er je erlebt. Sekunde auf Sekunde verging, der Offizier ganz entzündet vom Liebesfeuer, das in tausend elektrischen Funken der holden Gestalt, die er in seinen Armen hielt, entströmte, drückte glühende Küsse auf die süßen Lippen. So fand ihn Graf Nepomuk, der aus seinen Zimmern trat. Auch er rief aufjauchzend vor Freude: "Graf Stanislaus!" -- In dem Augenblick er¬ wachte Hermenegilda, und umschlang ihn inbrün¬ stig, indem sie ganz außer sich von neuem rief: "Stanislaus! -- mein Geliebter! mein Gatte!" -- Der Offizier im ganzen Gesicht glühend, zit¬ ternd -- außer aller Fassung, trat einen Schritt zurück, indem er sich sanft Hermenegilda's stür¬ mischer Umarmung entzog. "Es ist der süßeste Augenblick meines Lebens -- aber nicht schwelgen will ich in der Seligkeit, die mir nur ein Irr¬ thum bereitet -- ich bin ja nicht Stanislaus -- ach ich bin es ja nicht." -- So sprach der Offi¬ zier stotternd und zagend; entsetzt prallte Herme¬ negilda zurück, und als sie sich, den Offizier schärfer
er je erlebt. Sekunde auf Sekunde verging, der Offizier ganz entzuͤndet vom Liebesfeuer, das in tauſend elektriſchen Funken der holden Geſtalt, die er in ſeinen Armen hielt, entſtroͤmte, druͤckte gluͤhende Kuͤſſe auf die ſuͤßen Lippen. So fand ihn Graf Nepomuk, der aus ſeinen Zimmern trat. Auch er rief aufjauchzend vor Freude: „Graf Stanislaus!“ — In dem Augenblick er¬ wachte Hermenegilda, und umſchlang ihn inbruͤn¬ ſtig, indem ſie ganz außer ſich von neuem rief: „Stanislaus! — mein Geliebter! mein Gatte!“ — Der Offizier im ganzen Geſicht gluͤhend, zit¬ ternd — außer aller Faſſung, trat einen Schritt zuruͤck, indem er ſich ſanft Hermenegilda's ſtuͤr¬ miſcher Umarmung entzog. „Es iſt der ſuͤßeſte Augenblick meines Lebens — aber nicht ſchwelgen will ich in der Seligkeit, die mir nur ein Irr¬ thum bereitet — ich bin ja nicht Stanislaus — ach ich bin es ja nicht.“ — So ſprach der Offi¬ zier ſtotternd und zagend; entſetzt prallte Herme¬ negilda zuruͤck, und als ſie ſich, den Offizier ſchaͤrfer
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er je erlebt. Sekunde auf Sekunde verging, der
Offizier ganz entzuͤndet vom Liebesfeuer, das in
tauſend elektriſchen Funken der holden Geſtalt,
die er in ſeinen Armen hielt, entſtroͤmte, druͤckte
gluͤhende Kuͤſſe auf die ſuͤßen Lippen. So fand
ihn Graf Nepomuk, der aus ſeinen Zimmern
trat. Auch er rief aufjauchzend vor Freude:
„Graf Stanislaus!“ — In dem Augenblick er¬
wachte Hermenegilda, und umſchlang ihn inbruͤn¬
ſtig, indem ſie ganz außer ſich von neuem rief:
„Stanislaus! — mein Geliebter! mein Gatte!“ —
Der Offizier im ganzen Geſicht gluͤhend, zit¬
ternd — außer aller Faſſung, trat einen Schritt
zuruͤck, indem er ſich ſanft Hermenegilda's ſtuͤr¬
miſcher Umarmung entzog. „Es iſt der ſuͤßeſte
Augenblick meines Lebens — aber nicht ſchwelgen
will ich in der Seligkeit, die mir nur ein Irr¬
thum bereitet — ich bin ja nicht Stanislaus —
ach ich bin es ja nicht.“ — So ſprach der Offi¬
zier ſtotternd und zagend; entſetzt prallte Herme¬
negilda zuruͤck, und als ſie ſich, den Offizier ſchaͤrfer
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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/291>, abgerufen am 24.11.2024.
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