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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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von dem gräulichen alten Weibe, konnte ich keinen
Schritt weiter mich bewegen. Sie trat näher auf
mich zu, da war es mir, als sei das scheußliche Ge¬
sicht nur eine Maske von dünnem Flor, durch den
die Züge jenes holden Spiegelbildes durchblickten.
Schon fühlt' ich mich von den Händen des Weibes
berührt, als sie laut aufkreischend vor mir zu Bo¬
den sank und hinter mir eine Stimme rief: "Hu
hu! -- treibt schon wieder der Teufel sein Bocks¬
spiel mit Ew. Gnaden, zu Bette, zu Bette, meine
Gnädigste, sonst setzt es Hiebe, gewaltige Hiebe!"
-- Ich wandte mich rasch um und erblickte den
alten Hausverwalter im bloßen Hemde, eine tüch¬
tige Peitsche über dem Haupte schwingend. Er
wollte losschlagen auf die Alte, die sich heulend
am Boden krümmte. Ich fiel ihm in den Arm,
aber mich von sich schleudernd rief er: "Donner¬
wetter, Herr, der alte Satan hätte sie ermordet,
kam ich nicht dazwischen -- fort, fort, fort." --
Ich stürzte zum Saal heraus, vergebens sucht' ich
in dicker Finsterniß die Thür des Hauses. Nun

von dem graͤulichen alten Weibe, konnte ich keinen
Schritt weiter mich bewegen. Sie trat naͤher auf
mich zu, da war es mir, als ſei das ſcheußliche Ge¬
ſicht nur eine Maske von duͤnnem Flor, durch den
die Zuͤge jenes holden Spiegelbildes durchblickten.
Schon fuͤhlt' ich mich von den Haͤnden des Weibes
beruͤhrt, als ſie laut aufkreiſchend vor mir zu Bo¬
den ſank und hinter mir eine Stimme rief: „Hu
hu! — treibt ſchon wieder der Teufel ſein Bocks¬
ſpiel mit Ew. Gnaden, zu Bette, zu Bette, meine
Gnaͤdigſte, ſonſt ſetzt es Hiebe, gewaltige Hiebe!“
— Ich wandte mich raſch um und erblickte den
alten Hausverwalter im bloßen Hemde, eine tuͤch¬
tige Peitſche uͤber dem Haupte ſchwingend. Er
wollte losſchlagen auf die Alte, die ſich heulend
am Boden kruͤmmte. Ich fiel ihm in den Arm,
aber mich von ſich ſchleudernd rief er: „Donner¬
wetter, Herr, der alte Satan haͤtte ſie ermordet,
kam ich nicht dazwiſchen — fort, fort, fort.“ —
Ich ſtuͤrzte zum Saal heraus, vergebens ſucht' ich
in dicker Finſterniß die Thuͤr des Hauſes. Nun

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[55/0063] von dem graͤulichen alten Weibe, konnte ich keinen Schritt weiter mich bewegen. Sie trat naͤher auf mich zu, da war es mir, als ſei das ſcheußliche Ge¬ ſicht nur eine Maske von duͤnnem Flor, durch den die Zuͤge jenes holden Spiegelbildes durchblickten. Schon fuͤhlt' ich mich von den Haͤnden des Weibes beruͤhrt, als ſie laut aufkreiſchend vor mir zu Bo¬ den ſank und hinter mir eine Stimme rief: „Hu hu! — treibt ſchon wieder der Teufel ſein Bocks¬ ſpiel mit Ew. Gnaden, zu Bette, zu Bette, meine Gnaͤdigſte, ſonſt ſetzt es Hiebe, gewaltige Hiebe!“ — Ich wandte mich raſch um und erblickte den alten Hausverwalter im bloßen Hemde, eine tuͤch¬ tige Peitſche uͤber dem Haupte ſchwingend. Er wollte losſchlagen auf die Alte, die ſich heulend am Boden kruͤmmte. Ich fiel ihm in den Arm, aber mich von ſich ſchleudernd rief er: „Donner¬ wetter, Herr, der alte Satan haͤtte ſie ermordet, kam ich nicht dazwiſchen — fort, fort, fort.“ — Ich ſtuͤrzte zum Saal heraus, vergebens ſucht' ich in dicker Finſterniß die Thuͤr des Hauſes. Nun

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/63>, abgerufen am 21.11.2024.