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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

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Leanders aus Schlesien
Der LXXIX Psalm.
HErr! schaue, wie die feind in deinem erbe toben!
Dein berg, o Heiliger! dein tempel ist entweihte
Die stadt Jerusalem ein bild der eitelkeit:
Der frommen leichen sind aus ihrer grufft gehoben.
Man wirfft die heiligen den tollen hunden vor,
Und das vergoßne blut schwimmt biß an Salems thor:
Der todten-cörper meng erfüllte feld und gassen,
Und niemand war allda, der sie begraben lassen.
2.
So müssen wir ein spott der stoltzen nachbarn werden:
Die ungeheure schmach steigt über unser haupt:
Die ehre Zions liegt, die cronen sind geraubt:
HErr! lindre doch einmahl die schrecklichen beschwerden!
Wie lange soll dein zorn, als wie ein feuer, glühn?
Laß über Babylon das ungewitter ziehn!
Und brich auf diese los, die deiner stets vergessen,
Jerusalem verheert, und Jacob aufgefressen!
3.
Vergiß der alten schuld, und zeig uns dein erbarmen!
Du siehest allzuwohl, wie wenig unsrer sind.
Hilff, treuer helffer! hilff! Denn Jsrael, dein kind,
Weiß keine zuflucht mehr, als, GOtt! zu deinen armen.
Rett uns, damit dein ruhm und nahmen ewig steht!
Rett uns, damit dein lob in Salem nicht vergeht!
Und laß der sünden-bruth, die dich, o Höchster! kräncken,
Durch deine hohe gnad ins meeres abgrund sencken!
4.
Ach! warum wilst du nicht der heyden mäuler stopffen?
Die dir zu trotze schreyn: Wo ist nun euer GOtt?
HErr! räche doch vor uns den allergrösten spott,
Das abgefloßne blut, und unsre thränen-tropffen!
Laß der gefangnen ach nicht ohne kräffte seyn!
Halt das gezückte schwerd der rauhen mörder ein!
Und laß der nachbarn kopff, die deinen nahmen äffen,
Den angethanen schimpff noch sechsmahl schärffer treffen!
5. Wir
Leanders aus Schleſien
Der LXXIX Pſalm.
HErꝛ! ſchaue, wie die feind in deinem erbe toben!
Dein berg, o Heiliger! dein tempel iſt entweihte
Die ſtadt Jeruſalem ein bild der eitelkeit:
Der frommen leichen ſind aus ihrer grufft gehoben.
Man wirfft die heiligen den tollen hunden vor,
Und das vergoßne blut ſchwimmt biß an Salems thor:
Der todten-coͤrper meng erfuͤllte feld und gaſſen,
Und niemand war allda, der ſie begraben laſſen.
2.
So muͤſſen wir ein ſpott der ſtoltzen nachbarn werden:
Die ungeheure ſchmach ſteigt uͤber unſer haupt:
Die ehre Zions liegt, die cronen ſind geraubt:
HErꝛ! lindre doch einmahl die ſchrecklichen beſchwerden!
Wie lange ſoll dein zorn, als wie ein feuer, gluͤhn?
Laß uͤber Babylon das ungewitter ziehn!
Und brich auf dieſe los, die deiner ſtets vergeſſen,
Jeruſalem verheert, und Jacob aufgefreſſen!
3.
Vergiß der alten ſchuld, und zeig uns dein erbarmen!
Du ſieheſt allzuwohl, wie wenig unſrer ſind.
Hilff, treuer helffer! hilff! Denn Jſrael, dein kind,
Weiß keine zuflucht mehr, als, GOtt! zu deinen armen.
Rett uns, damit dein ruhm und nahmen ewig ſteht!
Rett uns, damit dein lob in Salem nicht vergeht!
Und laß der ſuͤnden-bruth, die dich, o Hoͤchſter! kraͤncken,
Durch deine hohe gnad ins meeres abgrund ſencken!
4.
Ach! warum wilſt du nicht der heyden maͤuler ſtopffen?
Die dir zu trotze ſchreyn: Wo iſt nun euer GOtt?
HErꝛ! raͤche doch vor uns den allergroͤſten ſpott,
Das abgefloßne blut, und unſre thraͤnen-tropffen!
Laß der gefangnen ach nicht ohne kraͤffte ſeyn!
Halt das gezuͤckte ſchwerd der rauhen moͤrder ein!
Und laß der nachbarn kopff, die deinen nahmen aͤffen,
Den angethanen ſchimpff noch ſechsmahl ſchaͤrffer treffen!
5. Wir
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[310/0334] Leanders aus Schleſien Der LXXIX Pſalm. HErꝛ! ſchaue, wie die feind in deinem erbe toben! Dein berg, o Heiliger! dein tempel iſt entweihte Die ſtadt Jeruſalem ein bild der eitelkeit: Der frommen leichen ſind aus ihrer grufft gehoben. Man wirfft die heiligen den tollen hunden vor, Und das vergoßne blut ſchwimmt biß an Salems thor: Der todten-coͤrper meng erfuͤllte feld und gaſſen, Und niemand war allda, der ſie begraben laſſen. 2. So muͤſſen wir ein ſpott der ſtoltzen nachbarn werden: Die ungeheure ſchmach ſteigt uͤber unſer haupt: Die ehre Zions liegt, die cronen ſind geraubt: HErꝛ! lindre doch einmahl die ſchrecklichen beſchwerden! Wie lange ſoll dein zorn, als wie ein feuer, gluͤhn? Laß uͤber Babylon das ungewitter ziehn! Und brich auf dieſe los, die deiner ſtets vergeſſen, Jeruſalem verheert, und Jacob aufgefreſſen! 3. Vergiß der alten ſchuld, und zeig uns dein erbarmen! Du ſieheſt allzuwohl, wie wenig unſrer ſind. Hilff, treuer helffer! hilff! Denn Jſrael, dein kind, Weiß keine zuflucht mehr, als, GOtt! zu deinen armen. Rett uns, damit dein ruhm und nahmen ewig ſteht! Rett uns, damit dein lob in Salem nicht vergeht! Und laß der ſuͤnden-bruth, die dich, o Hoͤchſter! kraͤncken, Durch deine hohe gnad ins meeres abgrund ſencken! 4. Ach! warum wilſt du nicht der heyden maͤuler ſtopffen? Die dir zu trotze ſchreyn: Wo iſt nun euer GOtt? HErꝛ! raͤche doch vor uns den allergroͤſten ſpott, Das abgefloßne blut, und unſre thraͤnen-tropffen! Laß der gefangnen ach nicht ohne kraͤffte ſeyn! Halt das gezuͤckte ſchwerd der rauhen moͤrder ein! Und laß der nachbarn kopff, die deinen nahmen aͤffen, Den angethanen ſchimpff noch ſechsmahl ſchaͤrffer treffen! 5. Wir

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/334>, abgerufen am 09.06.2024.