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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

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Leanders aus Schlesien
Auf den Herrn von Hoffmannswaldau.
DEin kiel, berühmter Mann! so nur von honig rinnt,
Und amber-tropffen führt, hat nirgend seines gleichen:
Es muß Marini dir die sieges-crone reichen,
Weil deine lieblichkeit der seinen abgewinnt.
Sagt, tichter! sagt es aus! was seine lieder sind?
Ob ihre kräffte nicht ein stählern hertz erweichen?
Es mag Amphion nur die stoltzen segel streichen,
Denn seiner harffe krafft ist fabel, dunst und wind.
Daß itzt die lieblichkeit so wenig Musen nähret,
Macht deine poesie, die sie gantz ausgeleeret.
Apollo sieht dich selbst mit neid und eyfer an.
Er hätte dir zwar längst den lorber-krantz geraubet;
Doch er getraut sich nicht, dieweil er selbst nicht glaubet:
Daß seine laute dir die wage halten kan.


Erklärung der lateinischen worte, so zu
Liegnitz in der Piastischen grufft unter den
vier Fürstlichen statuen gelesen
werden:
Unter der statue der Hertzoglichen Frau
Mutter steht:

Heu mihi soli!
VErlaßne Fürstin! ach! dein Hertzog ist dahin!
Jch schau' es allzuwohl, daß ich gantz einsam bin.
O himmel! solt' ich mich nun nicht zu tode weinen?
Denn wann die sonne stirbt, wie kan der monde scheinen?
Unter der statue des alten Hertzogs:
Nescia gnati.
SChaust du nicht, wie dein sohn die nacht der einsamkeit
Durch seiner tugenden erlauchten glantz zerstreut?
Ein printz, wie dieser ist, kan auf den trauer-bühnen
Auch seiner mutter wohl vor eine sonne dienen.
Unter
Leanders aus Schleſien
Auf den Herꝛn von Hoffmannswaldau.
DEin kiel, beruͤhmter Mann! ſo nur von honig rinnt,
Und amber-tropffen fuͤhrt, hat nirgend ſeines gleichen:
Es muß Marini dir die ſieges-crone reichen,
Weil deine lieblichkeit der ſeinen abgewinnt.
Sagt, tichter! ſagt es aus! was ſeine lieder ſind?
Ob ihre kraͤffte nicht ein ſtaͤhlern hertz erweichen?
Es mag Amphion nur die ſtoltzen ſegel ſtreichen,
Denn ſeiner harffe krafft iſt fabel, dunſt und wind.
Daß itzt die lieblichkeit ſo wenig Muſen naͤhret,
Macht deine poeſie, die ſie gantz ausgeleeret.
Apollo ſieht dich ſelbſt mit neid und eyfer an.
Er haͤtte dir zwar laͤngſt den lorber-krantz geraubet;
Doch er getraut ſich nicht, dieweil er ſelbſt nicht glaubet:
Daß ſeine laute dir die wage halten kan.


Erklaͤrung der lateiniſchen worte, ſo zu
Liegnitz in der Piaſtiſchen grufft unter den
vier Fuͤrſtlichen ſtatuen geleſen
werden:
Unter der ſtatue der Hertzoglichen Frau
Mutter ſteht:

Heu mihi ſoli!
VErlaßne Fuͤrſtin! ach! dein Hertzog iſt dahin!
Jch ſchau’ es allzuwohl, daß ich gantz einſam bin.
O himmel! ſolt’ ich mich nun nicht zu tode weinen?
Denn wann die ſonne ſtirbt, wie kan der monde ſcheinen?
Unter der ſtatue des alten Hertzogs:
Neſcia gnati.
SChauſt du nicht, wie dein ſohn die nacht der einſamkeit
Durch ſeiner tugenden erlauchten glantz zerſtreut?
Ein printz, wie dieſer iſt, kan auf den trauer-buͤhnen
Auch ſeiner mutter wohl vor eine ſonne dienen.
Unter
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[332/0356] Leanders aus Schleſien Auf den Herꝛn von Hoffmannswaldau. DEin kiel, beruͤhmter Mann! ſo nur von honig rinnt, Und amber-tropffen fuͤhrt, hat nirgend ſeines gleichen: Es muß Marini dir die ſieges-crone reichen, Weil deine lieblichkeit der ſeinen abgewinnt. Sagt, tichter! ſagt es aus! was ſeine lieder ſind? Ob ihre kraͤffte nicht ein ſtaͤhlern hertz erweichen? Es mag Amphion nur die ſtoltzen ſegel ſtreichen, Denn ſeiner harffe krafft iſt fabel, dunſt und wind. Daß itzt die lieblichkeit ſo wenig Muſen naͤhret, Macht deine poeſie, die ſie gantz ausgeleeret. Apollo ſieht dich ſelbſt mit neid und eyfer an. Er haͤtte dir zwar laͤngſt den lorber-krantz geraubet; Doch er getraut ſich nicht, dieweil er ſelbſt nicht glaubet: Daß ſeine laute dir die wage halten kan. Erklaͤrung der lateiniſchen worte, ſo zu Liegnitz in der Piaſtiſchen grufft unter den vier Fuͤrſtlichen ſtatuen geleſen werden: Unter der ſtatue der Hertzoglichen Frau Mutter ſteht: Heu mihi ſoli! VErlaßne Fuͤrſtin! ach! dein Hertzog iſt dahin! Jch ſchau’ es allzuwohl, daß ich gantz einſam bin. O himmel! ſolt’ ich mich nun nicht zu tode weinen? Denn wann die ſonne ſtirbt, wie kan der monde ſcheinen? Unter der ſtatue des alten Hertzogs: Neſcia gnati. SChauſt du nicht, wie dein ſohn die nacht der einſamkeit Durch ſeiner tugenden erlauchten glantz zerſtreut? Ein printz, wie dieſer iſt, kan auf den trauer-buͤhnen Auch ſeiner mutter wohl vor eine ſonne dienen. Unter

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/356>, abgerufen am 23.11.2024.