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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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gläubigen, "keine Zeit kann verjähren und noch
viel weniger hat es jemahls eine alberne Zeit gege¬
ben, wenn wir nicht etwa jede Zeit, in der Men¬
schen zu denken sich unterfangen mögen, mithin
auch die unsrige, für albern erkennen wollen. -- Es
ist ein eignes Ding, etwas geradezu wegläugnen zu
wollen, was oft sogar durch streng juristisch geführ¬
ten Beweis festgestellt ist, und so wenig ich der
Meinung bin, daß in dem dunklen geheimnißvollen
Reiche, welches unseres Geistes Heimath ist, auch
nur ein einziges, unserm blödem Auge recht hell
leuchtendes Lämpchen brennt, so ist doch so viel
gewiß, daß uns die Natur das Talent und die
Neigung der Maulwürfe nicht versagt hat. Wir
suchen, verblindet wie wir sind, uns weiter zu
arbeiten auf finstern Wegen. Aber so wie der
Blinde auf Erden an dem flüsternden Rauschen der
Bäume, an dem Murmeln und Plätschern des
Wassers, die Nähe des Waldes, der ihn in seinen
kühlenden Schatten aufnimmt, des Baches, der
den Durstenden labt, erkennt, und so das Ziel sei¬

glaͤubigen, „keine Zeit kann verjaͤhren und noch
viel weniger hat es jemahls eine alberne Zeit gege¬
ben, wenn wir nicht etwa jede Zeit, in der Men¬
ſchen zu denken ſich unterfangen moͤgen, mithin
auch die unſrige, fuͤr albern erkennen wollen. — Es
iſt ein eignes Ding, etwas geradezu weglaͤugnen zu
wollen, was oft ſogar durch ſtreng juriſtiſch gefuͤhr¬
ten Beweis feſtgeſtellt iſt, und ſo wenig ich der
Meinung bin, daß in dem dunklen geheimnißvollen
Reiche, welches unſeres Geiſtes Heimath iſt, auch
nur ein einziges, unſerm bloͤdem Auge recht hell
leuchtendes Laͤmpchen brennt, ſo iſt doch ſo viel
gewiß, daß uns die Natur das Talent und die
Neigung der Maulwuͤrfe nicht verſagt hat. Wir
ſuchen, verblindet wie wir ſind, uns weiter zu
arbeiten auf finſtern Wegen. Aber ſo wie der
Blinde auf Erden an dem fluͤſternden Rauſchen der
Baͤume, an dem Murmeln und Plaͤtſchern des
Waſſers, die Naͤhe des Waldes, der ihn in ſeinen
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[47/0055] glaͤubigen, „keine Zeit kann verjaͤhren und noch viel weniger hat es jemahls eine alberne Zeit gege¬ ben, wenn wir nicht etwa jede Zeit, in der Men¬ ſchen zu denken ſich unterfangen moͤgen, mithin auch die unſrige, fuͤr albern erkennen wollen. — Es iſt ein eignes Ding, etwas geradezu weglaͤugnen zu wollen, was oft ſogar durch ſtreng juriſtiſch gefuͤhr¬ ten Beweis feſtgeſtellt iſt, und ſo wenig ich der Meinung bin, daß in dem dunklen geheimnißvollen Reiche, welches unſeres Geiſtes Heimath iſt, auch nur ein einziges, unſerm bloͤdem Auge recht hell leuchtendes Laͤmpchen brennt, ſo iſt doch ſo viel gewiß, daß uns die Natur das Talent und die Neigung der Maulwuͤrfe nicht verſagt hat. Wir ſuchen, verblindet wie wir ſind, uns weiter zu arbeiten auf finſtern Wegen. Aber ſo wie der Blinde auf Erden an dem fluͤſternden Rauſchen der Baͤume, an dem Murmeln und Plaͤtſchern des Waſſers, die Naͤhe des Waldes, der ihn in ſeinen kuͤhlenden Schatten aufnimmt, des Baches, der den Durſtenden labt, erkennt, und ſo das Ziel ſei¬

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/55>, abgerufen am 21.11.2024.