sind von unbekannten Meistern der italienischen Schule, aber, sind Sie vorurtheilsfrei, so werden Sie gestehen müssen, daß jedes den berühmtesten Namen tragen dürfte." Ich fand es ganz so, wie der Professor gesagt hatte. Es war seltsam, daß das einzige Original gerade zu den schwächern Stücken gehörte, war es nicht wirklich das schwächste, und daß dagegen die Schönheit man¬ cher Gemählde ohne Namen mich unwiderstehlich hinriß. Ueber das Gemählde eines Altars war eine Decke herabgelassen; ich frug nach der Ur¬ sache. "Dies Bild," sprach der Professor, "ist das schönste was wir besitzen, es ist das Werk eines jungen Künstlers der neueren Zeit -- gewiß sein letztes, denn sein Flug ist gehemmt -- Wir mußten in diesen Tagen das Gemählde aus ge¬ wissen Gründen verhängen lassen, doch bin ich vielleicht morgen, oder übermorgen im Stande, es Ihnen zu zeigen." -- Ich wollte weiter fragen, indessen schritt der Professor rasch durch den Gang fort, und das war genug, um seine Unlust zu
ſind von unbekannten Meiſtern der italieniſchen Schule, aber, ſind Sie vorurtheilsfrei, ſo werden Sie geſtehen muͤſſen, daß jedes den beruͤhmteſten Namen tragen duͤrfte.“ Ich fand es ganz ſo, wie der Profeſſor geſagt hatte. Es war ſeltſam, daß das einzige Original gerade zu den ſchwaͤchern Stuͤcken gehoͤrte, war es nicht wirklich das ſchwaͤchſte, und daß dagegen die Schoͤnheit man¬ cher Gemaͤhlde ohne Namen mich unwiderſtehlich hinriß. Ueber das Gemaͤhlde eines Altars war eine Decke herabgelaſſen; ich frug nach der Ur¬ ſache. „Dies Bild,“ ſprach der Profeſſor, „iſt das ſchoͤnſte was wir beſitzen, es iſt das Werk eines jungen Kuͤnſtlers der neueren Zeit — gewiß ſein letztes, denn ſein Flug iſt gehemmt — Wir mußten in dieſen Tagen das Gemaͤhlde aus ge¬ wiſſen Gruͤnden verhaͤngen laſſen, doch bin ich vielleicht morgen, oder uͤbermorgen im Stande, es Ihnen zu zeigen.“ — Ich wollte weiter fragen, indeſſen ſchritt der Profeſſor raſch durch den Gang fort, und das war genug, um ſeine Unluſt zu
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0228"n="220"/>ſind von unbekannten Meiſtern der italieniſchen<lb/>
Schule, aber, ſind Sie vorurtheilsfrei, ſo werden<lb/>
Sie geſtehen muͤſſen, daß jedes den beruͤhmteſten<lb/>
Namen tragen duͤrfte.“ Ich fand es ganz ſo,<lb/>
wie der Profeſſor geſagt hatte. Es war ſeltſam,<lb/>
daß das einzige Original gerade zu den ſchwaͤchern<lb/>
Stuͤcken gehoͤrte, war es nicht wirklich das<lb/>ſchwaͤchſte, und daß dagegen die Schoͤnheit man¬<lb/>
cher Gemaͤhlde ohne Namen mich unwiderſtehlich<lb/>
hinriß. Ueber das Gemaͤhlde eines Altars war<lb/>
eine Decke herabgelaſſen; ich frug nach der Ur¬<lb/>ſache. „Dies Bild,“ſprach der Profeſſor, „iſt<lb/>
das ſchoͤnſte was wir beſitzen, es iſt das Werk<lb/>
eines jungen Kuͤnſtlers der neueren Zeit — gewiß<lb/>ſein letztes, denn ſein Flug iſt gehemmt — Wir<lb/>
mußten in dieſen Tagen das Gemaͤhlde aus ge¬<lb/>
wiſſen Gruͤnden verhaͤngen laſſen, doch bin ich<lb/>
vielleicht morgen, oder uͤbermorgen im Stande, es<lb/>
Ihnen zu zeigen.“— Ich wollte weiter fragen,<lb/>
indeſſen ſchritt der Profeſſor raſch durch den Gang<lb/>
fort, und das war genug, um ſeine Unluſt zu<lb/></p></div></body></text></TEI>
[220/0228]
ſind von unbekannten Meiſtern der italieniſchen
Schule, aber, ſind Sie vorurtheilsfrei, ſo werden
Sie geſtehen muͤſſen, daß jedes den beruͤhmteſten
Namen tragen duͤrfte.“ Ich fand es ganz ſo,
wie der Profeſſor geſagt hatte. Es war ſeltſam,
daß das einzige Original gerade zu den ſchwaͤchern
Stuͤcken gehoͤrte, war es nicht wirklich das
ſchwaͤchſte, und daß dagegen die Schoͤnheit man¬
cher Gemaͤhlde ohne Namen mich unwiderſtehlich
hinriß. Ueber das Gemaͤhlde eines Altars war
eine Decke herabgelaſſen; ich frug nach der Ur¬
ſache. „Dies Bild,“ ſprach der Profeſſor, „iſt
das ſchoͤnſte was wir beſitzen, es iſt das Werk
eines jungen Kuͤnſtlers der neueren Zeit — gewiß
ſein letztes, denn ſein Flug iſt gehemmt — Wir
mußten in dieſen Tagen das Gemaͤhlde aus ge¬
wiſſen Gruͤnden verhaͤngen laſſen, doch bin ich
vielleicht morgen, oder uͤbermorgen im Stande, es
Ihnen zu zeigen.“ — Ich wollte weiter fragen,
indeſſen ſchritt der Profeſſor raſch durch den Gang
fort, und das war genug, um ſeine Unluſt zu
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/228>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.