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Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695.

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Vermischte Gedichte.
Inzwischen stellten sich zwey menschen-ohren dar/
Apollo aber rieff: Ich schwere bey den flammen;
Macht heut' ein zeuge nicht die wahrheit offenbahr/
Daß er sich selber soll zu feur und glut verdammen.
Und hiemit fieng er an: Wem steht ihr ohren zu?
Der schönen Lälie/ versetzten ihm die ohren.
Was störet/ sprach er: denn der Lälien die ruh/
Und warum hat ihr mund der schönheit glantz verlohren?
Streut etwan haß und neid vergällte reden aus?
Ach nein! Begegneten ihm hier die ohren wieder:
Der Lälien ihr muth ist wie ein lorbeer-strauß;
Und legt die zweige nicht vor plitz und donner nieder.
So muß denn/ fuhr er fort/ ein leibes-mangel seyn/
Um den sich Lälie muß ingeheim betrüben?
Ach! fielen ihm hierauff die ohren wieder ein:
Welch unmensch solte wohl nicht ihre glieder lieben?
Welch Momus hat iemahls hier fehler ausgesetzt?
Und wer will der natur noch fuscher striche weisen/
Wo selber Polidor die farben hochgeschätzt.
Und tausend andre noch das meister-stücke preisen?
Und gleichwohl/ sprach er/ soll die nase nicht bestehn[.]
Ha! widersetzten sie/ die leute sind betrogen:
Weil neulich Lälia sich ohngefähr versehn/
Und durch ein falsches glaß ihr selber vorgelogen.
So ist sie/ fragt er fort/ von allem tadel frey?
Von allem/ sprachen sie; und wer es nicht will glauben/
Und trifft/ daß Lälia deswegen traurig sey/
Der mag uns/ wie er will/ auff tausend foltern schrauben.
Drauff traten beyderseits nach seinem wincken ab/
Und ward den augenblick der gegenpart befohlen/
Sie solte/ weil es noch weit mehr zurichten gab/
Zu besserm unterricht auch ihre zeugen hohlen;
Gleich aber brachte sie Cupido schon geführt/
Und war ein grüner stul und zinnern hand-gefässe.
Nun dachte iedermann/ er hätte sich vexirt/
Und das sein tummer kopff auff narren-balcken sässe:
Als aber bald darauff Apollo sie besprach/
Und fragt: Ob beyderseits die Lälie wohl kennten?
Da ließ ein ieder auch im lachen wieder nach/
Als ihm der grüne stuhl mit hundert complimenten
Dis zu der antwort gab: Ach! kennt ich diese nicht/
So wäre nicht zur zeit mein pulster eingedrücket;
Denn eben sie hat mich so schändlich zugericht/
Wenn sie den Polidor durch küssen gantz entzücket/

Den
N 5

Vermiſchte Gedichte.
Inzwiſchen ſtellten ſich zwey menſchen-ohren dar/
Apollo aber rieff: Ich ſchwere bey den flammen;
Macht heut’ ein zeuge nicht die wahrheit offenbahr/
Daß er ſich ſelber ſoll zu feur und glut verdammen.
Und hiemit fieng er an: Wem ſteht ihr ohren zu?
Der ſchoͤnen Laͤlie/ verſetzten ihm die ohren.
Was ſtoͤret/ ſprach er: denn der Laͤlien die ruh/
Und warum hat ihr mund der ſchoͤnheit glantz verlohren?
Streut etwan haß und neid vergaͤllte reden aus?
Ach nein! Begegneten ihm hier die ohren wieder:
Der Laͤlien ihr muth iſt wie ein lorbeer-ſtrauß;
Und legt die zweige nicht vor plitz und donner nieder.
So muß denn/ fuhr er fort/ ein leibes-mangel ſeyn/
Um den ſich Laͤlie muß ingeheim betruͤben?
Ach! fielen ihm hierauff die ohren wieder ein:
Welch unmenſch ſolte wohl nicht ihre glieder lieben?
Welch Momus hat iemahls hier fehler ausgeſetzt?
Und wer will der natur noch fuſcher ſtriche weiſen/
Wo ſelber Polidor die farben hochgeſchaͤtzt.
Und tauſend andre noch das meiſter-ſtuͤcke preiſen?
Und gleichwohl/ ſprach er/ ſoll die naſe nicht beſtehn[.]
Ha! widerſetzten ſie/ die leute ſind betrogen:
Weil neulich Laͤlia ſich ohngefaͤhr verſehn/
Und durch ein falſches glaß ihr ſelber vorgelogen.
So iſt ſie/ fragt er fort/ von allem tadel frey?
Von allem/ ſprachen ſie; und wer es nicht will glauben/
Und trifft/ daß Laͤlia deswegen traurig ſey/
Der mag uns/ wie er will/ auff tauſend foltern ſchrauben.
Drauff traten beyderſeits nach ſeinem wincken ab/
Und ward den augenblick der gegenpart befohlen/
Sie ſolte/ weil es noch weit mehr zurichten gab/
Zu beſſerm unterricht auch ihre zeugen hohlen;
Gleich aber brachte ſie Cupido ſchon gefuͤhrt/
Und war ein gruͤner ſtul und zinnern hand-gefaͤſſe.
Nun dachte iedermann/ er haͤtte ſich vexirt/
Und das ſein tummer kopff auff narren-balcken ſaͤſſe:
Als aber bald darauff Apollo ſie beſprach/
Und fragt: Ob beyderſeits die Laͤlie wohl kennten?
Da ließ ein ieder auch im lachen wieder nach/
Als ihm der gruͤne ſtuhl mit hundert complimenten
Dis zu der antwort gab: Ach! kennt ich dieſe nicht/
So waͤre nicht zur zeit mein pulſter eingedruͤcket;
Denn eben ſie hat mich ſo ſchaͤndlich zugericht/
Wenn ſie den Polidor durch kuͤſſen gantz entzuͤcket/

