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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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-- Die werf' ich um und du bist befreit! -- Weiß
ich denn nicht Alles -- weiß ich denn nicht Alles,
du Liebliche? Aber nun, Jungfrau! -- nun öffne
den Rosenmund, o sage" -- In dem Augenblick
griff eine knotige Faust über meine Schulter weg
nach der Krystallflasche, die in tausend Stücke zer¬
splittert in der Luft verstäubte. Mit einem leisen
Ton dumpfer Wehklage war die anmuthige Gestalt
verschwunden in finstrer Nacht. -- Ha! -- ich
merk es an Euerm Lächeln, daß Ihr schon wieder
in mir den träumerischen Geisterseher findet, aber
versichern kann ich Euch, daß der ganze Traum,
wollt Ihr nun einmahl nicht abgehen von dieser
Benennung, den vollendeten Charakter der Vision
hatte. Doch da ihr fortfahrt, mich so im prosai¬
schen Unglauben anzulächeln, so will ich lieber gar
nichts mehr davon sagen, sondern nur rasch weiter
gehen. -- Kaum war der Morgen angebrochen als
ich voll Unruhe und Sehnsucht nach der Allee lief,
und mich hinstellte vor das öde Haus! -- Außer
den innern Vorhängen waren noch dichte Jalousien

— Die werf' ich um und du biſt befreit! — Weiß
ich denn nicht Alles — weiß ich denn nicht Alles,
du Liebliche? Aber nun, Jungfrau! — nun oͤffne
den Roſenmund, o ſage“ — In dem Augenblick
griff eine knotige Fauſt uͤber meine Schulter weg
nach der Kryſtallflaſche, die in tauſend Stuͤcke zer¬
ſplittert in der Luft verſtaͤubte. Mit einem leiſen
Ton dumpfer Wehklage war die anmuthige Geſtalt
verſchwunden in finſtrer Nacht. — Ha! — ich
merk es an Euerm Laͤcheln, daß Ihr ſchon wieder
in mir den traͤumeriſchen Geiſterſeher findet, aber
verſichern kann ich Euch, daß der ganze Traum,
wollt Ihr nun einmahl nicht abgehen von dieſer
Benennung, den vollendeten Charakter der Viſion
hatte. Doch da ihr fortfahrt, mich ſo im proſai¬
ſchen Unglauben anzulaͤcheln, ſo will ich lieber gar
nichts mehr davon ſagen, ſondern nur raſch weiter
gehen. — Kaum war der Morgen angebrochen als
ich voll Unruhe und Sehnſucht nach der Allee lief,
und mich hinſtellte vor das oͤde Haus! — Außer
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[26/0034] — Die werf' ich um und du biſt befreit! — Weiß ich denn nicht Alles — weiß ich denn nicht Alles, du Liebliche? Aber nun, Jungfrau! — nun oͤffne den Roſenmund, o ſage“ — In dem Augenblick griff eine knotige Fauſt uͤber meine Schulter weg nach der Kryſtallflaſche, die in tauſend Stuͤcke zer¬ ſplittert in der Luft verſtaͤubte. Mit einem leiſen Ton dumpfer Wehklage war die anmuthige Geſtalt verſchwunden in finſtrer Nacht. — Ha! — ich merk es an Euerm Laͤcheln, daß Ihr ſchon wieder in mir den traͤumeriſchen Geiſterſeher findet, aber verſichern kann ich Euch, daß der ganze Traum, wollt Ihr nun einmahl nicht abgehen von dieſer Benennung, den vollendeten Charakter der Viſion hatte. Doch da ihr fortfahrt, mich ſo im proſai¬ ſchen Unglauben anzulaͤcheln, ſo will ich lieber gar nichts mehr davon ſagen, ſondern nur raſch weiter gehen. — Kaum war der Morgen angebrochen als ich voll Unruhe und Sehnſucht nach der Allee lief, und mich hinſtellte vor das oͤde Haus! — Außer den innern Vorhaͤngen waren noch dichte Jalouſien

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/34>, abgerufen am 03.12.2024.