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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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hingebender Leichtsinn, stoische Selbstverläugnung,
glühende Leidenschaft, todtstarre Kälte, alles das,
wie es bunt gemischt in ihrem Gemüthe liegt, er¬
zeugt das wunderliche unstete Treiben auf der
Oberfläche, das dem Spiel gleicht der in stetem
Wechsel fortplätschernden Wellen des im tiefsten
Grunde bewegten Bachs. -- Gleichgültig sah Her¬
menegilda den Bräutigam scheiden, aber kaum wa¬
ren einige Tage vergangen, als sie sich von solch' un¬
aussprechlicher Sehnsucht befangen fühlte, wie sie
nur die glühendste Liebe erzeugen kann. Der Sturm
des Krieges war verrauscht, die Amnestie wurde
proklamirt, man entließ die polnischen Offiziere
aus der Gefangenschaft. So geschah es, daß meh¬
rere von Stanislaus Waffenbrüdern sich nach und
nach auf des Grafen Gute einfanden. Mit tiefem
Schmerz gedachte man jener unglücklichen Tage,
aber auch mit hoher Begeisterung des Löwenmuths,
womit alle, aber keiner mehr als Stanislaus ge¬
fochten. Er hatte die zurückweichenden Bataillo¬
ne, da, wo schon alles verloren schien, aufs neue

hingebender Leichtſinn, ſtoiſche Selbſtverlaͤugnung,
gluͤhende Leidenſchaft, todtſtarre Kaͤlte, alles das,
wie es bunt gemiſcht in ihrem Gemuͤthe liegt, er¬
zeugt das wunderliche unſtete Treiben auf der
Oberflaͤche, das dem Spiel gleicht der in ſtetem
Wechſel fortplaͤtſchernden Wellen des im tiefſten
Grunde bewegten Bachs. — Gleichguͤltig ſah Her¬
menegilda den Braͤutigam ſcheiden, aber kaum wa¬
ren einige Tage vergangen, als ſie ſich von ſolch' un¬
ausſprechlicher Sehnſucht befangen fuͤhlte, wie ſie
nur die gluͤhendſte Liebe erzeugen kann. Der Sturm
des Krieges war verrauſcht, die Amneſtie wurde
proklamirt, man entließ die polniſchen Offiziere
aus der Gefangenſchaft. So geſchah es, daß meh¬
rere von Stanislaus Waffenbruͤdern ſich nach und
nach auf des Grafen Gute einfanden. Mit tiefem
Schmerz gedachte man jener ungluͤcklichen Tage,
aber auch mit hoher Begeiſterung des Loͤwenmuths,
womit alle, aber keiner mehr als Stanislaus ge¬
fochten. Er hatte die zuruͤckweichenden Bataillo¬
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[279/0287] hingebender Leichtſinn, ſtoiſche Selbſtverlaͤugnung, gluͤhende Leidenſchaft, todtſtarre Kaͤlte, alles das, wie es bunt gemiſcht in ihrem Gemuͤthe liegt, er¬ zeugt das wunderliche unſtete Treiben auf der Oberflaͤche, das dem Spiel gleicht der in ſtetem Wechſel fortplaͤtſchernden Wellen des im tiefſten Grunde bewegten Bachs. — Gleichguͤltig ſah Her¬ menegilda den Braͤutigam ſcheiden, aber kaum wa¬ ren einige Tage vergangen, als ſie ſich von ſolch' un¬ ausſprechlicher Sehnſucht befangen fuͤhlte, wie ſie nur die gluͤhendſte Liebe erzeugen kann. Der Sturm des Krieges war verrauſcht, die Amneſtie wurde proklamirt, man entließ die polniſchen Offiziere aus der Gefangenſchaft. So geſchah es, daß meh¬ rere von Stanislaus Waffenbruͤdern ſich nach und nach auf des Grafen Gute einfanden. Mit tiefem Schmerz gedachte man jener ungluͤcklichen Tage, aber auch mit hoher Begeiſterung des Loͤwenmuths, womit alle, aber keiner mehr als Stanislaus ge¬ fochten. Er hatte die zuruͤckweichenden Bataillo¬ ne, da, wo ſchon alles verloren ſchien, aufs neue

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/287>, abgerufen am 24.11.2024.