und auch wohl verkaufe." Damit öffnete der Fremde sein Kistchen, holte eine Phiole heraus, tröpfelte von dem ganz dunkelrothen Liquor etwas auf Zucker und gab es der Kranken. Dann holte er aus dem Felleisen eine kleine geschliffene Fla¬ sche köstlichen Rheinweins und flößte der Kranken ein Paar Löffel voll ein. Den Knaben, befahl er, nur dicht an der Mutter Brust gelehnt ins Bette zu legen und beide der Ruhe zu überlas¬ sen. Dem Andres war es zu Muthe, als sei ein Heiliger herabgestiegen in die Einöde, ihm Trost und Hülfe zu bringen. Anfangs hatte ihn der stechende, falsche Blick des Fremden abge¬ schreckt, jetzt wurde er durch die sorgliche Theil¬ nahme, durch die augenscheinliche Hülfe, die er der armen Giorgina leistete, zu ihm hingezo¬ gen. Er erzählte dem Fremden unverholen, wie er eben durch die Gnade, die ihm sein Herr, der Graf von Vach, angedeihen lassen wollen, in Noth und Elend gerathen sei und wie er wol Zeit seines Lebens nicht aus drückender Armuth
und auch wohl verkaufe.“ Damit oͤffnete der Fremde ſein Kiſtchen, holte eine Phiole heraus, troͤpfelte von dem ganz dunkelrothen Liquor etwas auf Zucker und gab es der Kranken. Dann holte er aus dem Felleiſen eine kleine geſchliffene Fla¬ ſche koͤſtlichen Rheinweins und floͤßte der Kranken ein Paar Loͤffel voll ein. Den Knaben, befahl er, nur dicht an der Mutter Bruſt gelehnt ins Bette zu legen und beide der Ruhe zu uͤberlaſ¬ ſen. Dem Andres war es zu Muthe, als ſei ein Heiliger herabgeſtiegen in die Einoͤde, ihm Troſt und Huͤlfe zu bringen. Anfangs hatte ihn der ſtechende, falſche Blick des Fremden abge¬ ſchreckt, jetzt wurde er durch die ſorgliche Theil¬ nahme, durch die augenſcheinliche Huͤlfe, die er der armen Giorgina leiſtete, zu ihm hingezo¬ gen. Er erzaͤhlte dem Fremden unverholen, wie er eben durch die Gnade, die ihm ſein Herr, der Graf von Vach, angedeihen laſſen wollen, in Noth und Elend gerathen ſei und wie er wol Zeit ſeines Lebens nicht aus druͤckender Armuth
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und auch wohl verkaufe.“ Damit oͤffnete der
Fremde ſein Kiſtchen, holte eine Phiole heraus,
troͤpfelte von dem ganz dunkelrothen Liquor etwas
auf Zucker und gab es der Kranken. Dann holte
er aus dem Felleiſen eine kleine geſchliffene Fla¬
ſche koͤſtlichen Rheinweins und floͤßte der Kranken
ein Paar Loͤffel voll ein. Den Knaben, befahl
er, nur dicht an der Mutter Bruſt gelehnt ins
Bette zu legen und beide der Ruhe zu uͤberlaſ¬
ſen. Dem Andres war es zu Muthe, als ſei
ein Heiliger herabgeſtiegen in die Einoͤde, ihm
Troſt und Huͤlfe zu bringen. Anfangs hatte ihn
der ſtechende, falſche Blick des Fremden abge¬
ſchreckt, jetzt wurde er durch die ſorgliche Theil¬
nahme, durch die augenſcheinliche Huͤlfe, die er
der armen Giorgina leiſtete, zu ihm hingezo¬
gen. Er erzaͤhlte dem Fremden unverholen, wie
er eben durch die Gnade, die ihm ſein Herr, der
Graf von Vach, angedeihen laſſen wollen, in
Noth und Elend gerathen ſei und wie er wol
Zeit ſeines Lebens nicht aus druͤckender Armuth
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/98>, abgerufen am 23.11.2024.
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