Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.Leanders aus Schlesien Aus dem welschen des Michiele. KOmmt dich ein starcker durst bey heißem wetter an,So will dir ieder brunn mit frischem wasser dienen. Wie aber, daß mein geist aus deinen mund-rubinen Nicht auch, wie Sylvia, erqvickung schöpffen kan? Die kalten brunnen sind mitleidender als du; Sie stillen dir den durst, den sie doch nicht erwecket, Du aber hast mein hertz selbst in den brand gestecket, Und schließest ihm gleichwol den brunn der kühlung zu. Ubersetzung des vierten idyllii DJe Musen fürchten sich nicht vor der holden Liebe,Bionis. Sie ehren sie vielmehr, und folgen ihrem triebe Mit höchster wohllust nach. Wer ihre gunst begehrt, Und unempfindlich ist, den achten sie kaum werth Nur einmal anzusehn. Doch wer von liebe singen Und seuffzer dichten will, dem wird es bald gelingen. Die verse stellen sich fast ohne dencken ein, Und was sein kopff beginnt, muß schön und sinnreich seyn. Dis ist kein falscher satz, ich kan es selbst bezeugen, Denn wenn ich mich bemüh den himmel zu ersteigen, Und einen hohen GOtt daselbst besingen will, So starrt die blöde zung' und zittert als ein kiel, Wenn ihn der wind berührt. Doch wenn ich dich ergreiffe, Mein steter zeit-vertreib, mein lust-spiel, meine pfeiffe! Und Daphnen, oder ja der Liebe süße macht, Wie ich vorhin gethan, zu rühmen bin bedacht, So giebt ein stiller trieb mir alle kräffte wieder, Und meine flöte spielt die angenehmsten lieder. An
Leanders aus Schleſien Aus dem welſchen des Michiele. KOmmt dich ein ſtarcker durſt bey heißem wetter an,So will dir ieder brunn mit friſchem waſſer dienen. Wie aber, daß mein geiſt aus deinen mund-rubinen Nicht auch, wie Sylvia, erqvickung ſchoͤpffen kan? Die kalten brunnen ſind mitleidender als du; Sie ſtillen dir den durſt, den ſie doch nicht erwecket, Du aber haſt mein hertz ſelbſt in den brand geſtecket, Und ſchließeſt ihm gleichwol den brunn der kuͤhlung zu. Uberſetzung des vierten idyllii DJe Muſen fuͤrchten ſich nicht vor der holden Liebe,Bionis. Sie ehren ſie vielmehr, und folgen ihrem triebe Mit hoͤchſter wohlluſt nach. Wer ihre gunſt begehrt, Und unempfindlich iſt, den achten ſie kaum werth Nur einmal anzuſehn. Doch wer von liebe ſingen Und ſeuffzer dichten will, dem wird es bald gelingen. Die verſe ſtellen ſich faſt ohne dencken ein, Und was ſein kopff beginnt, muß ſchoͤn und ſinnreich ſeyn. Dis iſt kein falſcher ſatz, ich kan es ſelbſt bezeugen, Denn wenn ich mich bemuͤh den himmel zu erſteigen, Und einen hohen GOtt daſelbſt beſingen will, So ſtarrt die bloͤde zung’ und zittert als ein kiel, Wenn ihn der wind beruͤhrt. Doch wenn ich dich ergreiffe, Mein ſteter zeit-vertreib, mein luſt-ſpiel, meine pfeiffe! Und Daphnen, oder ja der Liebe ſuͤße macht, Wie ich vorhin gethan, zu ruͤhmen bin bedacht, So giebt ein ſtiller trieb mir alle kraͤffte wieder, Und meine floͤte ſpielt die angenehmſten lieder. An
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Leanders aus Schleſien
Aus dem welſchen des Michiele.
KOmmt dich ein ſtarcker durſt bey heißem wetter an,
So will dir ieder brunn mit friſchem waſſer dienen.
Wie aber, daß mein geiſt aus deinen mund-rubinen
Nicht auch, wie Sylvia, erqvickung ſchoͤpffen kan?
Die kalten brunnen ſind mitleidender als du;
Sie ſtillen dir den durſt, den ſie doch nicht erwecket,
Du aber haſt mein hertz ſelbſt in den brand geſtecket,
Und ſchließeſt ihm gleichwol den brunn der kuͤhlung zu.
Uberſetzung des vierten idyllii
Bionis.
DJe Muſen fuͤrchten ſich nicht vor der holden Liebe,
Sie ehren ſie vielmehr, und folgen ihrem triebe
Mit hoͤchſter wohlluſt nach. Wer ihre gunſt begehrt,
Und unempfindlich iſt, den achten ſie kaum werth
Nur einmal anzuſehn. Doch wer von liebe ſingen
Und ſeuffzer dichten will, dem wird es bald gelingen.
Die verſe ſtellen ſich faſt ohne dencken ein,
Und was ſein kopff beginnt, muß ſchoͤn und ſinnreich ſeyn.
Dis iſt kein falſcher ſatz, ich kan es ſelbſt bezeugen,
Denn wenn ich mich bemuͤh den himmel zu erſteigen,
Und einen hohen GOtt daſelbſt beſingen will,
So ſtarrt die bloͤde zung’ und zittert als ein kiel,
Wenn ihn der wind beruͤhrt. Doch wenn ich dich ergreiffe,
Mein ſteter zeit-vertreib, mein luſt-ſpiel, meine pfeiffe!
Und Daphnen, oder ja der Liebe ſuͤße macht,
Wie ich vorhin gethan, zu ruͤhmen bin bedacht,
So giebt ein ſtiller trieb mir alle kraͤffte wieder,
Und meine floͤte ſpielt die angenehmſten lieder.
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