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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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ergreift unter der Perücke, die ich auf meinen Titus
gestülpt, ein ganz besonderer Geist alterthümlicher
Courtoisie, da ich eben das allerliebste Kind des geh.
Rathes Foerd jüngste Tochter, die holde Julia er¬
blicke, so weiß ich gar nicht was mich abhält, mich
ihr in demüthiger Stellung zu nahen und mich also
zu appliziren und expliziren: "Allerschönste Julia!
"wenn wird mir doch die längst gewünschte Ruhe
"durch deine Gegenliebe gewährt werden! Es ist ja
"unmöglich, daß den Tempel dieser Schönheit ein
"steinerner Abgott bewohnen könne. Den Mar¬
"mor bezwingt der Regen und der Diamant wird
"durch schlechtes Blut erweichet; dein Herz will
"aber einem Amboße gleichen, welches sich nur durch
"Schläge verhärtet; je mehr nun mein Herze klo¬
"pfet, je unempfindlicher wirst du. Laß mich doch
"das Ziel deines Blicks seyn, schaue doch wie mein
"Herz kocht und meine Seele nach der Erquickung
"lechzet, welche aus deiner Anmuth quillt. Ach!
"-- willst du mich durch Schweigen betrüben, un¬
"empfindliche Seele? Die todten Felsen antworten
"ja den Fragenden durch ein Echo und du willst

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ergreift unter der Peruͤcke, die ich auf meinen Titus
geſtuͤlpt, ein ganz beſonderer Geiſt alterthuͤmlicher
Courtoiſie, da ich eben das allerliebſte Kind des geh.
Rathes Foerd juͤngſte Tochter, die holde Julia er¬
blicke, ſo weiß ich gar nicht was mich abhaͤlt, mich
ihr in demuͤthiger Stellung zu nahen und mich alſo
zu appliziren und expliziren: „Allerſchoͤnſte Julia!
„wenn wird mir doch die laͤngſt gewuͤnſchte Ruhe
„durch deine Gegenliebe gewaͤhrt werden! Es iſt ja
„unmoͤglich, daß den Tempel dieſer Schoͤnheit ein
„ſteinerner Abgott bewohnen koͤnne. Den Mar¬
„mor bezwingt der Regen und der Diamant wird
„durch ſchlechtes Blut erweichet; dein Herz will
„aber einem Amboße gleichen, welches ſich nur durch
„Schlaͤge verhaͤrtet; je mehr nun mein Herze klo¬
„pfet, je unempfindlicher wirſt du. Laß mich doch
„das Ziel deines Blicks ſeyn, ſchaue doch wie mein
„Herz kocht und meine Seele nach der Erquickung
„lechzet, welche aus deiner Anmuth quillt. Ach!
„— willſt du mich durch Schweigen betruͤben, un¬
„empfindliche Seele? Die todten Felſen antworten
„ja den Fragenden durch ein Echo und du willſt

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[337/0345] ergreift unter der Peruͤcke, die ich auf meinen Titus geſtuͤlpt, ein ganz beſonderer Geiſt alterthuͤmlicher Courtoiſie, da ich eben das allerliebſte Kind des geh. Rathes Foerd juͤngſte Tochter, die holde Julia er¬ blicke, ſo weiß ich gar nicht was mich abhaͤlt, mich ihr in demuͤthiger Stellung zu nahen und mich alſo zu appliziren und expliziren: „Allerſchoͤnſte Julia! „wenn wird mir doch die laͤngſt gewuͤnſchte Ruhe „durch deine Gegenliebe gewaͤhrt werden! Es iſt ja „unmoͤglich, daß den Tempel dieſer Schoͤnheit ein „ſteinerner Abgott bewohnen koͤnne. Den Mar¬ „mor bezwingt der Regen und der Diamant wird „durch ſchlechtes Blut erweichet; dein Herz will „aber einem Amboße gleichen, welches ſich nur durch „Schlaͤge verhaͤrtet; je mehr nun mein Herze klo¬ „pfet, je unempfindlicher wirſt du. Laß mich doch „das Ziel deines Blicks ſeyn, ſchaue doch wie mein „Herz kocht und meine Seele nach der Erquickung „lechzet, welche aus deiner Anmuth quillt. Ach! „— willſt du mich durch Schweigen betruͤben, un¬ „empfindliche Seele? Die todten Felſen antworten „ja den Fragenden durch ein Echo und du willſt Y

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/345>, abgerufen am 22.11.2024.