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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

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Freiherr v. Kannabich," -- nahm Nasus das Wort,
-- "der seine Tochter sucht. Oeffnen Sie gutwillig,
oder ich sehe mich genöthiget, durch mein Gefolge die
Thüre sprengen zu lassen."

Gärtner, Koch und Jäger stießen allerlei dumpfes
Gemurmel aus, um anzudeuten, daß Gefolge wirklich
vorhanden sei.

D'rinnen herrschte tiefe Stille, die nur augenblick-
lich durch mühsam zurückgehaltenes weibliches Ge-
kicher unterbrochen wurde. Dann wieder ließ Theodor
sich vernehmen: Jch öffne, sobald ich meinen Schlaf-
rock angelegt.

"Wir siegen," murmelte Nasus; "jetzt bleibt ihm
nichts übrig, als mich zu seinem Schwiegervater zu
ernennen!"

Die Thür ging auf. Der Baron drang hinein,
seine Diener blieben im Eingang, denselben durch ihre
Personen fest verrammelnd.

Theodor trat dem Baron entgegen; er war gleich-
falls in einen Schlafrock gehüllt, in ein Prachtgewand
von grüner Seide mit bunten Blumen durchwebt.
Die beiden Schlafröcke standen einander gegenüber,
wie dem schmutzigen grauen November blühender
Mai.

Freiherr v. Kannabich,“ — nahm Naſus das Wort,
— „der ſeine Tochter ſucht. Oeffnen Sie gutwillig,
oder ich ſehe mich genoͤthiget, durch mein Gefolge die
Thuͤre ſprengen zu laſſen.“

Gaͤrtner, Koch und Jaͤger ſtießen allerlei dumpfes
Gemurmel aus, um anzudeuten, daß Gefolge wirklich
vorhanden ſei.

D’rinnen herrſchte tiefe Stille, die nur augenblick-
lich durch muͤhſam zuruͤckgehaltenes weibliches Ge-
kicher unterbrochen wurde. Dann wieder ließ Theodor
ſich vernehmen: Jch oͤffne, ſobald ich meinen Schlaf-
rock angelegt.

„Wir ſiegen,“ murmelte Naſus; „jetzt bleibt ihm
nichts uͤbrig, als mich zu ſeinem Schwiegervater zu
ernennen!“

Die Thuͤr ging auf. Der Baron drang hinein,
ſeine Diener blieben im Eingang, denſelben durch ihre
Perſonen feſt verrammelnd.

Theodor trat dem Baron entgegen; er war gleich-
falls in einen Schlafrock gehuͤllt, in ein Prachtgewand
von gruͤner Seide mit bunten Blumen durchwebt.
Die beiden Schlafroͤcke ſtanden einander gegenuͤber,
wie dem ſchmutzigen grauen November bluͤhender
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[172/0188] Freiherr v. Kannabich,“ — nahm Naſus das Wort, — „der ſeine Tochter ſucht. Oeffnen Sie gutwillig, oder ich ſehe mich genoͤthiget, durch mein Gefolge die Thuͤre ſprengen zu laſſen.“ Gaͤrtner, Koch und Jaͤger ſtießen allerlei dumpfes Gemurmel aus, um anzudeuten, daß Gefolge wirklich vorhanden ſei. D’rinnen herrſchte tiefe Stille, die nur augenblick- lich durch muͤhſam zuruͤckgehaltenes weibliches Ge- kicher unterbrochen wurde. Dann wieder ließ Theodor ſich vernehmen: Jch oͤffne, ſobald ich meinen Schlaf- rock angelegt. „Wir ſiegen,“ murmelte Naſus; „jetzt bleibt ihm nichts uͤbrig, als mich zu ſeinem Schwiegervater zu ernennen!“ Die Thuͤr ging auf. Der Baron drang hinein, ſeine Diener blieben im Eingang, denſelben durch ihre Perſonen feſt verrammelnd. Theodor trat dem Baron entgegen; er war gleich- falls in einen Schlafrock gehuͤllt, in ein Prachtgewand von gruͤner Seide mit bunten Blumen durchwebt. Die beiden Schlafroͤcke ſtanden einander gegenuͤber, wie dem ſchmutzigen grauen November bluͤhender Mai.

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/188>, abgerufen am 25.05.2024.