Hofmann von Hofmannswaldau, Christian: Deutsche Ubersetzungen und Gedichte. Breslau, 1679.Liebe und Lebens Lauf in Sprachen und Wissenschafften eine Stundezu lesen ansprach. Abelard schlug dieses nicht ab; Sondern nahm diese anmutige Schüllerin mit Freuden an/ und sie begunte sich in kurtzen mercklich zu bessern. Es geschach endlich/ daß dieser geschickte Lehr-Meister seiner untergebe- nen zu tief in die Augen schaute/ und etzliche ge- fährliche Funcken fühlete/ so Witz und Buch Jhm aus Gemüth und Händen wunden. Er begunte albereit mit seiner Schüllerin freundli- cher umbzugehen/ er gebrauchte sich ungewöhn- licher Arten zu reden/ und ein Kuß war die erste Losung/ daß er forthin etwas mehr als Lehr- meister seyn wolte. Diese junge Tochter merck- te endlich dieses verborgene Spiel ziemlich deut- lich/ und ließ Jhr nicht gäntzlich unangenehm seyn/ / von dem/ der an Anmuth und Beredsam- keit wenig seines gleichen hatte/ bedient zu wer- den; Mit einem Worte sie waren unfleissig auf eine andere Arth fleissig zu werden; Abelard fieng nunmehr an seine Schüllerin bald wegen Jh- rer entzündeten Augen/ bald wegen Jhrer weissen Hände/ bald wegen Jhres röthlichen Mundes/ bald wegen etwas verborgeners zu rühmen/ und was er diesen Augenblick gelobet/ wolte er den andern mit Augen schauen; oder mit Händen und Lippen berühren/ der Durst wuchs endlich durch den Trunck/ iemehr kleine Frey- heiten unser verliebter genoß/ iemehr er geniessen wolte/
Liebe und Lebens Lauf in Sprachen und Wiſſenſchafften eine Stundezu leſen anſprach. Abelard ſchlug dieſes nicht ab; Sondern nahm dieſe anmutige Schuͤllerin mit Freuden an/ und ſie begunte ſich in kurtzen mercklich zu beſſern. Es geſchach endlich/ daß dieſer geſchickte Lehr-Meiſter ſeiner untergebe- nen zu tief in die Augen ſchaute/ und etzliche ge- faͤhrliche Funcken fuͤhlete/ ſo Witz und Buch Jhm aus Gemuͤth und Haͤnden wunden. Er begunte albereit mit ſeiner Schuͤllerin freundli- cher umbzugehen/ er gebrauchte ſich ungewoͤhn- licher Arten zu reden/ und ein Kuß war die erſte Loſung/ daß er forthin etwas mehr als Lehr- meiſter ſeyn wolte. Dieſe junge Tochter merck- te endlich dieſes verborgene Spiel ziemlich deut- lich/ und ließ Jhr nicht gaͤntzlich unangenehm ſeyn/ / von dem/ der an Anmuth und Beredſam- keit wenig ſeines gleichen hatte/ bedient zu wer- den; Mit einem Worte ſie waren unfleiſſig auf eine andere Arth fleiſſig zu werden; Abelard fieng nunmehr an ſeine Schuͤllerin bald wegen Jh- rer entzuͤndeten Augen/ bald wegen Jhrer weiſſen Haͤnde/ bald wegen Jhres roͤthlichen Mundes/ bald wegen etwas verborgeners zu rühmen/ und was er dieſen Augenblick gelobet/ wolte er den andern mit Augen ſchauen; oder mit Haͤnden und Lippen beruͤhren/ der Durſt wuchs endlich durch den Trunck/ iemehr kleine Frey- heiten unſer verliebter genoß/ iemehr er genieſſen wolte/
