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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

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Denn dieses sagt mein Glaube:
Er bleibt nicht in der Gruft.

Dies ist mein letzter Wille,
Gott drückt das Siegel d'rauf.
Nun wart' ich in der Stille,
Bis daß ich meinen Lauf
Durch Christi Tod vollende,
So geh' ich freudig hin,
Und weiß, daß ich ohn' Ende
Des Himmels Erbe bin.

Als ich dieses schöne Lied meinem Alten vorgesagt,
ist er freundlich eingeschlafen. Und so wollen wir es
alleweile auch machen, Anton, Du wie ich, damit
wir morgen frisch und tapfer sein mögen für unseren
Abschied. Die Unruhe so in mir gewirthschaftet ist
beschwichtiget. Der liebe Gott hat es gut mit mir
vor."

Sie wendete sich ein wenig nach der Seite hin
und schlief wirklich zu stillem Schlummer ein.

Aber immer auf's Neue setzte die Sterbeglocke
an. Keine Frage mehr, das galt dem Grundherrn.

Der Baron von Kannabich auf Liebenau, vulgo:
Onkel Nasus, liegt auf seinem weichgepolsterten Lehn-
stuhl, regungslos und todt, wie ein anderer Leichnam.
Jhm zur Seite weilt, das ernste Antlitz sorgenschwer
über ihn gebeugt, Pastor Karich, der sich fruchtlos

Denn dieſes ſagt mein Glaube:
Er bleibt nicht in der Gruft.

Dies iſt mein letzter Wille,
Gott druͤckt das Siegel d’rauf.
Nun wart’ ich in der Stille,
Bis daß ich meinen Lauf
Durch Chriſti Tod vollende,
So geh’ ich freudig hin,
Und weiß, daß ich ohn’ Ende
Des Himmels Erbe bin.

Als ich dieſes ſchoͤne Lied meinem Alten vorgeſagt,
iſt er freundlich eingeſchlafen. Und ſo wollen wir es
alleweile auch machen, Anton, Du wie ich, damit
wir morgen friſch und tapfer ſein moͤgen fuͤr unſeren
Abſchied. Die Unruhe ſo in mir gewirthſchaftet iſt
beſchwichtiget. Der liebe Gott hat es gut mit mir
vor.“

Sie wendete ſich ein wenig nach der Seite hin
und ſchlief wirklich zu ſtillem Schlummer ein.

Aber immer auf’s Neue ſetzte die Sterbeglocke
an. Keine Frage mehr, das galt dem Grundherrn.

Der Baron von Kannabich auf Liebenau, vulgo:
Onkel Naſus, liegt auf ſeinem weichgepolſterten Lehn-
ſtuhl, regungslos und todt, wie ein anderer Leichnam.
Jhm zur Seite weilt, das ernſte Antlitz ſorgenſchwer
uͤber ihn gebeugt, Paſtor Karich, der ſich fruchtlos

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[199/0215] Denn dieſes ſagt mein Glaube: Er bleibt nicht in der Gruft. Dies iſt mein letzter Wille, Gott druͤckt das Siegel d’rauf. Nun wart’ ich in der Stille, Bis daß ich meinen Lauf Durch Chriſti Tod vollende, So geh’ ich freudig hin, Und weiß, daß ich ohn’ Ende Des Himmels Erbe bin. Als ich dieſes ſchoͤne Lied meinem Alten vorgeſagt, iſt er freundlich eingeſchlafen. Und ſo wollen wir es alleweile auch machen, Anton, Du wie ich, damit wir morgen friſch und tapfer ſein moͤgen fuͤr unſeren Abſchied. Die Unruhe ſo in mir gewirthſchaftet iſt beſchwichtiget. Der liebe Gott hat es gut mit mir vor.“ Sie wendete ſich ein wenig nach der Seite hin und ſchlief wirklich zu ſtillem Schlummer ein. Aber immer auf’s Neue ſetzte die Sterbeglocke an. Keine Frage mehr, das galt dem Grundherrn. Der Baron von Kannabich auf Liebenau, vulgo: Onkel Naſus, liegt auf ſeinem weichgepolſterten Lehn- ſtuhl, regungslos und todt, wie ein anderer Leichnam. Jhm zur Seite weilt, das ernſte Antlitz ſorgenſchwer uͤber ihn gebeugt, Paſtor Karich, der ſich fruchtlos

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/215>, abgerufen am 21.11.2024.