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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

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Vermischte Getichte.
8.
Fridriciana weiß, wie du ihn hier gesucht:
Wie du, berühmter Mann! ihn auch vorlängst gefunden:
Drum hat sie dir nunmehr den ehren-krantz gewunden,
Den du bißher verdient. Diß ist der tugend frucht.
Drum will das Saal-Athen, so deine grosse gaben
Uns hier nicht gönnen will, dich itzt zum lehrer haben.
9.
Jn wahrheit dein verlust geht uns recht bitter ein:
Wir hören dann nicht mehr die göldnen sitten-lehren.
Denn Jena will von dir die wahre weisheit hören:
Der eigensinn und wahn umsonst das ende dräun.
Denn, solt' auch sonne, mond und alle welt vergehen;
So bleibt doch GOttes wort auf festem fusse stehen.
10.
Ehrwürdigster Patron! Wir ehron deinen schluß,
Weil ihn vernunfft und schrifft nicht auszusetzen wissen:
Läßt hier dein mund nicht mehr der weisheit ströme fliessen,
Der weisheit, so der neid selbst weisheit nennen muß;
So lässet deine lieb uns dennoch nichts entbehren.
Denn was der mund versagt, das muß die hand gewähren.
11.
Was hat nicht schon die welt von dieser hand geschaut?
Was hat die Cabbala dir nicht vor licht zu dancken?
Allein diß kurtze blat faßt in so engen schrancken
Die ehren-säulen nicht, so dir dein witz gebaut.
Denn deine schrifften sind die rühmlichsten Colossen,
Dieweil sie die vernunfft, nicht eitler stoltz, gegossen.
12.
Wohl dir, geehrter Mann! Der Höchste segne dich!
Und lasse seinen geist den deinen täglich stärcken!
So lehrst du, wie bißher, mit worten und mit wercken:
Ein solches lehren hält den allerbesten stich.
Und diesen, der mit krafft und nachdruck in den sachen
Der weisheit handeln soll, muß GOtt zum Doctor machen.

Auf
Vermiſchte Getichte.
8.
Fridriciana weiß, wie du ihn hier geſucht:
Wie du, beruͤhmter Mann! ihn auch vorlaͤngſt gefunden:
Drum hat ſie dir nunmehr den ehren-krantz gewunden,
Den du bißher verdient. Diß iſt der tugend frucht.
Drum will das Saal-Athen, ſo deine groſſe gaben
Uns hier nicht goͤnnen will, dich itzt zum lehrer haben.
9.
Jn wahrheit dein verluſt geht uns recht bitter ein:
Wir hoͤren dann nicht mehr die goͤldnen ſitten-lehren.
Denn Jena will von dir die wahre weisheit hoͤren:
Der eigenſinn und wahn umſonſt das ende draͤun.
Denn, ſolt’ auch ſonne, mond und alle welt vergehen;
So bleibt doch GOttes wort auf feſtem fuſſe ſtehen.
10.
Ehrwuͤrdigſter Patron! Wir ehron deinen ſchluß,
Weil ihn vernunfft und ſchrifft nicht auszuſetzen wiſſen:
Laͤßt hier dein mund nicht mehr der weisheit ſtroͤme flieſſen,
Der weisheit, ſo der neid ſelbſt weisheit nennen muß;
So laͤſſet deine lieb uns dennoch nichts entbehren.
Denn was der mund verſagt, das muß die hand gewaͤhren.
11.
Was hat nicht ſchon die welt von dieſer hand geſchaut?
Was hat die Cabbala dir nicht vor licht zu dancken?
Allein diß kurtze blat faßt in ſo engen ſchrancken
Die ehren-ſaͤulen nicht, ſo dir dein witz gebaut.
Denn deine ſchrifften ſind die ruͤhmlichſten Coloſſen,
Dieweil ſie die vernunfft, nicht eitler ſtoltz, gegoſſen.
12.
Wohl dir, geehrter Mann! Der Hoͤchſte ſegne dich!
Und laſſe ſeinen geiſt den deinen taͤglich ſtaͤrcken!
So lehrſt du, wie bißher, mit worten und mit wercken:
Ein ſolches lehren haͤlt den allerbeſten ſtich.
Und dieſen, der mit krafft und nachdruck in den ſachen
Der weisheit handeln ſoll, muß GOtt zum Doctor machen.

Auf
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[331/0355] Vermiſchte Getichte. 8. Fridriciana weiß, wie du ihn hier geſucht: Wie du, beruͤhmter Mann! ihn auch vorlaͤngſt gefunden: Drum hat ſie dir nunmehr den ehren-krantz gewunden, Den du bißher verdient. Diß iſt der tugend frucht. Drum will das Saal-Athen, ſo deine groſſe gaben Uns hier nicht goͤnnen will, dich itzt zum lehrer haben. 9. Jn wahrheit dein verluſt geht uns recht bitter ein: Wir hoͤren dann nicht mehr die goͤldnen ſitten-lehren. Denn Jena will von dir die wahre weisheit hoͤren: Der eigenſinn und wahn umſonſt das ende draͤun. Denn, ſolt’ auch ſonne, mond und alle welt vergehen; So bleibt doch GOttes wort auf feſtem fuſſe ſtehen. 10. Ehrwuͤrdigſter Patron! Wir ehron deinen ſchluß, Weil ihn vernunfft und ſchrifft nicht auszuſetzen wiſſen: Laͤßt hier dein mund nicht mehr der weisheit ſtroͤme flieſſen, Der weisheit, ſo der neid ſelbſt weisheit nennen muß; So laͤſſet deine lieb uns dennoch nichts entbehren. Denn was der mund verſagt, das muß die hand gewaͤhren. 11. Was hat nicht ſchon die welt von dieſer hand geſchaut? Was hat die Cabbala dir nicht vor licht zu dancken? Allein diß kurtze blat faßt in ſo engen ſchrancken Die ehren-ſaͤulen nicht, ſo dir dein witz gebaut. Denn deine ſchrifften ſind die ruͤhmlichſten Coloſſen, Dieweil ſie die vernunfft, nicht eitler ſtoltz, gegoſſen. 12. Wohl dir, geehrter Mann! Der Hoͤchſte ſegne dich! Und laſſe ſeinen geiſt den deinen taͤglich ſtaͤrcken! So lehrſt du, wie bißher, mit worten und mit wercken: Ein ſolches lehren haͤlt den allerbeſten ſtich. Und dieſen, der mit krafft und nachdruck in den ſachen Der weisheit handeln ſoll, muß GOtt zum Doctor machen. Auf

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/355>, abgerufen am 16.05.2024.