gen Deine Werke das rastlose Bestreben nach dem Höheren, aber nimmer wirst Du Dein Ziel er¬ reichen, denn der Weg, den Du eingeschlagen, führt nicht dahin. Merk wohl auf, was ich Dir sagen wer¬ de! Vielleicht glückt es mir, die Flamme in Deinem Innern, die Du, Unverständiger! zu überbauen trachtest, anzufachen, daß sie hell auflodert und Dich erleuchtet; dann wirst Du den wahren Geist, der in Dir lebt, zu erschauen vermögen. Hältst Du mich denn für so thörigt, daß ich die Landschaft dem historischen Gemählde unterordne, daß ich nicht das gleiche Ziel, nach dem beide, Landschafter und Historienmahler, streben sollen, erkenne? -- Auf¬ fassung der Natur in der tiefsten Bedeutung des höhern Sinns, der alle Wesen zum höheren Le¬ ben entzündet, das ist der heilige Zweck aller Kunst. Kann denn das bloße genaue Abschreiben der Natur jemals dahin führen? -- Wie ärm¬ lich, wie steif und gezwungen sieht die nachge¬ mahlte Handschrift in einer fremden Sprache aus, die der Abschreiber nicht verstand und daher den
gen Deine Werke das raſtloſe Beſtreben nach dem Hoͤheren, aber nimmer wirſt Du Dein Ziel er¬ reichen, denn der Weg, den Du eingeſchlagen, fuͤhrt nicht dahin. Merk wohl auf, was ich Dir ſagen wer¬ de! Vielleicht gluͤckt es mir, die Flamme in Deinem Innern, die Du, Unverſtaͤndiger! zu uͤberbauen trachteſt, anzufachen, daß ſie hell auflodert und Dich erleuchtet; dann wirſt Du den wahren Geiſt, der in Dir lebt, zu erſchauen vermoͤgen. Haͤltſt Du mich denn fuͤr ſo thoͤrigt, daß ich die Landſchaft dem hiſtoriſchen Gemaͤhlde unterordne, daß ich nicht das gleiche Ziel, nach dem beide, Landſchafter und Hiſtorienmahler, ſtreben ſollen, erkenne? — Auf¬ faſſung der Natur in der tiefſten Bedeutung des hoͤhern Sinns, der alle Weſen zum hoͤheren Le¬ ben entzuͤndet, das iſt der heilige Zweck aller Kunſt. Kann denn das bloße genaue Abſchreiben der Natur jemals dahin fuͤhren? — Wie aͤrm¬ lich, wie ſteif und gezwungen ſieht die nachge¬ mahlte Handſchrift in einer fremden Sprache aus, die der Abſchreiber nicht verſtand und daher den
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gen Deine Werke das raſtloſe Beſtreben nach dem
Hoͤheren, aber nimmer wirſt Du Dein Ziel er¬
reichen, denn der Weg, den Du eingeſchlagen, fuͤhrt
nicht dahin. Merk wohl auf, was ich Dir ſagen wer¬
de! Vielleicht gluͤckt es mir, die Flamme in Deinem
Innern, die Du, Unverſtaͤndiger! zu uͤberbauen
trachteſt, anzufachen, daß ſie hell auflodert und
Dich erleuchtet; dann wirſt Du den wahren Geiſt,
der in Dir lebt, zu erſchauen vermoͤgen. Haͤltſt Du
mich denn fuͤr ſo thoͤrigt, daß ich die Landſchaft dem
hiſtoriſchen Gemaͤhlde unterordne, daß ich nicht
das gleiche Ziel, nach dem beide, Landſchafter und
Hiſtorienmahler, ſtreben ſollen, erkenne? — Auf¬
faſſung der Natur in der tiefſten Bedeutung des
hoͤhern Sinns, der alle Weſen zum hoͤheren Le¬
ben entzuͤndet, das iſt der heilige Zweck aller
Kunſt. Kann denn das bloße genaue Abſchreiben
der Natur jemals dahin fuͤhren? — Wie aͤrm¬
lich, wie ſteif und gezwungen ſieht die nachge¬
mahlte Handſchrift in einer fremden Sprache aus,
die der Abſchreiber nicht verſtand und daher den
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/262>, abgerufen am 22.11.2024.
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