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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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Kinder in den Hintergrund stelle, etwas Gehässi¬
ges habe. Hubert riß, wie einer, der Luft machen
will der beklemmten Brust, die Weste von oben
bis unten auf; die eine Hand in die offne Busen¬
krause begraben, die andere in die Seite gestemmt,
drehte er sich, mit einer raschen Tänzerbewegung, auf
einem Fuße um, und rief mit schneidender Stimme:
"Pah! -- das Gehässige wird geboren vom Haß" --
dann schlug er ein gellendes Gelächter auf, und sprach:
"Wie gnädig doch der Majoratsherr dem armen
Bettler seine Goldstücke zuzuwerfen gedenkt." --
V. sah nun wohl ein, daß von völliger Aussöhnung
der Brüder gar nicht die Rede seyn könne.

Hubert richtete sich in den Zimmern, die ihm in
den Seitenflügeln des Schlosses angewiesen worden,
zu des Freiherrn Verdruß, auf recht langes Bleiben
ein. Man bemerkte, daß er oft und lange mit dem
Hausverwalter sprach, ja daß dieser sogar zuweilen
mit ihm auf die Wolfsjagd zog. Sonst ließ er sich
wenig sehen, und mied es ganz, mit dem Bruder
allein zusammen zu kommen, welches diesem eben

Kinder in den Hintergrund ſtelle, etwas Gehaͤſſi¬
ges habe. Hubert riß, wie einer, der Luft machen
will der beklemmten Bruſt, die Weſte von oben
bis unten auf; die eine Hand in die offne Buſen¬
krauſe begraben, die andere in die Seite geſtemmt,
drehte er ſich, mit einer raſchen Taͤnzerbewegung, auf
einem Fuße um, und rief mit ſchneidender Stimme:
„Pah! — das Gehaͤſſige wird geboren vom Haß“ —
dann ſchlug er ein gellendes Gelaͤchter auf, und ſprach:
„Wie gnaͤdig doch der Majoratsherr dem armen
Bettler ſeine Goldſtuͤcke zuzuwerfen gedenkt.“ —
V. ſah nun wohl ein, daß von voͤlliger Ausſoͤhnung
der Bruͤder gar nicht die Rede ſeyn koͤnne.

Hubert richtete ſich in den Zimmern, die ihm in
den Seitenfluͤgeln des Schloſſes angewieſen worden,
zu des Freiherrn Verdruß, auf recht langes Bleiben
ein. Man bemerkte, daß er oft und lange mit dem
Hausverwalter ſprach, ja daß dieſer ſogar zuweilen
mit ihm auf die Wolfsjagd zog. Sonſt ließ er ſich
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[201/0209] Kinder in den Hintergrund ſtelle, etwas Gehaͤſſi¬ ges habe. Hubert riß, wie einer, der Luft machen will der beklemmten Bruſt, die Weſte von oben bis unten auf; die eine Hand in die offne Buſen¬ krauſe begraben, die andere in die Seite geſtemmt, drehte er ſich, mit einer raſchen Taͤnzerbewegung, auf einem Fuße um, und rief mit ſchneidender Stimme: „Pah! — das Gehaͤſſige wird geboren vom Haß“ — dann ſchlug er ein gellendes Gelaͤchter auf, und ſprach: „Wie gnaͤdig doch der Majoratsherr dem armen Bettler ſeine Goldſtuͤcke zuzuwerfen gedenkt.“ — V. ſah nun wohl ein, daß von voͤlliger Ausſoͤhnung der Bruͤder gar nicht die Rede ſeyn koͤnne. Hubert richtete ſich in den Zimmern, die ihm in den Seitenfluͤgeln des Schloſſes angewieſen worden, zu des Freiherrn Verdruß, auf recht langes Bleiben ein. Man bemerkte, daß er oft und lange mit dem Hausverwalter ſprach, ja daß dieſer ſogar zuweilen mit ihm auf die Wolfsjagd zog. Sonſt ließ er ſich wenig ſehen, und mied es ganz, mit dem Bruder allein zuſammen zu kommen, welches dieſem eben

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/209>, abgerufen am 18.05.2024.