Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

Bild:
<< vorherige Seite

gen, Menschen- und Thiergestalten, Blumen,
Früchte, Gesteine, darstellen, und deren Bedeu¬
tung du ohne weitere Verdeutlichung zu ahnen
glaubst. Im Saal, der den untern Stock in der
Breite einnimmt und bis über den zweiten Stock
hinaufsteigt, scheint in vergoldeter Bilderei alles
das plastisch ausgeführt, was erst durch Gemählde
angedeutet wurde. Du wirst im ersten Augenblick
vom verdorbenen Geschmack des Zeitalters Ludwig
des Vierzehnten reden, du wirst weidlich schmäh¬
len über das Barocke, Ueberladene, Grelle, Ge¬
schmacklose dieses Styls, aber bist du nur was
weniges meines Sinnes, fehlt es dir nicht an
reger Fantasie, welches ich allemal bei dir, mein
gütiger Leser! voraussetze, so wirst du bald allen
in der That gegründeten Tadel vergessen. Es
wird dir so zu Muthe werden, als sey die regel¬
lose Willkühr nur das kecke Spiel des Meisters
mit Gestaltungen, über die er unumschränkt zu
herrschen wußte, dann aber, als verkette sich alles
zur bittersten Ironie des irdischen Treibens, die

gen, Menſchen- und Thiergeſtalten, Blumen,
Fruͤchte, Geſteine, darſtellen, und deren Bedeu¬
tung du ohne weitere Verdeutlichung zu ahnen
glaubſt. Im Saal, der den untern Stock in der
Breite einnimmt und bis uͤber den zweiten Stock
hinaufſteigt, ſcheint in vergoldeter Bilderei alles
das plaſtiſch ausgefuͤhrt, was erſt durch Gemaͤhlde
angedeutet wurde. Du wirſt im erſten Augenblick
vom verdorbenen Geſchmack des Zeitalters Ludwig
des Vierzehnten reden, du wirſt weidlich ſchmaͤh¬
len uͤber das Barocke, Ueberladene, Grelle, Ge¬
ſchmackloſe dieſes Styls, aber biſt du nur was
weniges meines Sinnes, fehlt es dir nicht an
reger Fantaſie, welches ich allemal bei dir, mein
guͤtiger Leſer! vorausſetze, ſo wirſt du bald allen
in der That gegruͤndeten Tadel vergeſſen. Es
wird dir ſo zu Muthe werden, als ſey die regel¬
loſe Willkuͤhr nur das kecke Spiel des Meiſters
mit Geſtaltungen, uͤber die er unumſchraͤnkt zu
herrſchen wußte, dann aber, als verkette ſich alles
zur bitterſten Ironie des irdiſchen Treibens, die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0333" n="325"/>
gen, Men&#x017F;chen- und Thierge&#x017F;talten, Blumen,<lb/>
Fru&#x0364;chte, Ge&#x017F;teine, dar&#x017F;tellen, und deren Bedeu¬<lb/>
tung du ohne weitere Verdeutlichung zu ahnen<lb/>
glaub&#x017F;t. Im Saal, der den untern Stock in der<lb/>
Breite einnimmt und bis u&#x0364;ber den zweiten Stock<lb/>
hinauf&#x017F;teigt, &#x017F;cheint in vergoldeter Bilderei alles<lb/>
das pla&#x017F;ti&#x017F;ch ausgefu&#x0364;hrt, was er&#x017F;t durch Gema&#x0364;hlde<lb/>
angedeutet wurde. Du wir&#x017F;t im er&#x017F;ten Augenblick<lb/>
vom verdorbenen Ge&#x017F;chmack des Zeitalters Ludwig<lb/>
des Vierzehnten reden, du wir&#x017F;t weidlich &#x017F;chma&#x0364;<lb/>
len u&#x0364;ber das Barocke, Ueberladene, Grelle, Ge¬<lb/>
&#x017F;chmacklo&#x017F;e die&#x017F;es Styls, aber bi&#x017F;t du nur was<lb/>
weniges meines Sinnes, fehlt es dir nicht an<lb/>
reger Fanta&#x017F;ie, welches ich allemal bei dir, mein<lb/>
gu&#x0364;tiger Le&#x017F;er! voraus&#x017F;etze, &#x017F;o wir&#x017F;t du bald allen<lb/>
in der That gegru&#x0364;ndeten Tadel verge&#x017F;&#x017F;en. Es<lb/>
wird dir &#x017F;o zu Muthe werden, als &#x017F;ey die regel¬<lb/>
lo&#x017F;e Willku&#x0364;hr nur das kecke Spiel des Mei&#x017F;ters<lb/>
mit Ge&#x017F;taltungen, u&#x0364;ber die er unum&#x017F;chra&#x0364;nkt zu<lb/>
herr&#x017F;chen wußte, dann aber, als verkette &#x017F;ich alles<lb/>
zur bitter&#x017F;ten Ironie des irdi&#x017F;chen Treibens, die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[325/0333] gen, Menſchen- und Thiergeſtalten, Blumen, Fruͤchte, Geſteine, darſtellen, und deren Bedeu¬ tung du ohne weitere Verdeutlichung zu ahnen glaubſt. Im Saal, der den untern Stock in der Breite einnimmt und bis uͤber den zweiten Stock hinaufſteigt, ſcheint in vergoldeter Bilderei alles das plaſtiſch ausgefuͤhrt, was erſt durch Gemaͤhlde angedeutet wurde. Du wirſt im erſten Augenblick vom verdorbenen Geſchmack des Zeitalters Ludwig des Vierzehnten reden, du wirſt weidlich ſchmaͤh¬ len uͤber das Barocke, Ueberladene, Grelle, Ge¬ ſchmackloſe dieſes Styls, aber biſt du nur was weniges meines Sinnes, fehlt es dir nicht an reger Fantaſie, welches ich allemal bei dir, mein guͤtiger Leſer! vorausſetze, ſo wirſt du bald allen in der That gegruͤndeten Tadel vergeſſen. Es wird dir ſo zu Muthe werden, als ſey die regel¬ loſe Willkuͤhr nur das kecke Spiel des Meiſters mit Geſtaltungen, uͤber die er unumſchraͤnkt zu herrſchen wußte, dann aber, als verkette ſich alles zur bitterſten Ironie des irdiſchen Treibens, die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/333
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/333>, abgerufen am 21.11.2024.