Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679.Liebe zwischen Graf Balduin Laß einen engen Brief mich lehren deinen Willen/Dein Wincken ist mein Schluß/ ich lebe nur durch dich/ Ein halbes Wort wird mich bewegen und bestillen/ Nach deinen Silben regt des Geistes Nadel sich. Wilst du zwey Leichen nicht zu Grabe sehen tragen/ So nim als Wittib dich verlaßner Seelen an/ Und zeige/ daß dein Mund die Todten zwar beklagen/ Doch auch was Leben hat empfindlich lieben kan. Judith an Balduin. KAn Balduin denn noch der Judith nicht vergessen/ Und streicht sein alter Wunsch auch endlich über See! Du bist in frembder Lufft und weit von mir gesessen/ Doch stöhrt dein kühner Brieff mein heisses Ach und Weh. Wer bey der Leich[e] sitzt soll nicht von Liebe hören/ Es schickt sich Aloe zu Bisemkugeln nicht: Es solte deine Brunst nicht meine Seuffzer stören/ Noch deiner Kühnheit Trieb verrücken meine Pflicht. Jch lasse mich itzund mit Trauerflor ümschlüssen/ So streut dein kecker Geist verliebte Blumen aus/ Und weil mein Auge läßt die Wasserperlen flüssen/ So dringt dein freyer Schertz in mein betrübtes Hauß. Kein Freuden Pflaster dient vor die gekränckten Hertzen/ Die Wehmuth stünde dir am allerbesten an/ (tzen/ Ein Freund/ d' sich ergetzt bey seiner Freundin Schmer- Hat zwar nach seiner Lust/ doch nicht nach Pflicht ge- than So
Liebe zwiſchen Graf Balduin Laß einen engen Brief mich lehren deinen Willen/Dein Wincken iſt mein Schluß/ ich lebe nur durch dich/ Ein halbes Wort wird mich bewegen und beſtillen/ Nach deinen Silben regt des Geiſtes Nadel ſich. Wilſt du zwey Leichen nicht zu Grabe ſehen tragen/ So nim als Wittib dich verlaßner Seelen an/ Und zeige/ daß dein Mund die Todten zwar beklagen/ Doch auch was Leben hat empfindlich lieben kan. Judith an Balduin. KAn Balduin denn noch der Judith nicht vergeſſen/ Und ſtreicht ſein alter Wunſch auch endlich uͤber See! Du biſt in frembder Lufft und weit von mir geſeſſen/ Doch ſtoͤhrt dein kuͤhner Brieff mein heiſſes Ach und Weh. Wer bey der Leich[e] ſitzt ſoll nicht von Liebe hoͤren/ Es ſchickt ſich Aloë zu Biſemkugeln nicht: Es ſolte deine Brunſt nicht meine Seuffzer ſtoͤren/ Noch deiner Kuͤhnheit Trieb verruͤcken meine Pflicht. Jch laſſe mich itzund mit Trauerflor uͤmſchluͤſſen/ So ſtreut dein kecker Geiſt verliebte Blumen aus/ Und weil mein Auge laͤßt die Waſſerperlen fluͤſſen/ So dringt dein freyer Schertz in mein betruͤbtes Hauß. Kein Freuden Pflaſter dient vor die gekraͤnckten Hertzen/ Die Wehmuth ſtuͤnde dir am allerbeſten an/ (tzen/ Ein Freund/ d’ ſich ergetzt bey ſeiner Freundin Schmer- Hat zwar nach ſeiner Luſt/ doch nicht nach Pflicht ge- than So
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Liebe zwiſchen Graf Balduin
Laß einen engen Brief mich lehren deinen Willen/
Dein Wincken iſt mein Schluß/ ich lebe nur durch dich/
Ein halbes Wort wird mich bewegen und beſtillen/
Nach deinen Silben regt des Geiſtes Nadel ſich.
Wilſt du zwey Leichen nicht zu Grabe ſehen tragen/
So nim als Wittib dich verlaßner Seelen an/
Und zeige/ daß dein Mund die Todten zwar beklagen/
Doch auch was Leben hat empfindlich lieben kan.
Judith an Balduin.
KAn Balduin denn noch der Judith nicht
vergeſſen/
Und ſtreicht ſein alter Wunſch auch endlich
uͤber See!
Du biſt in frembder Lufft und weit von mir geſeſſen/
Doch ſtoͤhrt dein kuͤhner Brieff mein heiſſes Ach und
Weh.
Wer bey der Leiche ſitzt ſoll nicht von Liebe hoͤren/
Es ſchickt ſich Aloë zu Biſemkugeln nicht:
Es ſolte deine Brunſt nicht meine Seuffzer ſtoͤren/
Noch deiner Kuͤhnheit Trieb verruͤcken meine Pflicht.
Jch laſſe mich itzund mit Trauerflor uͤmſchluͤſſen/
So ſtreut dein kecker Geiſt verliebte Blumen aus/
Und weil mein Auge laͤßt die Waſſerperlen fluͤſſen/
So dringt dein freyer Schertz in mein betruͤbtes Hauß.
Kein Freuden Pflaſter dient vor die gekraͤnckten Hertzen/
Die Wehmuth ſtuͤnde dir am allerbeſten an/ (tzen/
Ein Freund/ d’ ſich ergetzt bey ſeiner Freundin Schmer-
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