Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679.

Bild:
<< vorherige Seite
Socrates.
fallen. Man muß alhier genau auf alles Achtung
haben. Saget man nicht/ daß etwas sey/ so man
gleiche nennet? Jch verstehe dieses nicht von einem
Holtze/ Steine oder anderer Sache/ da eine der an-
deren gleiche sey/ sondern ich rede alhier noch über
dieses von einem Dinge/ so man gleiche heisset:
Und ist nun dieses gleich etwas? Ohne einigen
Zweiffel antwortete Simias/ und von dieser Er-
käntniß des gleichen rühret es auch her/ daß wir in
Anschauung gleicher Höltzer/ Stein oder anderer
Sachen/ uns dieses gleiche eingebildet haben/ so gar
etwas anders als Holtz und Stein/ ist/ dann eben
dieses Holtz/ oder dieser Stein heisset bißweilen
nach gewisser Beschaffenheit gleich oder ungleich;
Dieses aber/ was man gleiche oder ungleiche Gleich-
heit oder Ungleichheit nennet/ bleibet ie und alle
wege unveränderlich. Aus diesem sehen wir nun/
daß die gleichen Sachen/ und die Gleichheit nicht
eines sey/ nichts destoweniger so sind wir von diesen
gleichen Sachen/ so nicht die Gleichheit seyn/ zu
dem Erkäntniß der Gleichheit gelanget. Eben so
ist es mit dem ähnlichen und unähnlichen bewand.
Dann wann ihr bey Anschauung eines Dinges
euch etwas anders/ es sey dem Gesehenen ähnlich o-
der unähnlich/ einbildet/ so folget unfehlbar eine Er-
innerung darauf. Last uns aber sehen/ wie sich die-
ses in den Sachen/ so wir itzund gleiche genennet/
als Holtz/ Stein und anderen wol verhält/ solten
wir wol meinen/ daß sie so gleiche wären/ als die
Gleichheit selber ist? Es mangelt gar viel daran.
Müs-
Socrates.
fallen. Man muß alhier genau auf alles Achtung
haben. Saget man nicht/ daß etwas ſey/ ſo man
gleiche nennet? Jch verſtehe dieſes nicht von einem
Holtze/ Steine oder anderer Sache/ da eine der an-
deren gleiche ſey/ ſondern ich rede alhier noch uͤber
dieſes von einem Dinge/ ſo man gleiche heiſſet:
Und iſt nun dieſes gleich etwas? Ohne einigen
Zweiffel antwortete Simias/ und von dieſer Er-
kaͤntniß des gleichen ruͤhret es auch her/ daß wir in
Anſchauung gleicher Hoͤltzer/ Stein oder anderer
Sachen/ uns dieſes gleiche eingebildet haben/ ſo gar
etwas anders als Holtz und Stein/ iſt/ dann eben
dieſes Holtz/ oder dieſer Stein heiſſet bißweilen
nach gewiſſer Beſchaffenheit gleich oder ungleich;
Dieſes aber/ was man gleiche oder ungleiche Gleich-
heit oder Ungleichheit nennet/ bleibet ie und alle
wege unveraͤnderlich. Aus dieſem ſehen wir nun/
daß die gleichen Sachen/ und die Gleichheit nicht
eines ſey/ nichts deſtoweniger ſo ſind wir von dieſen
gleichen Sachen/ ſo nicht die Gleichheit ſeyn/ zu
dem Erkaͤntniß der Gleichheit gelanget. Eben ſo
iſt es mit dem aͤhnlichen und unaͤhnlichen bewand.
Dann wann ihr bey Anſchauung eines Dinges
euch etwas anders/ es ſey dem Geſehenen aͤhnlich o-
der unaͤhnlich/ einbildet/ ſo folget unfehlbar eine Er-
innerung darauf. Laſt uns aber ſehen/ wie ſich die-
ſes in den Sachen/ ſo wir itzund gleiche genennet/
als Holtz/ Stein und anderen wol verhaͤlt/ ſolten
wir wol meinen/ daß ſie ſo gleiche waͤren/ als die
Gleichheit ſelber iſt? Es mangelt gar viel daran.
