Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

Bild:
<< vorherige Seite
Vermischte Getichte.
Von dem menschlichen elende.
ES schließt der arme mensch, wenn er den lebens-lauff
Jn dieser welt beginnt, vielmehr zu bittrem weinen,
Als um das licht zu sehn, die müden augen auf:
Er fühlt die sclaverey alsbald an arm und beinen:
Die windeln fesseln ihn: Und wenn ihn dann die brust
Der mutter nicht mehr säugt, so wird ihm seine lust
Mit ruthen eingetränckt, durch strenge zucht vergället.
Hat ihn die mannbarkeit auf freyen fuß gestellet,
So machen lieb und glück aus ihm ein gauckelspiel:
Er muß sein brod im schweiß und thränen essen:
Und offt erlangt er kaum so viel,
Wenn kranckheit, feind und noth ihn auf das schärffste pressen.
Bricht dann zuletzt das alter ein,
So stützet er mit einem morschen stabe
Den abgezehrten leib, und hincket so zu seinem grabe:
Drauf deckt den rest ein schmaler stein.
Was ist nun, armer mensch! dein trost und dein vergnügen?
Nichts, als nur diß allein,
Daß wieg und grab nah bey einander liegen.


Das 3. capitel des buches Hiob.
DUrchaus-verlohrner tag! da ich gebohren bin!
Durchaus-verlohrner tag! da mich ein weib empfangen
Tag! der verworffen bleibt, den mensch und sonne fliehn:
Den himmel und natur nicht mehr zu sehn verlangen!
Dein glantz verwandle sich in grause dunckelheit!
Man müsse dich nicht mehr in dem calender lesen!
Und du verdammte nacht! verlaß das buch der zeit,
Und bleib so tieff verdeckt, als wärst du nie gewesen!
Die furcht der einsamkeit schließ alles jauchtzen aus!
Und man verfluche dich in allen zauber-versen;
Dein himmel aber sey ein schwartzes wolcken-haus,
Jn welchem statt der storn angst-volle nebel herrschen!
Die
Z 3
Vermiſchte Getichte.
Von dem menſchlichen elende.
ES ſchließt der arme menſch, wenn er den lebens-lauff
Jn dieſer welt beginnt, vielmehr zu bittrem weinen,
Als um das licht zu ſehn, die muͤden augen auf:
Er fuͤhlt die ſclaverey alsbald an arm und beinen:
Die windeln feſſeln ihn: Und wenn ihn dann die bruſt
Der mutter nicht mehr ſaͤugt, ſo wird ihm ſeine luſt
Mit ruthen eingetraͤnckt, durch ſtrenge zucht vergaͤllet.
Hat ihn die mannbarkeit auf freyen fuß geſtellet,
So machen lieb und gluͤck aus ihm ein gauckelſpiel:
Er muß ſein brod im ſchweiß und thraͤnen eſſen:
Und offt erlangt er kaum ſo viel,
Wenn kranckheit, feind und noth ihn auf das ſchaͤrffſte preſſen.
Bricht dann zuletzt das alter ein,
So ſtuͤtzet er mit einem morſchen ſtabe
Den abgezehrten leib, und hincket ſo zu ſeinem grabe:
Drauf deckt den reſt ein ſchmaler ſtein.
Was iſt nun, armer menſch! dein troſt und dein vergnuͤgen?
Nichts, als nur diß allein,
Daß wieg und grab nah bey einander liegen.


