Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

Bild:
<< vorherige Seite
Begräbniß-Getichte.
Was in der ältern welt der sieben weisen mund
Vor räthsel aufgelöst: Des Hermes tieffen grund:
Und was Pythagoras aus stoltz und neid verschwiegen:
Wie sich Empedocles durch abgeschmackte lügen
Durchaus vergöttern wolln: Was Plato speculirt,
Und vor ideen einst als weißheit eingeführt:
Wie grob und hündisch sich der Cynicus vergangen:
Wie Zeno sich geschämt: Womit die redner prangen,
Die Rom, die Griechenland erstaunend angehört:
Was ein Quintilian, ein Tullius gelehrt:
Der prächtige poet in seinen vers geschlossen:
Was Livius erzehlt: Der alten schöne glossen:
Des Strabo riß der welt: Und was allhier der fleiß
Auf dieses enge blat nicht zu entwerssen weiß:
Diß alles, und noch mehr in seinem kopff verfassen,
Und doch den hochmuth sich nicht übermeistern lassen:
Diß heist ein criticus und polyhistor seyn.
Wie rar ist dieses lob! Die wissenschafft allein
Findt jezuweilen wohl ein fähiges gehirne:
So steigt Salmasius vor vielen zum gestirne,
Fällt aber durch den stoltz weit tieffer, als er steigt.
Die unerschöpffte müh, so ein Menage zeigt:
Sein critischer geschmack, sein angebrachtes lesen,
Weist, daß sein muntrer kopff kein leeres haus gewesen;
Schaut man ihn aber auch nach seinem hertzen an,
So schaut man, wie er sich nicht sattsam rühmen kan;
Dann weicht der süsse preiß, den man ihm vor gewehret,
Dieweil ihn der gestanck der prahlerey verzehret,
Die klar am tage liegt. So bläht das wissen auf,
Wenn nicht der weißheit krafft des lebens schnellen lauff
Jn ihren schrancken hält, und nach der demuth leitet.
Das ist, o seeliger! was deinen ruhm ausbreitet,
Was du geschrieben hast, das zeigt dein wissen an,
Und wer dich angehört, der weiß auch, daß kein wahn
Gelehrter prahlerey dir den verstand verdunckelt.
Wer Holland durchgerelst, weiß, wie dein nahme funckelt,
Und
Begraͤbniß-Getichte.
Was in der aͤltern welt der ſieben weiſen mund
Vor raͤthſel aufgeloͤſt: Des Hermes tieffen grund:
Und was Pythagoras aus ſtoltz und neid verſchwiegen:
Wie ſich Empedocles durch abgeſchmackte luͤgen
Durchaus vergoͤttern wolln: Was Plato ſpeculirt,
Und vor ideen einſt als weißheit eingefuͤhrt:
Wie grob und huͤndiſch ſich der Cynicus vergangen:
Wie Zeno ſich geſchaͤmt: Womit die redner prangen,
Die Rom, die Griechenland erſtaunend angehoͤrt:
Was ein Quintilian, ein Tullius gelehrt:
Der praͤchtige poet in ſeinen vers geſchloſſen:
Was Livius erzehlt: Der alten ſchoͤne gloſſen:
Des Strabo riß der welt: Und was allhier der fleiß
Auf dieſes enge blat nicht zu entwerſſen weiß:
Diß alles, und noch mehr in ſeinem kopff verfaſſen,
Und doch den hochmuth ſich nicht uͤbermeiſtern laſſen:
Diß heiſt ein criticus und polyhiſtor ſeyn.
Wie rar iſt dieſes lob! Die wiſſenſchafft allein
Findt jezuweilen wohl ein faͤhiges gehirne:
So ſteigt Salmaſius vor vielen zum geſtirne,
Faͤllt aber durch den ſtoltz weit tieffer, als er ſteigt.
