auch nicht ein Wort daruͤber entfallen war. Er ging mit ſich zu Rathe, was er wol mit dieſem Kaͤſtchen anfangen ſolle. Zwar dachte er daran, es nach Fulda zu bringen und der Obrigkeit zu uͤbergeben; wie ſollte er aber den Beſitz deſſelben beſchoͤnigen, I 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/139
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/139>, abgerufen am 26.05.2024.