Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

"Gold und Gold steckt er mir zu. Schön ist er
auch. Du bist schöner, mir gefallst Du besser.
Willst mein Liebster sein und ich schenk Dir seiniges
Gold. Langer Samuel hat mich geprügelt, bin ihm
davon gelaufen, geh' nimmermehr zu ihm. Bin sein'
Schwester nit. Dein Fensterl ist klein, kann ich
schon durch; ich bin glatt wie Schlange. Laß mich
zu Dir!"

Bärbel, das geht nicht. Meine Großmutter
schläft drinnen und hört jeden Laut.

"Komm' zu mir! komm' heraus!"

Jch darf nicht.

"Du darfst was Du willst. Bist ja nit kleiner
Bube? Schon ein junger Kerl bist Du."

Jch lieb' eine Andre!

"Und mich hast wollen küssen? Warum hast
gezittert und mich umarmt im Garten bei Schloß?
Lieb' wen Du willst, aber geh' mit mir!"

Niemals darf ich mit Dir gehen, Bärbel. Jch
hab's dem Todten versprochen.

"Wem? Todten?"

Dem schwarzen Wolfgang. Er leidet's nicht.
Es war sein letztes Wort.

"Hu! dem Schwarzen? War wilde Teuxel!"

„Gold und Gold ſteckt er mir zu. Schoͤn iſt er
auch. Du biſt ſchoͤner, mir gefallſt Du beſſer.
Willſt mein Liebſter ſein und ich ſchenk Dir ſeiniges
Gold. Langer Samuel hat mich gepruͤgelt, bin ihm
davon gelaufen, geh’ nimmermehr zu ihm. Bin ſein’
Schweſter nit. Dein Fenſterl iſt klein, kann ich
ſchon durch; ich bin glatt wie Schlange. Laß mich
zu Dir!“

Baͤrbel, das geht nicht. Meine Großmutter
ſchlaͤft drinnen und hoͤrt jeden Laut.

„Komm’ zu mir! komm’ heraus!“

Jch darf nicht.

„Du darfſt was Du willſt. Biſt ja nit kleiner
Bube? Schon ein junger Kerl biſt Du.“

Jch lieb’ eine Andre!

„Und mich haſt wollen kuͤſſen? Warum haſt
gezittert und mich umarmt im Garten bei Schloß?
Lieb’ wen Du willſt, aber geh’ mit mir!“

Niemals darf ich mit Dir gehen, Baͤrbel. Jch
hab’s dem Todten verſprochen.

„Wem? Todten?“

Dem ſchwarzen Wolfgang. Er leidet’s nicht.
Es war ſein letztes Wort.

„Hu! dem Schwarzen? War wilde Teuxel!“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0180" n="164"/>
        <p>&#x201E;Gold und Gold &#x017F;teckt er mir zu. Scho&#x0364;n i&#x017F;t er<lb/>
auch. <hi rendition="#g">Du</hi> bi&#x017F;t &#x017F;cho&#x0364;ner, mir gefall&#x017F;t Du be&#x017F;&#x017F;er.<lb/>
Will&#x017F;t mein Lieb&#x017F;ter &#x017F;ein und ich &#x017F;chenk Dir &#x017F;einiges<lb/>
Gold. Langer Samuel hat mich gepru&#x0364;gelt, bin ihm<lb/>
davon gelaufen, geh&#x2019; nimmermehr zu ihm. Bin &#x017F;ein&#x2019;<lb/>
Schwe&#x017F;ter nit. Dein Fen&#x017F;terl i&#x017F;t klein, kann ich<lb/>
&#x017F;chon durch; ich bin glatt wie Schlange. Laß mich<lb/>
zu Dir!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Ba&#x0364;rbel, das geht nicht. Meine Großmutter<lb/>
&#x017F;chla&#x0364;ft drinnen und ho&#x0364;rt jeden Laut.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Komm&#x2019; zu mir! komm&#x2019; heraus!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Jch darf nicht.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du darf&#x017F;t was Du will&#x017F;t. Bi&#x017F;t ja nit kleiner<lb/>
Bube? Schon ein junger Kerl bi&#x017F;t Du.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Jch lieb&#x2019; eine Andre!</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und mich ha&#x017F;t wollen ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;en? Warum ha&#x017F;t<lb/>
gezittert und mich umarmt im Garten bei Schloß?<lb/>
Lieb&#x2019; wen Du will&#x017F;t, aber geh&#x2019; mit mir!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Niemals darf ich mit Dir gehen, Ba&#x0364;rbel. Jch<lb/>
hab&#x2019;s dem Todten ver&#x017F;prochen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wem? Todten?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Dem &#x017F;chwarzen Wolfgang. Er leidet&#x2019;s nicht.<lb/>
Es war &#x017F;ein letztes Wort.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Hu! dem Schwarzen? War wilde Teuxel!&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[164/0180] „Gold und Gold ſteckt er mir zu. Schoͤn iſt er auch. Du biſt ſchoͤner, mir gefallſt Du beſſer. Willſt mein Liebſter ſein und ich ſchenk Dir ſeiniges Gold. Langer Samuel hat mich gepruͤgelt, bin ihm davon gelaufen, geh’ nimmermehr zu ihm. Bin ſein’ Schweſter nit. Dein Fenſterl iſt klein, kann ich ſchon durch; ich bin glatt wie Schlange. Laß mich zu Dir!“ Baͤrbel, das geht nicht. Meine Großmutter ſchlaͤft drinnen und hoͤrt jeden Laut. „Komm’ zu mir! komm’ heraus!“ Jch darf nicht. „Du darfſt was Du willſt. Biſt ja nit kleiner Bube? Schon ein junger Kerl biſt Du.“ Jch lieb’ eine Andre! „Und mich haſt wollen kuͤſſen? Warum haſt gezittert und mich umarmt im Garten bei Schloß? Lieb’ wen Du willſt, aber geh’ mit mir!“ Niemals darf ich mit Dir gehen, Baͤrbel. Jch hab’s dem Todten verſprochen. „Wem? Todten?“ Dem ſchwarzen Wolfgang. Er leidet’s nicht. Es war ſein letztes Wort. „Hu! dem Schwarzen? War wilde Teuxel!“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/180
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/180>, abgerufen am 21.11.2024.