Die unerſchoͤpffte muͤh, ſo ein Menage zeigt:
Sein critiſcher geſchmack, ſein angebrachtes leſen,
Weiſt, daß ſein muntrer kopff kein leeres haus geweſen;
Schaut man ihn aber auch nach ſeinem hertzen an,
So ſchaut man, wie er ſich nicht ſattſam ruͤhmen kan;
Dann weicht der ſuͤſſe preiß, den man ihm vor gewehret,
Dieweil ihn der geſtanck der prahlerey verzehret,
Die klar am tage liegt. So blaͤht das wiſſen auf,
Wenn nicht der weißheit krafft des lebens ſchnellen lauff
Jn ihren ſchrancken haͤlt, und nach der demuth leitet.
Das iſt, o ſeeliger! was deinen ruhm ausbreitet,
Was du geſchrieben haſt, das zeigt dein wiſſen an,
Und wer dich angehoͤrt, der weiß auch, daß kein wahn
Gelehrter prahlerey dir den verſtand verdunckelt.
Wer Holland durchgerelſt, weiß, wie dein nahme funckelt,
Und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0211" n="187"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Begra&#x0364;bniß-Getichte.</hi> </fw><lb/>
          <l>Was in der a&#x0364;ltern welt der &#x017F;ieben wei&#x017F;en mund</l><lb/>
          <l>Vor ra&#x0364;th&#x017F;el aufgelo&#x0364;&#x017F;t: Des Hermes tieffen grund:</l><lb/>
          <l>Und was Pythagoras aus &#x017F;toltz und neid ver&#x017F;chwiegen:</l><lb/>
          <l>Wie &#x017F;ich Empedocles durch abge&#x017F;chmackte lu&#x0364;gen</l><lb/>
          <l>Durchaus vergo&#x0364;ttern wolln: Was Plato &#x017F;peculirt,</l><lb/>
          <l>Und vor ideen ein&#x017F;t als weißheit eingefu&#x0364;hrt:</l><lb/>
          <l>Wie grob und hu&#x0364;ndi&#x017F;ch &#x017F;ich der Cynicus vergangen:</l><lb/>
          <l>Wie Zeno &#x017F;ich ge&#x017F;cha&#x0364;mt: Womit die redner prangen,</l><lb/>
          <l>Die Rom, die Griechenland er&#x017F;taunend angeho&#x0364;rt:</l><lb/>
          <l>Was ein Quintilian, ein Tullius gelehrt:</l><lb/>
          <l>Der pra&#x0364;chtige poet in &#x017F;einen vers ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en:</l><lb/>
          <l>Was Livius erzehlt: Der alten &#x017F;cho&#x0364;ne glo&#x017F;&#x017F;en:</l><lb/>
          <l>Des Strabo riß der welt: Und was allhier der fleiß</l><lb/>
          <l>Auf die&#x017F;es enge blat nicht zu entwer&#x017F;&#x017F;en weiß:</l><lb/>
          <l>Diß alles, und noch mehr in &#x017F;einem kopff verfa&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
          <l>Und doch den hochmuth &#x017F;ich nicht u&#x0364;bermei&#x017F;tern la&#x017F;&#x017F;en:</l><lb/>
          <l>Diß hei&#x017F;t ein <hi rendition="#aq">criticus</hi> und <hi rendition="#aq">polyhi&#x017F;tor</hi> &#x017F;eyn.</l><lb/>
          <l>Wie rar i&#x017F;t die&#x017F;es lob! Die wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafft allein</l><lb/>
          <l>Findt jezuweilen wohl ein fa&#x0364;higes gehirne:</l><lb/>
          <l>So &#x017F;teigt Salma&#x017F;ius vor vielen zum ge&#x017F;tirne,</l><lb/>
          <l>Fa&#x0364;llt aber durch den &#x017F;toltz weit tieffer, als er &#x017F;teigt.</l><lb/>
          <l>Die uner&#x017F;cho&#x0364;pffte mu&#x0364;h, &#x017F;o ein Menage zeigt:</l><lb/>
          <l>Sein criti&#x017F;cher ge&#x017F;chmack, &#x017F;ein angebrachtes le&#x017F;en,</l><lb/>