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0570" n="146"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Liebe und Lebens Lauf</hi></fw><lb/> in Sprachen und Wiſſenſchafften eine Stunde<lb/> zu leſen anſprach. Abelard ſchlug dieſes nicht<lb/> ab; Sondern nahm dieſe anmutige Schuͤllerin<lb/> mit Freuden an/ und ſie begunte ſich in kurtzen<lb/> mercklich zu beſſern. Es geſchach endlich/ daß<lb/> dieſer geſchickte Lehr-Meiſter ſeiner untergebe-<lb/> nen zu tief in die Augen ſchaute/ und etzliche ge-<lb/> faͤhrliche Funcken fuͤhlete/ ſo Witz und Buch<lb/> Jhm aus Gemuͤth und Haͤnden wunden. Er<lb/> begunte albereit mit ſeiner Schuͤllerin freundli-<lb/> cher umbzugehen/ er gebrauchte ſich ungewoͤhn-<lb/> licher Arten zu reden/ und ein Kuß war die erſte<lb/> Loſung/ daß er forthin etwas mehr als Lehr-<lb/> meiſter ſeyn wolte. Dieſe junge Tochter merck-<lb/> te endlich dieſes verborgene Spiel ziemlich deut-<lb/> lich/ und ließ Jhr nicht gaͤntzlich unangenehm<lb/> ſeyn/ / von dem/ der an Anmuth und Beredſam-<lb/> keit wenig ſeines gleichen hatte/ bedient zu wer-<lb/> den; Mit einem Worte ſie waren unfleiſſig auf<lb/> eine andere Arth fleiſſig zu werden; Abelard fieng<lb/> nunmehr an ſeine Schuͤllerin bald wegen Jh-<lb/> rer entzuͤndeten Augen/ bald wegen Jhrer<lb/> weiſſen Haͤnde/ bald wegen Jhres roͤthlichen<lb/> Mundes/ bald wegen etwas verborgeners zu<lb/> rühmen/ und was er dieſen Augenblick gelobet/<lb/> wolte er den andern mit Augen ſchauen; oder mit<lb/> Haͤnden und Lippen beruͤhren/ der Durſt wuchs<lb/> endlich durch den Trunck/ iemehr kleine Frey-<lb/> heiten unſer verliebter genoß/ iemehr er genieſſen<lb/> <fw place="bottom" type="catch">wolte/</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [146/0570]
Liebe und Lebens Lauf
in Sprachen und Wiſſenſchafften eine Stunde
zu leſen anſprach. Abelard ſchlug dieſes nicht
ab; Sondern nahm dieſe anmutige Schuͤllerin
mit Freuden an/ und ſie begunte ſich in kurtzen
mercklich zu beſſern. Es geſchach endlich/ daß
dieſer geſchickte Lehr-Meiſter ſeiner untergebe-
nen zu tief in die Augen ſchaute/ und etzliche ge-
faͤhrliche Funcken fuͤhlete/ ſo Witz und Buch
Jhm aus Gemuͤth und Haͤnden wunden. Er
begunte albereit mit ſeiner Schuͤllerin freundli-
cher umbzugehen/ er gebrauchte ſich ungewoͤhn-
licher Arten zu reden/ und ein Kuß war die erſte
Loſung/ daß er forthin etwas mehr als Lehr-
meiſter ſeyn wolte. Dieſe junge Tochter merck-
te endlich dieſes verborgene Spiel ziemlich deut-
lich/ und ließ Jhr nicht gaͤntzlich unangenehm
ſeyn/ / von dem/ der an Anmuth und Beredſam-
keit wenig ſeines gleichen hatte/ bedient zu wer-
den; Mit einem Worte ſie waren unfleiſſig auf
eine andere Arth fleiſſig zu werden; Abelard fieng
nunmehr an ſeine Schuͤllerin bald wegen Jh-
rer entzuͤndeten Augen/ bald wegen Jhrer
weiſſen Haͤnde/ bald wegen Jhres roͤthlichen
Mundes/ bald wegen etwas verborgeners zu
rühmen/ und was er dieſen Augenblick gelobet/
wolte er den andern mit Augen ſchauen; oder mit
Haͤnden und Lippen beruͤhren/ der Durſt wuchs
endlich durch den Trunck/ iemehr kleine Frey-
heiten unſer verliebter genoß/ iemehr er genieſſen
wolte/
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |