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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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selbst nicht, wie es geschah, daß ich mich plötzlich
in einem mit vielen Kerzen hell erleuchteten Saale
befand, der in alterthümlicher Pracht mit vergolde¬
ten Meublen und seltsamen japanischen Gefäßen
verziert war. Starkduftendes Räucherwerk wallte
in blauen Nebelwolken auf mich zu. "Willkom¬
men -- willkommen, süßer Bräutigam -- die
Stunde ist da, die Hochzeit nah!" -- So rief laut
und lauter die Stimme eines Weibes, und eben so
wenig, als ich weiß, wie ich plötzlich in den Saal
kam, eben so wenig vermag ich zu sagen, wie es
sich begab, daß plötzlich aus dem Nebel eine hohe
jugendliche Gestalt in reichen Kleidern hervorleuch¬
tete. Mit dem wiederholten gellenden Ruf: "Will¬
kommen süßer Bräutigam," trat sie mit ausgebrei¬
teten Armen mir entgegen -- und ein gelbes, von
Alter und Wahnsinn gräßlich verzerrtes Antlitz
starrte mir in die Augen. Von tiefem Entsetzen
durchbebt wankte ich zurück; wie durch den glühen¬
den, durchbohrenden Blick der Klapperschlange fest
gezaubert, konnte ich mein Auge nicht abwenden

ſelbſt nicht, wie es geſchah, daß ich mich ploͤtzlich
in einem mit vielen Kerzen hell erleuchteten Saale
befand, der in alterthuͤmlicher Pracht mit vergolde¬
ten Meublen und ſeltſamen japaniſchen Gefaͤßen
verziert war. Starkduftendes Raͤucherwerk wallte
in blauen Nebelwolken auf mich zu. „Willkom¬
men — willkommen, ſuͤßer Braͤutigam — die
Stunde iſt da, die Hochzeit nah!“ — So rief laut
und lauter die Stimme eines Weibes, und eben ſo
wenig, als ich weiß, wie ich ploͤtzlich in den Saal
kam, eben ſo wenig vermag ich zu ſagen, wie es
ſich begab, daß ploͤtzlich aus dem Nebel eine hohe
jugendliche Geſtalt in reichen Kleidern hervorleuch¬
tete. Mit dem wiederholten gellenden Ruf: „Will¬
kommen ſuͤßer Braͤutigam,“ trat ſie mit ausgebrei¬
teten Armen mir entgegen — und ein gelbes, von
Alter und Wahnſinn graͤßlich verzerrtes Antlitz
ſtarrte mir in die Augen. Von tiefem Entſetzen
durchbebt wankte ich zuruͤck; wie durch den gluͤhen¬
den, durchbohrenden Blick der Klapperſchlange feſt
gezaubert, konnte ich mein Auge nicht abwenden

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[54/0062] ſelbſt nicht, wie es geſchah, daß ich mich ploͤtzlich in einem mit vielen Kerzen hell erleuchteten Saale befand, der in alterthuͤmlicher Pracht mit vergolde¬ ten Meublen und ſeltſamen japaniſchen Gefaͤßen verziert war. Starkduftendes Raͤucherwerk wallte in blauen Nebelwolken auf mich zu. „Willkom¬ men — willkommen, ſuͤßer Braͤutigam — die Stunde iſt da, die Hochzeit nah!“ — So rief laut und lauter die Stimme eines Weibes, und eben ſo wenig, als ich weiß, wie ich ploͤtzlich in den Saal kam, eben ſo wenig vermag ich zu ſagen, wie es ſich begab, daß ploͤtzlich aus dem Nebel eine hohe jugendliche Geſtalt in reichen Kleidern hervorleuch¬ tete. Mit dem wiederholten gellenden Ruf: „Will¬ kommen ſuͤßer Braͤutigam,“ trat ſie mit ausgebrei¬ teten Armen mir entgegen — und ein gelbes, von Alter und Wahnſinn graͤßlich verzerrtes Antlitz ſtarrte mir in die Augen. Von tiefem Entſetzen durchbebt wankte ich zuruͤck; wie durch den gluͤhen¬ den, durchbohrenden Blick der Klapperſchlange feſt gezaubert, konnte ich mein Auge nicht abwenden

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/62>, abgerufen am 23.05.2024.