Es begab sich, daß die Königin, begleitet von den edlen Feldherren des Lagers, nach der Kirche der Benediktiner-Nonnen schritt, um wie ge¬ wöhnlich die Messe zu hören. Vor der Pforte lag ein elender zerlumpter Bettler, die Traban¬ ten wollten ihn fortschaffen, doch halb erhoben riß er sich wieder los und warf sich heulend nie¬ der, so daß er die Königin berührte. Ergrimmt sprang Aguillar hervor und wollte den Elenden mit dem Fuße fortstoßen. Der richtete sich aber mit halbem Leibe gegen ihn empor und schrie: "Tritt die Schlange -- tritt die Schlange, sie wird dich stechen zum Tode!" und dazu griff er in die Saiten der unter den Lumpen versteckten Zither, daß sie im gellenden widrig pfeifenden Tone zerrissen und alle von unheimlichem Grauen ergriffen, zurückbebten. Die Trabanten schafften das widrige Gespenst fort und es hieß: der Mensch sey ein gefangener wahnsinniger Mohr, der aber
einen wohl zu beachtenden Moment wegzuſprin¬ gen.
Es begab ſich, daß die Koͤnigin, begleitet von den edlen Feldherren des Lagers, nach der Kirche der Benediktiner-Nonnen ſchritt, um wie ge¬ woͤhnlich die Meſſe zu hoͤren. Vor der Pforte lag ein elender zerlumpter Bettler, die Traban¬ ten wollten ihn fortſchaffen, doch halb erhoben riß er ſich wieder los und warf ſich heulend nie¬ der, ſo daß er die Koͤnigin beruͤhrte. Ergrimmt ſprang Aguillar hervor und wollte den Elenden mit dem Fuße fortſtoßen. Der richtete ſich aber mit halbem Leibe gegen ihn empor und ſchrie: „Tritt die Schlange — tritt die Schlange, ſie wird dich ſtechen zum Tode!“ und dazu griff er in die Saiten der unter den Lumpen verſteckten Zither, daß ſie im gellenden widrig pfeifenden Tone zerriſſen und alle von unheimlichem Grauen ergriffen, zuruͤckbebten. Die Trabanten ſchafften das widrige Geſpenſt fort und es hieß: der Menſch ſey ein gefangener wahnſinniger Mohr, der aber
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einen wohl zu beachtenden Moment wegzuſprin¬
gen.
Es begab ſich, daß die Koͤnigin, begleitet von
den edlen Feldherren des Lagers, nach der Kirche
der Benediktiner-Nonnen ſchritt, um wie ge¬
woͤhnlich die Meſſe zu hoͤren. Vor der Pforte
lag ein elender zerlumpter Bettler, die Traban¬
ten wollten ihn fortſchaffen, doch halb erhoben
riß er ſich wieder los und warf ſich heulend nie¬
der, ſo daß er die Koͤnigin beruͤhrte. Ergrimmt
ſprang Aguillar hervor und wollte den Elenden
mit dem Fuße fortſtoßen. Der richtete ſich aber
mit halbem Leibe gegen ihn empor und ſchrie:
„Tritt die Schlange — tritt die Schlange, ſie
wird dich ſtechen zum Tode!“ und dazu griff er
in die Saiten der unter den Lumpen verſteckten
Zither, daß ſie im gellenden widrig pfeifenden
Tone zerriſſen und alle von unheimlichem Grauen
ergriffen, zuruͤckbebten. Die Trabanten ſchafften
das widrige Geſpenſt fort und es hieß: der Menſch
ſey ein gefangener wahnſinniger Mohr, der aber
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/314>, abgerufen am 24.11.2024.
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