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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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hinein, und fügte mit sarkastischem Lächeln hinzu:
"Nur eins habt Ihr vergessen, lieber junger Freund!
Schaut doch dort herüber nach der grün berankten
Mauer des fernen Weinbergs! Die Thüre steht
halb offen; das müßt Ihr ja anbringen mit gehö¬
rigem Schlagschatten -- die halbgeöffnete Thüre
macht erstaunliche Wirkung!" "Ihr spottet," er¬
wiederte Berthold, "ohne Ursache, mein Herr!
Solche Zufälligkeiten sind keinesweges so verächt¬
lich wie Ihr glaubt und deshalb mag sie mein
Meister wol anbringen. Erinnert Euch doch
nur des aufgehängten weißen Tuchs in der Land¬
schaft eines alten niederländischen Mahlers, das
nicht fehlen darf, ohne die Wirkung zu verderben.
Aber Ihr scheint überhaupt kein Freund der Land¬
schaftsmahlerei, der ich mich nun einmal ganz
ergeben habe mit Leib und Seele, und darum
bitt' ich Euch, laßt mich ruhig fortarbeiten." "Du
bist in großem Irrthum befangen, Jüngling," sprach
der Maltheser. "Noch einmahl, sage ich, aus
Dir hätte viel werden können; denn sichtlich zeu¬

hinein, und fuͤgte mit ſarkaſtiſchem Laͤcheln hinzu:
„Nur eins habt Ihr vergeſſen, lieber junger Freund!
Schaut doch dort heruͤber nach der gruͤn berankten
Mauer des fernen Weinbergs! Die Thuͤre ſteht
halb offen; das muͤßt Ihr ja anbringen mit gehoͤ¬
rigem Schlagſchatten — die halbgeoͤffnete Thuͤre
macht erſtaunliche Wirkung!“ „Ihr ſpottet,“ er¬
wiederte Berthold, „ohne Urſache, mein Herr!
Solche Zufaͤlligkeiten ſind keinesweges ſo veraͤcht¬
lich wie Ihr glaubt und deshalb mag ſie mein
Meiſter wol anbringen. Erinnert Euch doch
nur des aufgehaͤngten weißen Tuchs in der Land¬
ſchaft eines alten niederlaͤndiſchen Mahlers, das
nicht fehlen darf, ohne die Wirkung zu verderben.
Aber Ihr ſcheint uͤberhaupt kein Freund der Land¬
ſchaftsmahlerei, der ich mich nun einmal ganz
ergeben habe mit Leib und Seele, und darum
bitt' ich Euch, laßt mich ruhig fortarbeiten.“ „Du
biſt in großem Irrthum befangen, Juͤngling,“ ſprach
der Maltheſer. „Noch einmahl, ſage ich, aus
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[253/0261] hinein, und fuͤgte mit ſarkaſtiſchem Laͤcheln hinzu: „Nur eins habt Ihr vergeſſen, lieber junger Freund! Schaut doch dort heruͤber nach der gruͤn berankten Mauer des fernen Weinbergs! Die Thuͤre ſteht halb offen; das muͤßt Ihr ja anbringen mit gehoͤ¬ rigem Schlagſchatten — die halbgeoͤffnete Thuͤre macht erſtaunliche Wirkung!“ „Ihr ſpottet,“ er¬ wiederte Berthold, „ohne Urſache, mein Herr! Solche Zufaͤlligkeiten ſind keinesweges ſo veraͤcht¬ lich wie Ihr glaubt und deshalb mag ſie mein Meiſter wol anbringen. Erinnert Euch doch nur des aufgehaͤngten weißen Tuchs in der Land¬ ſchaft eines alten niederlaͤndiſchen Mahlers, das nicht fehlen darf, ohne die Wirkung zu verderben. Aber Ihr ſcheint uͤberhaupt kein Freund der Land¬ ſchaftsmahlerei, der ich mich nun einmal ganz ergeben habe mit Leib und Seele, und darum bitt' ich Euch, laßt mich ruhig fortarbeiten.“ „Du biſt in großem Irrthum befangen, Juͤngling,“ ſprach der Maltheſer. „Noch einmahl, ſage ich, aus Dir haͤtte viel werden koͤnnen; denn ſichtlich zeu¬

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/261>, abgerufen am 22.11.2024.