Rede ist, auch gesehen. Jch, der Verfasser dieses Buches, kannte die Truppe des großen Samuel recht gut. Jhr Repertoir bestand aus zwei Stücken. Die- selben Stoffe bildeten es, welche fast ausschließlich den Gegenstand ähnlicher Darstellungen auszumachen pflegten. Der erste ist der unerschöpfliche Mythus vom keuschen Jüngling, in welchen jedoch bei diesen rohen Verarbeitungen stets die sündhafte Stiefmutter hinein spielt: halb biblischer Josef, halb antike Phädra. Der König, oder Kaiser, lebt in zweiter Ehe, mit einem jungen Weibe, welches vom alten Vater hin- weg nach dem holden Sohne schielt. Dieser, ein Gemisch von Hypolit und Jakobs tugendsamem Josef, weiset sie verschmähend zurück, verwandelt ihre Nei- gung in Haß, erweckt ihre Rachsucht, wird von ihr verleumdet, angeklagt, durch den leichtgläubigen Vater in den Kerker geworfen, zum Tode verurtheilt und natürlich gerettet, nicht durch Dazwischenkunft der "sieben weisen Meister", sondern der lustigen Person, die man zu jener Zeit, obwohl wahrscheinlich hispani- scher Abkunft, nicht Grazioso, vielmehr ehrlich genug: Hannswurst nannte. Nach den oberflächlichen Pro- ben, die ich bisher von Bärbels Redeweise gab, wird man mir kaum glauben, wenn ich versichere, daß sie
Rede iſt, auch geſehen. Jch, der Verfaſſer dieſes Buches, kannte die Truppe des großen Samuel recht gut. Jhr Repertoir beſtand aus zwei Stuͤcken. Die- ſelben Stoffe bildeten es, welche faſt ausſchließlich den Gegenſtand aͤhnlicher Darſtellungen auszumachen pflegten. Der erſte iſt der unerſchoͤpfliche Mythus vom keuſchen Juͤngling, in welchen jedoch bei dieſen rohen Verarbeitungen ſtets die ſuͤndhafte Stiefmutter hinein ſpielt: halb bibliſcher Joſef, halb antike Phaͤdra. Der Koͤnig, oder Kaiſer, lebt in zweiter Ehe, mit einem jungen Weibe, welches vom alten Vater hin- weg nach dem holden Sohne ſchielt. Dieſer, ein Gemiſch von Hypolit und Jakobs tugendſamem Joſef, weiſet ſie verſchmaͤhend zuruͤck, verwandelt ihre Nei- gung in Haß, erweckt ihre Rachſucht, wird von ihr verleumdet, angeklagt, durch den leichtglaͤubigen Vater in den Kerker geworfen, zum Tode verurtheilt und natuͤrlich gerettet, nicht durch Dazwiſchenkunft der „ſieben weiſen Meiſter“, ſondern der luſtigen Perſon, die man zu jener Zeit, obwohl wahrſcheinlich hispani- ſcher Abkunft, nicht Grazioſo, vielmehr ehrlich genug: Hannswurſt nannte. Nach den oberflaͤchlichen Pro- ben, die ich bisher von Baͤrbels Redeweiſe gab, wird man mir kaum glauben, wenn ich verſichere, daß ſie
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Rede iſt, auch geſehen. Jch, der Verfaſſer dieſes
Buches, kannte die Truppe des großen Samuel recht
gut. Jhr Repertoir beſtand aus zwei Stuͤcken. Die-
ſelben Stoffe bildeten es, welche faſt ausſchließlich
den Gegenſtand aͤhnlicher Darſtellungen auszumachen
pflegten. Der erſte iſt der unerſchoͤpfliche Mythus
vom keuſchen Juͤngling, in welchen jedoch bei dieſen
rohen Verarbeitungen ſtets die ſuͤndhafte Stiefmutter
hinein ſpielt: halb bibliſcher Joſef, halb antike Phaͤdra.
Der Koͤnig, oder Kaiſer, lebt in zweiter Ehe, mit
einem jungen Weibe, welches vom alten Vater hin-
weg nach dem holden Sohne ſchielt. Dieſer, ein
Gemiſch von Hypolit und Jakobs tugendſamem Joſef,
weiſet ſie verſchmaͤhend zuruͤck, verwandelt ihre Nei-
gung in Haß, erweckt ihre Rachſucht, wird von ihr
verleumdet, angeklagt, durch den leichtglaͤubigen Vater
in den Kerker geworfen, zum Tode verurtheilt und
natuͤrlich gerettet, nicht durch Dazwiſchenkunft der
„ſieben weiſen Meiſter“, ſondern der luſtigen Perſon,
die man zu jener Zeit, obwohl wahrſcheinlich hispani-
ſcher Abkunft, nicht Grazioſo, vielmehr ehrlich genug:
Hannswurſt nannte. Nach den oberflaͤchlichen Pro-
ben, die ich bisher von Baͤrbels Redeweiſe gab, wird
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/118>, abgerufen am 21.11.2024.
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