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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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nur in Olimpia's Liebe finde ich mein Selbst
wieder. Auch mag es nicht recht seyn, daß sie
nicht in platter Conversation faselt, wie die an¬
dern flachen Gemüther. Sie spricht wenig Worte,
das ist wahr; aber diese wenigen Worte erschei¬
nen als ächte Hieroglyphe der innern Welt voll
Liebe und hoher Erkenntniß des geistigen Lebens
in der Anschauung des ewigen Jenseits. Doch
für Alles das habt ihr keinen Sinn und alles
sind verlorne Worte." "Behüte Dich Gott, Herr
Bruder," sagte Siegmund sehr sanft, beinahe
wehmüthig, "aber mir scheint es, Du seist auf
bösem Wege. Auf mich kannst Du rechnen, wenn
alles -- Nein, ich mag nichts weiter sagen! --"
Dem Nathanael war es plötzlich, als meine
der kalte prosaische Siegmund es sehr treu
mit ihm, er schüttelte daher die ihm dargebotene
Hand recht herzlich. --

Nathanael hatte rein vergessen, daß es eine
Clara in der Welt gebe, die er sonst geliebt; --
die Mutter -- Lothar -- Alle waren aus seinem

nur in Olimpia's Liebe finde ich mein Selbſt
wieder. Auch mag es nicht recht ſeyn, daß ſie
nicht in platter Converſation faſelt, wie die an¬
dern flachen Gemuͤther. Sie ſpricht wenig Worte,
das iſt wahr; aber dieſe wenigen Worte erſchei¬
nen als aͤchte Hieroglyphe der innern Welt voll
Liebe und hoher Erkenntniß des geiſtigen Lebens
in der Anſchauung des ewigen Jenſeits. Doch
fuͤr Alles das habt ihr keinen Sinn und alles
ſind verlorne Worte.“ „Behuͤte Dich Gott, Herr
Bruder,“ ſagte Siegmund ſehr ſanft, beinahe
wehmuͤthig, „aber mir ſcheint es, Du ſeiſt auf
boͤſem Wege. Auf mich kannſt Du rechnen, wenn
alles — Nein, ich mag nichts weiter ſagen! —“
Dem Nathanael war es ploͤtzlich, als meine
der kalte proſaiſche Siegmund es ſehr treu
mit ihm, er ſchuͤttelte daher die ihm dargebotene
Hand recht herzlich. —

Nathanael hatte rein vergeſſen, daß es eine
Clara in der Welt gebe, die er ſonſt geliebt; —
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[66/0074] nur in Olimpia's Liebe finde ich mein Selbſt wieder. Auch mag es nicht recht ſeyn, daß ſie nicht in platter Converſation faſelt, wie die an¬ dern flachen Gemuͤther. Sie ſpricht wenig Worte, das iſt wahr; aber dieſe wenigen Worte erſchei¬ nen als aͤchte Hieroglyphe der innern Welt voll Liebe und hoher Erkenntniß des geiſtigen Lebens in der Anſchauung des ewigen Jenſeits. Doch fuͤr Alles das habt ihr keinen Sinn und alles ſind verlorne Worte.“ „Behuͤte Dich Gott, Herr Bruder,“ ſagte Siegmund ſehr ſanft, beinahe wehmuͤthig, „aber mir ſcheint es, Du ſeiſt auf boͤſem Wege. Auf mich kannſt Du rechnen, wenn alles — Nein, ich mag nichts weiter ſagen! —“ Dem Nathanael war es ploͤtzlich, als meine der kalte proſaiſche Siegmund es ſehr treu mit ihm, er ſchuͤttelte daher die ihm dargebotene Hand recht herzlich. — Nathanael hatte rein vergeſſen, daß es eine Clara in der Welt gebe, die er ſonſt geliebt; — die Mutter — Lothar — Alle waren aus ſeinem

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/74>, abgerufen am 25.05.2024.