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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

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Vermischte Getichte.
Fahr' in den büchern fort, die du dir auserlesen!
So ist auch Sylvius dein ahn-herr schon gewesen:
Der weise Sylvius, der zwar auch Nimrod hieß;
Sich aber in der that, wie Salomo, bewieß.
Wer cronen sucht und schützt, der brauche schwerd und degen;
Jn dir herrscht gütigkeit. Drum laß dich nicht bewegen,
Zu wünschen, was zwar gros, doch auch viel elend macht.
Ein jahr, das ein Achill' im lager zugebracht,
Jst offt so viel nicht werth, als eine süsse stunde:
Da man sich selbst betracht, und aus der Pallas munde,
Der immer quellend ist, die milch der weißheit saugt.
Was ist doch wohl ein fürst, der nur zum jagen taugt,
Von nichts als thieren spricht, und andern ihr vermögen
Aus ihrem beutel preßt? Wenn seine hengste flögen,
So würden sie dennoch ihm stets zu langsam seyn.
Jnzwischen geht das land und auch die nahrung ein:
Das recht liegt umgekehrt: Die armen stehn verlassen:
Warum? Es traut niemand, das ruder anzufassen;
Denn jeder schläft alsdenn, läst seinen herren blos,
Und trinckt wohl gar mit ihm auf sein verderben los.
Printz! bleibe, wie du bist, und laß die welt sich plagen!
Wer nach der weißheit forscht, der hat genung zu jagen.
Ein fürst kan alles thun, was GOtt erlaubt und will;
Doch fordert GOtt von ihm in allem maas und ziel.
Die weißheit ist allein ohn ende, ziel und schrancken:
Sie zeigt uns die natur: Sie schärffet die gedancken:
Sie läutert licht und recht: Sie tränckt: Sie machet satt:
Und macht doch, daß man stets noch lust zu lernen hat.
Durch diese kanst du, Printz! einst zu der hoheit steigen,
Die uns die meisten nur in langen titeln zeigen;
Durch diese wirst du seyn, was keiner, den der wahn
Der erden noch bethört, auf erden werden kan.
Wir werden deinen ruhm biß an die sterne führen:
Und du wirst als ein stern uns unter fürsten zieren.
Wer aber thut, o Printz! hier mehr? Wir oder du?
Wir geben dir dein tob: Du giebest zeug darzu.
An
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Vermiſchte Getichte.
Fahr’ in den buͤchern fort, die du dir auserleſen!
So iſt auch Sylvius dein ahn-herꝛ ſchon geweſen:
Der weiſe Sylvius, der zwar auch Nimrod hieß;
Sich aber in der that, wie Salomo, bewieß.
Wer cronen ſucht und ſchuͤtzt, der brauche ſchwerd und degen;
Jn dir herꝛſcht guͤtigkeit. Drum laß dich nicht bewegen,
Zu wuͤnſchen, was zwar gros, doch auch viel elend macht.
Ein jahr, das ein Achill’ im lager zugebracht,
Jſt offt ſo viel nicht werth, als eine ſuͤſſe ſtunde:
Da man ſich ſelbſt betracht, und aus der Pallas munde,
Der immer quellend iſt, die milch der weißheit ſaugt.
Was iſt doch wohl ein fuͤrſt, der nur zum jagen taugt,
Von nichts als thieren ſpricht, und andern ihr vermoͤgen
Aus ihrem beutel preßt? Wenn ſeine hengſte floͤgen,
So wuͤrden ſie dennoch ihm ſtets zu langſam ſeyn.
Jnzwiſchen geht das land und auch die nahrung ein:
Das recht liegt umgekehrt: Die armen ſtehn verlaſſen:
Warum? Es traut niemand, das ruder anzufaſſen;
Denn jeder ſchlaͤft alsdenn, laͤſt ſeinen herren blos,
Und trinckt wohl gar mit ihm auf ſein verderben los.
Printz! bleibe, wie du biſt, und laß die welt ſich plagen!
Wer nach der weißheit forſcht, der hat genung zu jagen.
Ein fuͤrſt kan alles thun, was GOtt erlaubt und will;
Doch fordert GOtt von ihm in allem maas und ziel.
Die weißheit iſt allein ohn ende, ziel und ſchrancken:
Sie zeigt uns die natur: Sie ſchaͤrffet die gedancken:
Sie laͤutert licht und recht: Sie traͤnckt: Sie machet ſatt:
Und macht doch, daß man ſtets noch luſt zu lernen hat.
Durch dieſe kanſt du, Printz! einſt zu der hoheit ſteigen,
Die uns die meiſten nur in langen titeln zeigen;
Durch dieſe wirſt du ſeyn, was keiner, den der wahn
Der erden noch bethoͤrt, auf erden werden kan.
Wir werden deinen ruhm biß an die ſterne fuͤhren:
Und du wirſt als ein ſtern uns unter fuͤrſten zieren.
Wer aber thut, o Printz! hier mehr? Wir oder du?
Wir geben dir dein tob: Du giebeſt zeug darzu.
An
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[229/0253] Vermiſchte Getichte. Fahr’ in den buͤchern fort, die du dir auserleſen! So iſt auch Sylvius dein ahn-herꝛ ſchon geweſen: Der weiſe Sylvius, der zwar auch Nimrod hieß; Sich aber in der that, wie Salomo, bewieß. Wer cronen ſucht und ſchuͤtzt, der brauche ſchwerd und degen; Jn dir herꝛſcht guͤtigkeit. Drum laß dich nicht bewegen, Zu wuͤnſchen, was zwar gros, doch auch viel elend macht. Ein jahr, das ein Achill’ im lager zugebracht, Jſt offt ſo viel nicht werth, als eine ſuͤſſe ſtunde: Da man ſich ſelbſt betracht, und aus der Pallas munde, Der immer quellend iſt, die milch der weißheit ſaugt. Was iſt doch wohl ein fuͤrſt, der nur zum jagen taugt, Von nichts als thieren ſpricht, und andern ihr vermoͤgen Aus ihrem beutel preßt? Wenn ſeine hengſte floͤgen, So wuͤrden ſie dennoch ihm ſtets zu langſam ſeyn. Jnzwiſchen geht das land und auch die nahrung ein: Das recht liegt umgekehrt: Die armen ſtehn verlaſſen: Warum? Es traut niemand, das ruder anzufaſſen; Denn jeder ſchlaͤft alsdenn, laͤſt ſeinen herren blos, Und trinckt wohl gar mit ihm auf ſein verderben los. Printz! bleibe, wie du biſt, und laß die welt ſich plagen! Wer nach der weißheit forſcht, der hat genung zu jagen. Ein fuͤrſt kan alles thun, was GOtt erlaubt und will; Doch fordert GOtt von ihm in allem maas und ziel. Die weißheit iſt allein ohn ende, ziel und ſchrancken: Sie zeigt uns die natur: Sie ſchaͤrffet die gedancken: Sie laͤutert licht und recht: Sie traͤnckt: Sie machet ſatt: Und macht doch, daß man ſtets noch luſt zu lernen hat. Durch dieſe kanſt du, Printz! einſt zu der hoheit ſteigen, Die uns die meiſten nur in langen titeln zeigen; Durch dieſe wirſt du ſeyn, was keiner, den der wahn Der erden noch bethoͤrt, auf erden werden kan. Wir werden deinen ruhm biß an die ſterne fuͤhren: Und du wirſt als ein ſtern uns unter fuͤrſten zieren. Wer aber thut, o Printz! hier mehr? Wir oder du? Wir geben dir dein tob: Du giebeſt zeug darzu. An P 3

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/253>, abgerufen am 22.11.2024.