"mich Trostlosen keiner Antwort würdigen? -- "O Allerschönste" -- "Ich bitte dich," unterbrach hier Ernst den Freund, der mit dem wunderlichsten Gebehrdenspiel das alles gesprochen, "ich bitte dich, halt ein, du bist nun einmahl wieder in deiner tollen Laune und merkst nicht, wie Julie, erst sich uns freundlich nähernd, mit einem Mahl ganz scheu aus¬ bog. Ohne dich zu verstehen, glaubt sie gewiß so wie alle in gleichem Fall, schonungslos von dir be¬ spöttelt zu seyn, und so bewährst du deinen Ruf als eingefleischten ironischen Satan und ziehst mich neu¬ en Ankömmling ins Unglück, denn schon sprechen alle mit zweideutigem Seitenblick und bittersüßem Lächeln: es ist Wilibalds Freund." "Laß es gut seyn," sprach Wilibald, "ich weiß es ja, daß viele Leute, zumahl junge hoffnungsvolle Mädchen von sechszehn, siebzehn Jahren mir sorglich ausweichen, aber ich kenne das Ziel, wohin alle Wege führen, und weiß auch, daß sie dort mir begegnend oder viel¬ mehr mich wie im eignen Hause angesiedelt treffend, recht mit vollem freundlichen Gemüth mir die Hand reichen werden." "Du meinst," sprach Ernst, "ei¬
„mich Troſtloſen keiner Antwort wuͤrdigen? — „O Allerſchoͤnſte“ — „Ich bitte dich,“ unterbrach hier Ernſt den Freund, der mit dem wunderlichſten Gebehrdenſpiel das alles geſprochen, „ich bitte dich, halt ein, du biſt nun einmahl wieder in deiner tollen Laune und merkſt nicht, wie Julie, erſt ſich uns freundlich naͤhernd, mit einem Mahl ganz ſcheu aus¬ bog. Ohne dich zu verſtehen, glaubt ſie gewiß ſo wie alle in gleichem Fall, ſchonungslos von dir be¬ ſpoͤttelt zu ſeyn, und ſo bewaͤhrſt du deinen Ruf als eingefleiſchten ironiſchen Satan und ziehſt mich neu¬ en Ankoͤmmling ins Ungluͤck, denn ſchon ſprechen alle mit zweideutigem Seitenblick und bitterſuͤßem Laͤcheln: es iſt Wilibalds Freund.“ „Laß es gut ſeyn,“ ſprach Wilibald, „ich weiß es ja, daß viele Leute, zumahl junge hoffnungsvolle Maͤdchen von ſechszehn, ſiebzehn Jahren mir ſorglich ausweichen, aber ich kenne das Ziel, wohin alle Wege fuͤhren, und weiß auch, daß ſie dort mir begegnend oder viel¬ mehr mich wie im eignen Hauſe angeſiedelt treffend, recht mit vollem freundlichen Gemuͤth mir die Hand reichen werden.“ „Du meinſt,“ ſprach Ernſt, „ei¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0346"n="338"/>„mich Troſtloſen keiner Antwort wuͤrdigen? —<lb/>„O Allerſchoͤnſte“—„Ich bitte dich,“ unterbrach<lb/>
hier Ernſt den Freund, der mit dem wunderlichſten<lb/>
Gebehrdenſpiel das alles geſprochen, „ich bitte dich,<lb/>
halt ein, du biſt nun einmahl wieder in deiner tollen<lb/>
Laune und merkſt nicht, wie Julie, erſt ſich uns<lb/>
freundlich naͤhernd, mit einem Mahl ganz ſcheu aus¬<lb/>
bog. Ohne dich zu verſtehen, glaubt ſie gewiß ſo<lb/>
wie alle in gleichem Fall, ſchonungslos von dir be¬<lb/>ſpoͤttelt zu ſeyn, und ſo bewaͤhrſt du deinen Ruf als<lb/>
eingefleiſchten ironiſchen Satan und ziehſt mich neu¬<lb/>
en Ankoͤmmling ins Ungluͤck, denn ſchon ſprechen<lb/>
alle mit zweideutigem Seitenblick und bitterſuͤßem<lb/>
Laͤcheln: es iſt Wilibalds Freund.“„Laß es gut<lb/>ſeyn,“ſprach Wilibald, „ich weiß es ja, daß viele<lb/>
Leute, zumahl junge hoffnungsvolle Maͤdchen von<lb/>ſechszehn, ſiebzehn Jahren mir ſorglich ausweichen,<lb/>
aber ich kenne das Ziel, wohin alle Wege fuͤhren,<lb/>
und weiß auch, daß ſie dort mir begegnend oder viel¬<lb/>
mehr mich wie im eignen Hauſe angeſiedelt treffend,<lb/>
recht mit vollem freundlichen Gemuͤth mir die Hand<lb/>
reichen werden.“„Du meinſt,“ſprach Ernſt, „ei¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[338/0346]
„mich Troſtloſen keiner Antwort wuͤrdigen? —
„O Allerſchoͤnſte“ — „Ich bitte dich,“ unterbrach
hier Ernſt den Freund, der mit dem wunderlichſten
Gebehrdenſpiel das alles geſprochen, „ich bitte dich,
halt ein, du biſt nun einmahl wieder in deiner tollen
Laune und merkſt nicht, wie Julie, erſt ſich uns
freundlich naͤhernd, mit einem Mahl ganz ſcheu aus¬
bog. Ohne dich zu verſtehen, glaubt ſie gewiß ſo
wie alle in gleichem Fall, ſchonungslos von dir be¬
ſpoͤttelt zu ſeyn, und ſo bewaͤhrſt du deinen Ruf als
eingefleiſchten ironiſchen Satan und ziehſt mich neu¬
en Ankoͤmmling ins Ungluͤck, denn ſchon ſprechen
alle mit zweideutigem Seitenblick und bitterſuͤßem
Laͤcheln: es iſt Wilibalds Freund.“ „Laß es gut
ſeyn,“ ſprach Wilibald, „ich weiß es ja, daß viele
Leute, zumahl junge hoffnungsvolle Maͤdchen von
ſechszehn, ſiebzehn Jahren mir ſorglich ausweichen,
aber ich kenne das Ziel, wohin alle Wege fuͤhren,
und weiß auch, daß ſie dort mir begegnend oder viel¬
mehr mich wie im eignen Hauſe angeſiedelt treffend,
recht mit vollem freundlichen Gemuͤth mir die Hand
reichen werden.“ „Du meinſt,“ ſprach Ernſt, „ei¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/346>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.