Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

Bild:
<< vorherige Seite

aus den Augen -- Freund -- Freund! stammelte
er: ich bin glücklich -- selig -- sie ist gefunden --
gefunden! Rasch schritt er fort, in seine Werk¬
statt -- er spannte die Leinwand auf, er fing
an zu mahlen. Wie von göttlicher Kraft beseelt,
zauberte er mit der vollen Gluth des Lebens das
überirdische Weib, wie es ihm erschienen, her¬
vor. -- Sein Innerstes war von diesem Augen¬
blicke ganz umgewendet. Statt des Trübsinns,
der an seinem Herzmark gezehrt hatte, erhob ihn
Frohsinn und Heiterkeit. Er studirte mit Fleiß
und Anstrengung die Meisterwerke der alten Mah¬
ler. Mehrere Copien gelangen ihm vortrefflich,
und nun fing er an selbst Gemählde zu schaffen,
die alle Kenner in Erstaunen setzten. An Land¬
schaften war nicht mehr zu denken, und Hackert
bekannte selbst, daß der Jüngling nun erst seinen
eigentlichen Beruf gefunden habe. So kam es,
daß er mehrere große Werke, Altarblätter für
Kirchen, zu mahlen bekam. Er wählte mehren¬
theils heitere Gegenstände christlicher Legenden,

aus den Augen — Freund — Freund! ſtammelte
er: ich bin gluͤcklich — ſelig — ſie iſt gefunden —
gefunden! Raſch ſchritt er fort, in ſeine Werk¬
ſtatt — er ſpannte die Leinwand auf, er fing
an zu mahlen. Wie von goͤttlicher Kraft beſeelt,
zauberte er mit der vollen Gluth des Lebens das
uͤberirdiſche Weib, wie es ihm erſchienen, her¬
vor. — Sein Innerſtes war von dieſem Augen¬
blicke ganz umgewendet. Statt des Truͤbſinns,
der an ſeinem Herzmark gezehrt hatte, erhob ihn
Frohſinn und Heiterkeit. Er ſtudirte mit Fleiß
und Anſtrengung die Meiſterwerke der alten Mah¬
ler. Mehrere Copien gelangen ihm vortrefflich,
und nun fing er an ſelbſt Gemaͤhlde zu ſchaffen,
die alle Kenner in Erſtaunen ſetzten. An Land¬
ſchaften war nicht mehr zu denken, und Hackert
bekannte ſelbſt, daß der Juͤngling nun erſt ſeinen
eigentlichen Beruf gefunden habe. So kam es,
daß er mehrere große Werke, Altarblaͤtter fuͤr
Kirchen, zu mahlen bekam. Er waͤhlte mehren¬
theils heitere Gegenſtaͤnde chriſtlicher Legenden,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0272" n="264"/>
aus den Augen &#x2014; Freund &#x2014; Freund! &#x017F;tammelte<lb/>
er: ich bin glu&#x0364;cklich &#x2014; &#x017F;elig &#x2014; &#x017F;ie i&#x017F;t gefunden &#x2014;<lb/>
gefunden! Ra&#x017F;ch &#x017F;chritt er fort, in &#x017F;eine Werk¬<lb/>
&#x017F;tatt &#x2014; er &#x017F;pannte die Leinwand auf, er fing<lb/>
an zu mahlen. Wie von go&#x0364;ttlicher Kraft be&#x017F;eelt,<lb/>
zauberte er mit der vollen Gluth des Lebens das<lb/>
u&#x0364;berirdi&#x017F;che Weib, wie es ihm er&#x017F;chienen, her¬<lb/>
vor. &#x2014; Sein Inner&#x017F;tes war von die&#x017F;em Augen¬<lb/>
blicke ganz umgewendet. Statt des Tru&#x0364;b&#x017F;inns,<lb/>
der an &#x017F;einem Herzmark gezehrt hatte, erhob ihn<lb/>
Froh&#x017F;inn und Heiterkeit. Er &#x017F;tudirte mit Fleiß<lb/>
und An&#x017F;trengung die Mei&#x017F;terwerke der alten Mah¬<lb/>
ler. Mehrere Copien gelangen ihm vortrefflich,<lb/>
und nun fing er an &#x017F;elb&#x017F;t Gema&#x0364;hlde zu &#x017F;chaffen,<lb/>
die alle Kenner in Er&#x017F;taunen &#x017F;etzten. An Land¬<lb/>
&#x017F;chaften war nicht mehr zu denken, und <hi rendition="#g">Hackert</hi><lb/>
bekannte &#x017F;elb&#x017F;t, daß der Ju&#x0364;ngling nun er&#x017F;t &#x017F;einen<lb/>
eigentlichen Beruf gefunden habe. So kam es,<lb/>
daß er mehrere große Werke, Altarbla&#x0364;tter fu&#x0364;r<lb/>
Kirchen, zu mahlen bekam. Er wa&#x0364;hlte mehren¬<lb/>
theils heitere Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde chri&#x017F;tlicher Legenden,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[264/0272] aus den Augen — Freund — Freund! ſtammelte er: ich bin gluͤcklich — ſelig — ſie iſt gefunden — gefunden! Raſch ſchritt er fort, in ſeine Werk¬ ſtatt — er ſpannte die Leinwand auf, er fing an zu mahlen. Wie von goͤttlicher Kraft beſeelt, zauberte er mit der vollen Gluth des Lebens das uͤberirdiſche Weib, wie es ihm erſchienen, her¬ vor. — Sein Innerſtes war von dieſem Augen¬ blicke ganz umgewendet. Statt des Truͤbſinns, der an ſeinem Herzmark gezehrt hatte, erhob ihn Frohſinn und Heiterkeit. Er ſtudirte mit Fleiß und Anſtrengung die Meiſterwerke der alten Mah¬ ler. Mehrere Copien gelangen ihm vortrefflich, und nun fing er an ſelbſt Gemaͤhlde zu ſchaffen, die alle Kenner in Erſtaunen ſetzten. An Land¬ ſchaften war nicht mehr zu denken, und Hackert bekannte ſelbſt, daß der Juͤngling nun erſt ſeinen eigentlichen Beruf gefunden habe. So kam es, daß er mehrere große Werke, Altarblaͤtter fuͤr Kirchen, zu mahlen bekam. Er waͤhlte mehren¬ theils heitere Gegenſtaͤnde chriſtlicher Legenden,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/272
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/272>, abgerufen am 22.11.2024.