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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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und Dürftigkeit kommen werde. Der Fremde
tröstete ihn dagegen und meinte, wie oft ein un¬
verhofftes Glück dem Hoffnungslosesten alle Güter
des Lebens bringe, und daß man wol etwas wagen
müsse, das Glück selbst sich dienstbar zu machen.
"Ach lieber Herr!" erwiederte Andres," ich
vertraue Gott und der Fürsprache der Heiligen,
zu denen wir, ich und mein treues Weib, jeden
Tag mit Inbrunst beten. Was soll ich denn
thun, um mir Geld und Gut zu verschaffen? Ist
es mir nach Gottes Weisheit nicht beschieden, so
wäre es ja sündlich, darnach zu trachten; soll ich
aber noch in dieser Welt zu Gütern gelangen,
welches ich meines armen Weibes halber wünsche,
die ihr schönes Vaterland verlassen, um mir in
diese wilde Einöde zu folgen, so kommt es wol,
ohne daß ich Leib und Leben wage um schnödes,
weltliches Gut. Der Fremde lächelte bei diesen
Reden des frommen Andres auf ganz seltsame
Weise und war im Begriff, etwas zu erwiedern,
als Giorgina mit einem tiefen Seufzer aus

und Duͤrftigkeit kommen werde. Der Fremde
troͤſtete ihn dagegen und meinte, wie oft ein un¬
verhofftes Gluͤck dem Hoffnungsloſeſten alle Guͤter
des Lebens bringe, und daß man wol etwas wagen
muͤſſe, das Gluͤck ſelbſt ſich dienſtbar zu machen.
„Ach lieber Herr!“ erwiederte Andres,“ ich
vertraue Gott und der Fuͤrſprache der Heiligen,
zu denen wir, ich und mein treues Weib, jeden
Tag mit Inbrunſt beten. Was ſoll ich denn
thun, um mir Geld und Gut zu verſchaffen? Iſt
es mir nach Gottes Weisheit nicht beſchieden, ſo
waͤre es ja ſuͤndlich, darnach zu trachten; ſoll ich
aber noch in dieſer Welt zu Guͤtern gelangen,
welches ich meines armen Weibes halber wuͤnſche,
die ihr ſchoͤnes Vaterland verlaſſen, um mir in
dieſe wilde Einoͤde zu folgen, ſo kommt es wol,
ohne daß ich Leib und Leben wage um ſchnoͤdes,
weltliches Gut. Der Fremde laͤchelte bei dieſen
Reden des frommen Andres auf ganz ſeltſame
Weiſe und war im Begriff, etwas zu erwiedern,
als Giorgina mit einem tiefen Seufzer aus

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[91/0099] und Duͤrftigkeit kommen werde. Der Fremde troͤſtete ihn dagegen und meinte, wie oft ein un¬ verhofftes Gluͤck dem Hoffnungsloſeſten alle Guͤter des Lebens bringe, und daß man wol etwas wagen muͤſſe, das Gluͤck ſelbſt ſich dienſtbar zu machen. „Ach lieber Herr!“ erwiederte Andres,“ ich vertraue Gott und der Fuͤrſprache der Heiligen, zu denen wir, ich und mein treues Weib, jeden Tag mit Inbrunſt beten. Was ſoll ich denn thun, um mir Geld und Gut zu verſchaffen? Iſt es mir nach Gottes Weisheit nicht beſchieden, ſo waͤre es ja ſuͤndlich, darnach zu trachten; ſoll ich aber noch in dieſer Welt zu Guͤtern gelangen, welches ich meines armen Weibes halber wuͤnſche, die ihr ſchoͤnes Vaterland verlaſſen, um mir in dieſe wilde Einoͤde zu folgen, ſo kommt es wol, ohne daß ich Leib und Leben wage um ſchnoͤdes, weltliches Gut. Der Fremde laͤchelte bei dieſen Reden des frommen Andres auf ganz ſeltſame Weiſe und war im Begriff, etwas zu erwiedern, als Giorgina mit einem tiefen Seufzer aus

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/99>, abgerufen am 24.05.2024.