Das 3. capitel des buches Hiob.
DUrchaus-verlohrner tag! da ich gebohren bin!
Durchaus-verlohrner tag! da mich ein weib empfangen
Tag! der verworffen bleibt, den menſch und ſonne fliehn:
Den himmel und natur nicht mehr zu ſehn verlangen!
Dein glantz verwandle ſich in grauſe dunckelheit!
Man muͤſſe dich nicht mehr in dem calender leſen!
Und du verdammte nacht! verlaß das buch der zeit,
Und bleib ſo tieff verdeckt, als waͤrſt du nie geweſen!
Die furcht der einſamkeit ſchließ alles jauchtzen aus!
Und man verfluche dich in allen zauber-verſen;
Dein himmel aber ſey ein ſchwartzes wolcken-haus,
Jn welchem ſtatt der ſtorn angſt-volle nebel herꝛſchen!
Die
Z 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0381" n="357"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vermi&#x017F;chte Getichte.</hi> </fw><lb/>
          <lg type="poem">
            <head> <hi rendition="#b">Von dem men&#x017F;chlichen elende.</hi> </head><lb/>
            <l><hi rendition="#in">E</hi>S &#x017F;chließt der arme men&#x017F;ch, wenn er den lebens-lauff</l><lb/>
            <l>Jn die&#x017F;er welt beginnt, vielmehr zu bittrem weinen,</l><lb/>
            <l>Als um das licht zu &#x017F;ehn, die mu&#x0364;den augen auf:</l><lb/>
            <l>Er fu&#x0364;hlt die &#x017F;claverey alsbald an arm und beinen:</l><lb/>
            <l>Die windeln fe&#x017F;&#x017F;eln ihn: Und wenn ihn dann die bru&#x017F;t</l><lb/>
            <l>Der mutter nicht mehr &#x017F;a&#x0364;ugt, &#x017F;o wird ihm &#x017F;eine lu&#x017F;t</l><lb/>
            <l>Mit ruthen eingetra&#x0364;nckt, durch &#x017F;trenge zucht verga&#x0364;llet.</l><lb/>
            <l>Hat ihn die mannbarkeit auf freyen fuß ge&#x017F;tellet,</l><lb/>
            <l>So machen lieb und glu&#x0364;ck aus ihm ein gauckel&#x017F;piel:</l><lb/>
            <l>Er muß &#x017F;ein brod im &#x017F;chweiß und thra&#x0364;nen e&#x017F;&#x017F;en:</l><lb/>
            <l>Und offt erlangt er kaum &#x017F;o viel,</l><lb/>
            <l>Wenn kranckheit, feind und noth ihn auf das &#x017F;cha&#x0364;rff&#x017F;te pre&#x017F;&#x017F;en.</l><lb/>
            <l>Bricht dann zuletzt das alter ein,</l><lb/>
            <l>So &#x017F;tu&#x0364;tzet er mit einem mor&#x017F;chen &#x017F;tabe</l><lb/>
            <l>Den abgezehrten leib, und hincket &#x017F;o zu &#x017F;einem grabe:</l><lb/>
            <l>Drauf deckt den re&#x017F;t ein &#x017F;chmaler &#x017F;tein.</l><lb/>
            <l>Was i&#x017F;t nun, armer men&#x017F;ch! dein tro&#x017F;t und dein vergnu&#x0364;gen?</l><lb/>
            <l>Nichts, als nur diß allein,</l><lb/>
            <l>Daß wieg und grab nah bey einander liegen.</l>
          </lg><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <lg type="poem">
            <head> <hi rendition="#b">Das 3. capitel des buches Hiob.</hi> </head><lb/>
            <l><hi rendition="#in">D</hi>Urchaus-verlohrner tag! da ich gebohren bin!</l><lb/>
            <l>Durchaus-verlohrner tag! da mich ein weib empfangen</l><lb/>
            <l>Tag! der verworffen bleibt, den men&#x017F;ch und &#x017F;onne fliehn:</l><lb/>
            <l>Den himmel und natur nicht mehr zu &#x017F;ehn verlangen!</l><lb/>
            <l>Dein glantz verwandle &#x017F;ich in grau&#x017F;e dunckelheit!</l><lb/>
            <l>Man mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e dich nicht mehr in dem calender le&#x017F;en!</l><lb/>
            <l>Und du verdammte nacht! verlaß das buch der zeit,</l><lb/>
            <l>Und bleib &#x017F;o tieff verdeckt, als wa&#x0364;r&#x017F;t du nie gewe&#x017F;en!</l><lb/>
            <l>Die furcht der ein&#x017F;amkeit &#x017F;chließ alles jauchtzen aus!</l><lb/>
            <l>Und man verfluche dich in allen zauber-ver&#x017F;en;</l><lb/>
            <l>Dein himmel aber &#x017F;ey ein &#x017F;chwartzes wolcken-haus,</l><lb/>
            <l>Jn welchem &#x017F;tatt der &#x017F;torn ang&#x017F;t-volle nebel her&#xA75B;&#x017F;chen!</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">Z 3</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[357/0381] Vermiſchte Getichte. Von dem menſchlichen elende. ES ſchließt der arme menſch, wenn er den lebens-lauff Jn dieſer welt beginnt, vielmehr zu bittrem weinen, Als um das licht zu ſehn, die muͤden augen auf: Er fuͤhlt die ſclaverey alsbald an arm und beinen: Die windeln feſſeln ihn: Und wenn ihn dann die bruſt Der mutter nicht mehr ſaͤugt, ſo wird ihm ſeine luſt Mit ruthen eingetraͤnckt, durch ſtrenge zucht vergaͤllet. Hat ihn die mannbarkeit auf freyen fuß geſtellet, So machen lieb und gluͤck aus ihm ein gauckelſpiel: Er muß ſein brod im ſchweiß und thraͤnen eſſen: Und offt erlangt er kaum ſo viel, Wenn kranckheit, feind und noth ihn auf das ſchaͤrffſte preſſen. Bricht dann zuletzt das alter ein, So ſtuͤtzet er mit einem morſchen ſtabe Den abgezehrten leib, und hincket ſo zu ſeinem grabe: Drauf deckt den reſt ein ſchmaler ſtein. Was iſt nun, armer menſch! dein troſt und dein vergnuͤgen? Nichts, als nur diß allein, Daß wieg und grab nah bey einander liegen. Das 3. capitel des buches Hiob. DUrchaus-verlohrner tag! da ich gebohren bin! Durchaus-verlohrner tag! da mich ein weib empfangen Tag! der verworffen bleibt, den menſch und ſonne fliehn: Den himmel und natur nicht mehr zu ſehn verlangen! Dein glantz verwandle ſich in grauſe dunckelheit! Man muͤſſe dich nicht mehr in dem calender leſen! Und du verdammte nacht! verlaß das buch der zeit, Und bleib ſo tieff verdeckt, als waͤrſt du nie geweſen! Die furcht der einſamkeit ſchließ alles jauchtzen aus! Und man verfluche dich in allen zauber-verſen; Dein himmel aber ſey ein ſchwartzes wolcken-haus, Jn welchem ſtatt der ſtorn angſt-volle nebel herꝛſchen! Die Z 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/381
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/381>, abgerufen am 23.11.2024.