Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695.Vorrede. denen Deutschen den Hoffmannswaldau; von de-nen Frantzosen aber Boileau, les vers choisis de Bouhours, und die im mereur galant begriffene gedichte lesen: Daß sie niemahls eher schreiben/ als biß sie sich dazu geschickt befinden/ keine stunde da- mit verderben/ als welche sie zu ihrer ergetzung ausgesetzt/ und endlich in allen dingen der mäßig- keit folgen. So kan es nicht anders seyn/ als daß sie die hochachtung der gantzen welt erwerben. Die dritten müssen nicht allein an natürlichen ga- ben viel reicher/ sondern auch in erfindungen tieff- sinniger/ in der arbeit gedultiger/ und in der schreib-art fester und mehr poliret seyn. Sie müs- sen über dieses entweder selbst mittel/ oder doch auskömmlichen unterhalt/ und zum wenigsten bey ihren amts-geschäfften die freyheit haben/ daß sie drey oder vier stunden des tages verschwenden dürffen. Für allen dingen aber müssen sie viel spra- chen verstehen/ in allen wissenschafften wohlge- gründet/ in der welt erfahren/ durch eigene zu- fälle gewitziget/ ihrer affecten meister/ und in ur- theilung anderer leute gebrechen vernünfftig seyn. Und alsdenn ist es zeit/ daß sie allgemach anfan- gen Poeten zu werden/ welches aber ohne lesung und unterscheidung poetischer bücher nicht wohl ge- schehen kan. Ich sage/ ohne lesung und unterschei- dung: Denn man muß nicht alle durchgehends lesen/ sondern nur die besten/ und zwar diejeni- gen/
Vorrede. denen Deutſchen den Hoffmannswaldau; von de-nen Frantzoſen aber Boileau, les vers choiſis de Bouhours, und die im mereur galant begriffene gedichte leſen: Daß ſie niemahls eher ſchreiben/ als biß ſie ſich dazu geſchickt befinden/ keine ſtunde da- mit verderben/ als welche ſie zu ihrer ergetzung ausgeſetzt/ und endlich in allen dingen der maͤßig- keit folgen. So kan es nicht anders ſeyn/ als daß ſie die hochachtung der gantzen welt erwerben. Die dritten muͤſſen nicht allein an natuͤrlichen ga- ben viel reicher/ ſondern auch in erfindungen tieff- ſinniger/ in der arbeit gedultiger/ und in der ſchreib-art feſter und mehr poliret ſeyn. Sie muͤſ- ſen uͤber dieſes entweder ſelbſt mittel/ oder doch auskoͤmmlichen unterhalt/ und zum wenigſten bey ihren amts-geſchaͤfften die freyheit haben/ daß ſie drey oder vier ſtunden des tages verſchwenden duͤrffen. Fuͤr allen dingen aber muͤſſen ſie viel ſpra- chen verſtehen/ in allen wiſſenſchafften wohlge- gruͤndet/ in der welt erfahren/ durch eigene zu- faͤlle gewitziget/ ihrer affecten meiſter/ und in ur- theilung anderer leute gebrechen vernuͤnfftig ſeyn. Und alsdenn iſt es zeit/ daß ſie allgemach anfan- gen Poeten zu werden/ welches aber ohne leſung und unterſcheidung poetiſcher buͤcher nicht wohl ge- ſchehen kan. Ich ſage/ ohne leſung und unterſchei- dung: Denn man muß nicht alle durchgehends leſen/ ſondern nur die beſten/ und zwar diejeni- gen/
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Vorrede.
denen Deutſchen den Hoffmannswaldau; von de-
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Bouhours, und die im mereur galant begriffene
gedichte leſen: Daß ſie niemahls eher ſchreiben/ als
biß ſie ſich dazu geſchickt befinden/ keine ſtunde da-
mit verderben/ als welche ſie zu ihrer ergetzung
ausgeſetzt/ und endlich in allen dingen der maͤßig-
keit folgen. So kan es nicht anders ſeyn/ als daß
ſie die hochachtung der gantzen welt erwerben.
Die dritten muͤſſen nicht allein an natuͤrlichen ga-
ben viel reicher/ ſondern auch in erfindungen tieff-
ſinniger/ in der arbeit gedultiger/ und in der
ſchreib-art feſter und mehr poliret ſeyn. Sie muͤſ-
ſen uͤber dieſes entweder ſelbſt mittel/ oder doch
auskoͤmmlichen unterhalt/ und zum wenigſten bey
ihren amts-geſchaͤfften die freyheit haben/ daß ſie
drey oder vier ſtunden des tages verſchwenden
duͤrffen. Fuͤr allen dingen aber muͤſſen ſie viel ſpra-
chen verſtehen/ in allen wiſſenſchafften wohlge-
gruͤndet/ in der welt erfahren/ durch eigene zu-
faͤlle gewitziget/ ihrer affecten meiſter/ und in ur-
theilung anderer leute gebrechen vernuͤnfftig ſeyn.
Und alsdenn iſt es zeit/ daß ſie allgemach anfan-
gen Poeten zu werden/ welches aber ohne leſung
und unterſcheidung poetiſcher buͤcher nicht wohl ge-
ſchehen kan. Ich ſage/ ohne leſung und unterſchei-
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