seinen Willen geschlossen?" -- "Ich kann mich auf dergleichen gar nicht besinnen," erwiederte der Alte, indem er auf ungezogene Art laut gähnte. -- "Du bist schläfrig, Alter, sprach V., hast du vielleicht eine unruhige Nacht gehabt?" -- "Daß ich nicht wüßte," entgegnete der Alte frostig, "aber ich will nun gehen und das Abendessen bestellen" Hiemit erhob er sich schwerfällig vom Stuhl, indem er sich den gekrümmten Rücken rieb und abermahls und zwar noch lauter gähnte als zuvor. "Bleibe doch noch Alter," rief V. indem er ihn bey der Hand ergriff und zum Sitzen nöthigen wollte, der Alte blieb aber vor dem Arbeitstisch stehen, auf den er sich mit beiden Händen stemmte, den Leib über¬ gebogen nach V. hin, und mürrisch fragend. "Nun was soll's denn, was schiert mich das Testa¬ ment, was schiert mich der Streit um das Majorat" -- Davon, fiel ihm V. in die Rede, wollen wir auch gar nicht mehr sprechen: von ganz etwas Anderm, lieber Daniel! -- Du bist mürrisch, du gähnst, das alles zeugt von besonderer
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ſeinen Willen geſchloſſen?“ — „Ich kann mich auf dergleichen gar nicht beſinnen,“ erwiederte der Alte, indem er auf ungezogene Art laut gaͤhnte. — „Du biſt ſchlaͤfrig, Alter, ſprach V., haſt du vielleicht eine unruhige Nacht gehabt?“ — „Daß ich nicht wuͤßte,“ entgegnete der Alte froſtig, „aber ich will nun gehen und das Abendeſſen beſtellen“ Hiemit erhob er ſich ſchwerfaͤllig vom Stuhl, indem er ſich den gekruͤmmten Ruͤcken rieb und abermahls und zwar noch lauter gaͤhnte als zuvor. „Bleibe doch noch Alter,“ rief V. indem er ihn bey der Hand ergriff und zum Sitzen noͤthigen wollte, der Alte blieb aber vor dem Arbeitstiſch ſtehen, auf den er ſich mit beiden Haͤnden ſtemmte, den Leib uͤber¬ gebogen nach V. hin, und muͤrriſch fragend. „Nun was ſoll's denn, was ſchiert mich das Teſta¬ ment, was ſchiert mich der Streit um das Majorat“ — Davon, fiel ihm V. in die Rede, wollen wir auch gar nicht mehr ſprechen: von ganz etwas Anderm, lieber Daniel! — Du biſt muͤrriſch, du gaͤhnſt, das alles zeugt von beſonderer
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ſeinen Willen geſchloſſen?“ — „Ich kann mich auf
dergleichen gar nicht beſinnen,“ erwiederte der Alte,
indem er auf ungezogene Art laut gaͤhnte. — „Du
biſt ſchlaͤfrig, Alter, ſprach V., haſt du vielleicht
eine unruhige Nacht gehabt?“ — „Daß ich nicht
wuͤßte,“ entgegnete der Alte froſtig, „aber ich will
nun gehen und das Abendeſſen beſtellen“ Hiemit
erhob er ſich ſchwerfaͤllig vom Stuhl, indem er ſich
den gekruͤmmten Ruͤcken rieb und abermahls und
zwar noch lauter gaͤhnte als zuvor. „Bleibe doch
noch Alter,“ rief V. indem er ihn bey der Hand
ergriff und zum Sitzen noͤthigen wollte, der Alte
blieb aber vor dem Arbeitstiſch ſtehen, auf den er
ſich mit beiden Haͤnden ſtemmte, den Leib uͤber¬
gebogen nach V. hin, und muͤrriſch fragend. „Nun
was ſoll's denn, was ſchiert mich das Teſta¬
ment, was ſchiert mich der Streit um das
Majorat“ — Davon, fiel ihm V. in die Rede,
wollen wir auch gar nicht mehr ſprechen: von
ganz etwas Anderm, lieber Daniel! — Du biſt
muͤrriſch, du gaͤhnſt, das alles zeugt von beſonderer
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/233>, abgerufen am 27.11.2024.
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