          <l>Wei&#x017F;t, daß &#x017F;ein muntrer kopff kein leeres haus gewe&#x017F;en;</l><lb/>
          <l>Schaut man ihn aber auch nach &#x017F;einem hertzen an,</l><lb/>
          <l>So &#x017F;chaut man, wie er &#x017F;ich nicht &#x017F;att&#x017F;am ru&#x0364;hmen kan;</l><lb/>
          <l>Dann weicht der &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;e preiß, den man ihm vor gewehret,</l><lb/>
          <l>Dieweil ihn der ge&#x017F;tanck der prahlerey verzehret,</l><lb/>
          <l>Die klar am tage liegt. So bla&#x0364;ht das wi&#x017F;&#x017F;en auf,</l><lb/>
          <l>Wenn nicht der weißheit krafft des lebens &#x017F;chnellen lauff</l><lb/>
          <l>Jn ihren &#x017F;chrancken ha&#x0364;lt, und nach der demuth leitet.</l><lb/>
          <l>Das i&#x017F;t, o &#x017F;eeliger! was deinen ruhm ausbreitet,</l><lb/>
          <l>Was du ge&#x017F;chrieben ha&#x017F;t, das zeigt dein wi&#x017F;&#x017F;en an,</l><lb/>
          <l>Und wer dich angeho&#x0364;rt, der weiß auch, daß kein wahn</l><lb/>
          <l>Gelehrter prahlerey dir den ver&#x017F;tand verdunckelt.</l><lb/>
          <l>Wer Holland durchgerel&#x017F;t, weiß, wie dein nahme funckelt,</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[187/0211] Begraͤbniß-Getichte. Was in der aͤltern welt der ſieben weiſen mund Vor raͤthſel aufgeloͤſt: Des Hermes tieffen grund: Und was Pythagoras aus ſtoltz und neid verſchwiegen: Wie ſich Empedocles durch abgeſchmackte luͤgen Durchaus vergoͤttern wolln: Was Plato ſpeculirt, Und vor ideen einſt als weißheit eingefuͤhrt: Wie grob und huͤndiſch ſich der Cynicus vergangen: Wie Zeno ſich geſchaͤmt: Womit die redner prangen, Die Rom, die Griechenland erſtaunend angehoͤrt: Was ein Quintilian, ein Tullius gelehrt: Der praͤchtige poet in ſeinen vers geſchloſſen: Was Livius erzehlt: Der alten ſchoͤne gloſſen: Des Strabo riß der welt: Und was allhier der fleiß Auf dieſes enge blat nicht zu entwerſſen weiß: Diß alles, und noch mehr in ſeinem kopff verfaſſen, Und doch den hochmuth ſich nicht uͤbermeiſtern laſſen: Diß heiſt ein criticus und polyhiſtor ſeyn. Wie rar iſt dieſes lob! Die wiſſenſchafft allein Findt jezuweilen wohl ein faͤhiges gehirne: So ſteigt Salmaſius vor vielen zum geſtirne, Faͤllt aber durch den ſtoltz weit tieffer, als er ſteigt. Die unerſchoͤpffte muͤh, ſo ein Menage zeigt: Sein critiſcher geſchmack, ſein angebrachtes leſen, Weiſt, daß ſein muntrer kopff kein leeres haus geweſen; Schaut man ihn aber auch nach ſeinem hertzen an, So ſchaut man, wie er ſich nicht ſattſam ruͤhmen kan; Dann weicht der ſuͤſſe preiß, den man ihm vor gewehret, Dieweil ihn der geſtanck der prahlerey verzehret, Die klar am tage liegt. So blaͤht das wiſſen auf, Wenn nicht der weißheit krafft des lebens ſchnellen lauff Jn ihren ſchrancken haͤlt, und nach der demuth leitet. Das iſt, o ſeeliger! was deinen ruhm ausbreitet, Was du geſchrieben haſt, das zeigt dein wiſſen an, Und wer dich angehoͤrt, der weiß auch, daß kein wahn Gelehrter prahlerey dir den verſtand verdunckelt. Wer Holland durchgerelſt, weiß, wie dein nahme funckelt, Und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/211
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/211>, abgerufen am 16.05.2024.