Den
N 5
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[201/0245] Vermiſchte Gedichte. Inzwiſchen ſtellten ſich zwey menſchen-ohren dar/ Apollo aber rieff: Ich ſchwere bey den flammen; Macht heut’ ein zeuge nicht die wahrheit offenbahr/ Daß er ſich ſelber ſoll zu feur und glut verdammen. Und hiemit fieng er an: Wem ſteht ihr ohren zu? Der ſchoͤnen Laͤlie/ verſetzten ihm die ohren. Was ſtoͤret/ ſprach er: denn der Laͤlien die ruh/ Und warum hat ihr mund der ſchoͤnheit glantz verlohren? Streut etwan haß und neid vergaͤllte reden aus? Ach nein! Begegneten ihm hier die ohren wieder: Der Laͤlien ihr muth iſt wie ein lorbeer-ſtrauß; Und legt die zweige nicht vor plitz und donner nieder. So muß denn/ fuhr er fort/ ein leibes-mangel ſeyn/ Um den ſich Laͤlie muß ingeheim betruͤben? Ach! fielen ihm hierauff die ohren wieder ein: Welch unmenſch ſolte wohl nicht ihre glieder lieben? Welch Momus hat iemahls hier fehler ausgeſetzt? Und wer will der natur noch fuſcher ſtriche weiſen/ Wo ſelber Polidor die farben hochgeſchaͤtzt. Und tauſend andre noch das meiſter-ſtuͤcke preiſen? Und gleichwohl/ ſprach er/ ſoll die naſe nicht beſtehn. Ha! widerſetzten ſie/ die leute ſind betrogen: Weil neulich Laͤlia ſich ohngefaͤhr verſehn/ Und durch ein falſches glaß ihr ſelber vorgelogen. So iſt ſie/ fragt er fort/ von allem tadel frey? Von allem/ ſprachen ſie; und wer es nicht will glauben/ Und trifft/ daß Laͤlia deswegen traurig ſey/ Der mag uns/ wie er will/ auff tauſend foltern ſchrauben. Drauff traten beyderſeits nach ſeinem wincken ab/ Und ward den augenblick der gegenpart befohlen/ Sie ſolte/ weil es noch weit mehr zurichten gab/ Zu beſſerm unterricht auch ihre zeugen hohlen; Gleich aber brachte ſie Cupido ſchon gefuͤhrt/ Und war ein gruͤner ſtul und zinnern hand-gefaͤſſe. Nun dachte iedermann/ er haͤtte ſich vexirt/ Und das ſein tummer kopff auff narren-balcken ſaͤſſe: Als aber bald darauff Apollo ſie beſprach/ Und fragt: Ob beyderſeits die Laͤlie wohl kennten? Da ließ ein ieder auch im lachen wieder nach/ Als ihm der gruͤne ſtuhl mit hundert complimenten Dis zu der antwort gab: Ach! kennt ich dieſe nicht/ So waͤre nicht zur zeit mein pulſter eingedruͤcket; Denn eben ſie hat mich ſo ſchaͤndlich zugericht/ Wenn ſie den Polidor durch kuͤſſen gantz entzuͤcket/ Den N 5

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Zitationshilfe: Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte01_1695/245>, abgerufen am 23.11.2024.