Muͤſ-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp who="#SOC">
          <p><pb facs="#f0297" n="39"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Socrates.</hi></fw><lb/>
fallen. Man muß alhier genau auf alles Achtung<lb/>
haben. Saget man nicht/ daß etwas &#x017F;ey/ &#x017F;o man<lb/>
gleiche nennet? Jch ver&#x017F;tehe die&#x017F;es nicht von einem<lb/>
Holtze/ Steine oder anderer Sache/ da eine der an-<lb/>
deren gleiche &#x017F;ey/ &#x017F;ondern ich rede alhier noch u&#x0364;ber<lb/>
die&#x017F;es von einem Dinge/ &#x017F;o man gleiche hei&#x017F;&#x017F;et:<lb/>
Und i&#x017F;t nun die&#x017F;es gleich etwas? Ohne einigen<lb/>
Zweiffel antwortete Simias/ und von die&#x017F;er Er-<lb/>
ka&#x0364;ntniß des gleichen ru&#x0364;hret es auch her/ daß wir in<lb/>
An&#x017F;chauung gleicher Ho&#x0364;ltzer/ Stein oder anderer<lb/>
Sachen/ uns die&#x017F;es gleiche eingebildet haben/ &#x017F;o gar<lb/>
etwas anders als Holtz und Stein/ i&#x017F;t/ dann eben<lb/>
die&#x017F;es Holtz/ oder die&#x017F;er Stein hei&#x017F;&#x017F;et bißweilen<lb/>
nach gewi&#x017F;&#x017F;er Be&#x017F;chaffenheit gleich oder ungleich;<lb/>
Die&#x017F;es aber/ was man gleiche oder ungleiche Gleich-<lb/>
heit oder Ungleichheit nennet/ bleibet ie und alle<lb/>
wege unvera&#x0364;nderlich. Aus die&#x017F;em &#x017F;ehen wir nun/<lb/>
daß die gleichen Sachen/ und die Gleichheit nicht<lb/>
eines &#x017F;ey/ nichts de&#x017F;toweniger &#x017F;o &#x017F;ind wir von die&#x017F;en<lb/>
gleichen Sachen/ &#x017F;o nicht die Gleichheit &#x017F;eyn/ zu<lb/>
dem Erka&#x0364;ntniß der Gleichheit gelanget. Eben &#x017F;o<lb/>
i&#x017F;t es mit dem a&#x0364;hnlichen und una&#x0364;hnlichen bewand.<lb/>
Dann wann ihr bey An&#x017F;chauung eines Dinges<lb/>
euch etwas anders/ es &#x017F;ey dem Ge&#x017F;ehenen a&#x0364;hnlich o-<lb/>
der una&#x0364;hnlich/ einbildet/ &#x017F;o folget unfehlbar eine Er-<lb/>
innerung darauf. La&#x017F;t uns aber &#x017F;ehen/ wie &#x017F;ich die-<lb/>
&#x017F;es in den Sachen/ &#x017F;o wir itzund gleiche genennet/<lb/>
als Holtz/ Stein und anderen wol verha&#x0364;lt/ &#x017F;olten<lb/>
wir wol meinen/ daß &#x017F;ie &#x017F;o gleiche wa&#x0364;ren/ als die<lb/>
Gleichheit &#x017F;elber i&#x017F;t? Es mangelt gar viel daran.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Mu&#x0364;&#x017F;-</fw><lb/></p>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[39/0297] Socrates. fallen. Man muß alhier genau auf alles Achtung haben. Saget man nicht/ daß etwas ſey/ ſo man gleiche nennet? Jch verſtehe dieſes nicht von einem Holtze/ Steine oder anderer Sache/ da eine der an- deren gleiche ſey/ ſondern ich rede alhier noch uͤber dieſes von einem Dinge/ ſo man gleiche heiſſet: Und iſt nun dieſes gleich etwas? Ohne einigen Zweiffel antwortete Simias/ und von dieſer Er- kaͤntniß des gleichen ruͤhret es auch her/ daß wir in Anſchauung gleicher Hoͤltzer/ Stein oder anderer Sachen/ uns dieſes gleiche eingebildet haben/ ſo gar etwas anders als Holtz und Stein/ iſt/ dann eben dieſes Holtz/ oder dieſer Stein heiſſet bißweilen nach gewiſſer Beſchaffenheit gleich oder ungleich; Dieſes aber/ was man gleiche oder ungleiche Gleich- heit oder Ungleichheit nennet/ bleibet ie und alle wege unveraͤnderlich. Aus dieſem ſehen wir nun/ daß die gleichen Sachen/ und die Gleichheit nicht eines ſey/ nichts deſtoweniger ſo ſind wir von dieſen gleichen Sachen/ ſo nicht die Gleichheit ſeyn/ zu dem Erkaͤntniß der Gleichheit gelanget. Eben ſo iſt es mit dem aͤhnlichen und unaͤhnlichen bewand. Dann wann ihr bey Anſchauung eines Dinges euch etwas anders/ es ſey dem Geſehenen aͤhnlich o- der unaͤhnlich/ einbildet/ ſo folget unfehlbar eine Er- innerung darauf. Laſt uns aber ſehen/ wie ſich die- ſes in den Sachen/ ſo wir itzund gleiche genennet/ als Holtz/ Stein und anderen wol verhaͤlt/ ſolten wir wol meinen/ daß ſie ſo gleiche waͤren/ als die Gleichheit ſelber iſt? Es mangelt gar viel daran. Muͤſ-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hofmannswaldau_uebersetzungen_1679
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hofmannswaldau_uebersetzungen_1679/297
Zitationshilfe: Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hofmannswaldau_uebersetzungen_1679/297>, abgerufen am 24.11.2024.