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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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paar große perlenglänzende Thränen auf den rothen
Stein. Da faßte der alte Herr schnell herüber und
ergriff ihre Hand. Seine Augen erblitzten im ju¬
gendlichen Feuer; wie ein fernes mit Blüthen und
Blumen reich geschmücktes herrliches Land im schim¬
mernden Abendroth lag eine längst vergangene Zeit
voll Liebe und Seligkeit in seinen glühenden Blicken.
"Julie! -- Julie! und auch Sie konnten dieses
arme Herz so auf den Tod verwunden." -- So
rief der alte Herr mit von der schmerzlichsten Weh¬
muth halberstickter Stimme: "Nicht mich," erwie¬
derte die alte Dame sehr weich und zärtlich, "nicht
mich, klagen Sie an, Maximilian! -- War es
denn nicht ihr starrer unversöhnlicher Sinn, ihr
träumerischer Glaube an Ahnungen, an seltsame,
Unheil verkündende Visionen, der Sie forttrieb von
mir, und der mich zuletzt bestimmen mußte, dem
sanfteren, beugsameren Mann, der mit Ihnen zu¬
gleich sich um mich bewarb, den Vorzug zu geben.
Ach! Maximilian, Sie mußten es ja wohl fühlen,
wie innig Sie geliebt wurden, aber Ihre ewige

paar große perlenglaͤnzende Thraͤnen auf den rothen
Stein. Da faßte der alte Herr ſchnell heruͤber und
ergriff ihre Hand. Seine Augen erblitzten im ju¬
gendlichen Feuer; wie ein fernes mit Bluͤthen und
Blumen reich geſchmuͤcktes herrliches Land im ſchim¬
mernden Abendroth lag eine laͤngſt vergangene Zeit
voll Liebe und Seligkeit in ſeinen gluͤhenden Blicken.
„Julie! — Julie! und auch Sie konnten dieſes
arme Herz ſo auf den Tod verwunden.“ — So
rief der alte Herr mit von der ſchmerzlichſten Weh¬
muth halberſtickter Stimme: „Nicht mich,“ erwie¬
derte die alte Dame ſehr weich und zaͤrtlich, „nicht
mich, klagen Sie an, Maximilian! — War es
denn nicht ihr ſtarrer unverſoͤhnlicher Sinn, ihr
traͤumeriſcher Glaube an Ahnungen, an ſeltſame,
Unheil verkuͤndende Viſionen, der Sie forttrieb von
mir, und der mich zuletzt beſtimmen mußte, dem
ſanfteren, beugſameren Mann, der mit Ihnen zu¬
gleich ſich um mich bewarb, den Vorzug zu geben.
Ach! Maximilian, Sie mußten es ja wohl fuͤhlen,
wie innig Sie geliebt wurden, aber Ihre ewige

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[319/0337] paar große perlenglaͤnzende Thraͤnen auf den rothen Stein. Da faßte der alte Herr ſchnell heruͤber und ergriff ihre Hand. Seine Augen erblitzten im ju¬ gendlichen Feuer; wie ein fernes mit Bluͤthen und Blumen reich geſchmuͤcktes herrliches Land im ſchim¬ mernden Abendroth lag eine laͤngſt vergangene Zeit voll Liebe und Seligkeit in ſeinen gluͤhenden Blicken. „Julie! — Julie! und auch Sie konnten dieſes arme Herz ſo auf den Tod verwunden.“ — So rief der alte Herr mit von der ſchmerzlichſten Weh¬ muth halberſtickter Stimme: „Nicht mich,“ erwie¬ derte die alte Dame ſehr weich und zaͤrtlich, „nicht mich, klagen Sie an, Maximilian! — War es denn nicht ihr ſtarrer unverſoͤhnlicher Sinn, ihr traͤumeriſcher Glaube an Ahnungen, an ſeltſame, Unheil verkuͤndende Viſionen, der Sie forttrieb von mir, und der mich zuletzt beſtimmen mußte, dem ſanfteren, beugſameren Mann, der mit Ihnen zu¬ gleich ſich um mich bewarb, den Vorzug zu geben. Ach! Maximilian, Sie mußten es ja wohl fuͤhlen, wie innig Sie geliebt wurden, aber Ihre ewige

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/337>, abgerufen am 21.11.2024.