Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.Verliebte und Galante Gedichte. Als sie ihn mit schnee geworffen. DOrine ließ sich einst gelüsten,Aus dem welschen des Michiele. Jn aller eyl Mit einem kalten pfeil Sich wider mich zu rüsten. Jch ließ ohn alle furcht dem wurffe freyen lauff, Und nahm den sanfften streich mit blosem lachen auf, Weil ich nicht glauben wolte, Daß der gelinde schnee, den sie zusammen rollte, Jm ernst verwunden solte; Allein der glaube kam mir zeitlich in die hand, Denn ich befaud Auf diesen kalten wurff, obwol mit süßen schmertzen, Der liebe brandmahl in dem hertzen. Bombice d'Amore. JCh bin mein eigner unglücks-schmidAus dem welschen des Marini. Und, wie ein seiden-wurm, nur sinnreich mich zu kräncken. Jch sollt' auf wahre ruh gedencken, Und bin um lauter angst bemüht. Mein hertze nehret sich von dürren hoffnungs-blättern, Und meine liebe sucht auf einen baum zu klettern, Der weder frucht noch schatten geben kan. Jch spinn' und fange zwar viel schöne faden an. Was aber sind es? nichts, als flatternde gedancken, Die der begierden hand in meines hauptes schrancken, Nur immer mehr und mehr verwickelt und verstrickt, Bis sie der tod zerstückt. So bau ich mir, o seltsames verhängniß! Mit eigner hand und kunst ein bangsames gefängniß, Und endlich gar mein eigen grab. Aus P 5
Verliebte und Galante Gedichte. Als ſie ihn mit ſchnee geworffen. DOrine ließ ſich einſt geluͤſten,Aus dem welſchen des Michiele. Jn aller eyl Mit einem kalten pfeil Sich wider mich zu ruͤſten. Jch ließ ohn alle furcht dem wurffe freyen lauff, Und nahm den ſanfften ſtreich mit bloſem lachen auf, Weil ich nicht glauben wolte, Daß der gelinde ſchnee, den ſie zuſammen rollte, Jm ernſt verwunden ſolte; Allein der glaube kam mir zeitlich in die hand, Denn ich befaud Auf dieſen kalten wurff, obwol mit ſuͤßen ſchmertzen, Der liebe brandmahl in dem hertzen. Bombice d’Amore. JCh bin mein eigner ungluͤcks-ſchmidAus dem welſchen des Marini. Und, wie ein ſeiden-wurm, nur ſinnreich mich zu kraͤncken. Jch ſollt’ auf wahre ruh gedencken, Und bin um lauter angſt bemuͤht. Mein hertze nehret ſich von duͤrren hoffnungs-blaͤttern, Und meine liebe ſucht auf einen baum zu klettern, Der weder frucht noch ſchatten geben kan. Jch ſpinn’ und fange zwar viel ſchoͤne faden an. Was aber ſind es? nichts, als flatternde gedancken, Die der begierden hand in meines hauptes ſchrancken, Nur immer mehr und mehr verwickelt und verſtrickt, Bis ſie der tod zerſtuͤckt. So bau ich mir, o ſeltſames verhaͤngniß! Mit eigner hand und kunſt ein bangſames gefaͤngniß, Und endlich gar mein eigen grab. Aus P 5
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Verliebte und Galante Gedichte.
Als ſie ihn mit ſchnee geworffen.
Aus dem welſchen des Michiele.
DOrine ließ ſich einſt geluͤſten,
Jn aller eyl
Mit einem kalten pfeil
Sich wider mich zu ruͤſten.
Jch ließ ohn alle furcht dem wurffe freyen lauff,
Und nahm den ſanfften ſtreich mit bloſem lachen auf,
Weil ich nicht glauben wolte,
Daß der gelinde ſchnee, den ſie zuſammen rollte,
Jm ernſt verwunden ſolte;
Allein der glaube kam mir zeitlich in die hand,
Denn ich befaud
Auf dieſen kalten wurff, obwol mit ſuͤßen ſchmertzen,
Der liebe brandmahl in dem hertzen.
Bombice d’Amore.
Aus dem welſchen des Marini.
JCh bin mein eigner ungluͤcks-ſchmid
Und, wie ein ſeiden-wurm, nur ſinnreich mich zu kraͤncken.
Jch ſollt’ auf wahre ruh gedencken,
Und bin um lauter angſt bemuͤht.
Mein hertze nehret ſich von duͤrren hoffnungs-blaͤttern,
Und meine liebe ſucht auf einen baum zu klettern,
Der weder frucht noch ſchatten geben kan.
Jch ſpinn’ und fange zwar viel ſchoͤne faden an.
Was aber ſind es? nichts, als flatternde gedancken,
Die der begierden hand in meines hauptes ſchrancken,
Nur immer mehr und mehr verwickelt und verſtrickt,
Bis ſie der tod zerſtuͤckt.
So bau ich mir, o ſeltſames verhaͤngniß!
Mit eigner hand und kunſt ein bangſames gefaͤngniß,
Und endlich gar mein eigen grab.
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