den arme Leute, wie Unsereins. Am Ende nehmen sie noch Puschel und Rubs zu Männern. Das wär' eine Geschichte! Und Tieletunke?... Ja, die ist am Schlimmsten d'ran. Fast so schlimm wie -- ich.
Von diesem letzten Gedanken gelangte unser betrübter Denker, mit dem die flüchtige Phantasie ohne- hin gar zu gern auf- und davon ging, immer tiefer in's Gebiet der Möglichkeiten und Unmöglichkeiten, bis er sich zuletzt in kühne, wunderbarliche Luftschlös- ser verirrte, in deren allerschönstem ihm der holde Schlaf, -- seinem häßlichen Bruder Tod so nahe, -- die Stirn berührte und sprach: hier weile und träume!
Da lagen sie nebeneinander: die Großmutter, schon im Arme des Todes, der noch einmal die Gestalt des Schlafes angenommen, auf ihr Lager hingestreckt wie auf eine Bahre; -- zu ihren Füßen knieend der jugendliche Enkel, umschlungen vom Schlafe, wel- cher zum Bruder Tod hinüber lächelte, als' wollt' er ihm andeuten: Du ahm'st mich täuschend nach!
Beide, die alte Frau, wie Anton, erwachten zugleich.
Als der Jüngling, der den Tod bereits zu kennen wähnte, und ihn doch nicht kannte, seiner Großmut-
den arme Leute, wie Unſereins. Am Ende nehmen ſie noch Puſchel und Rubs zu Maͤnnern. Das waͤr’ eine Geſchichte! Und Tieletunke?... Ja, die iſt am Schlimmſten d’ran. Faſt ſo ſchlimm wie — ich.
Von dieſem letzten Gedanken gelangte unſer betruͤbter Denker, mit dem die fluͤchtige Phantaſie ohne- hin gar zu gern auf- und davon ging, immer tiefer in’s Gebiet der Moͤglichkeiten und Unmoͤglichkeiten, bis er ſich zuletzt in kuͤhne, wunderbarliche Luftſchloͤſ- ſer verirrte, in deren allerſchoͤnſtem ihm der holde Schlaf, — ſeinem haͤßlichen Bruder Tod ſo nahe, — die Stirn beruͤhrte und ſprach: hier weile und traͤume!
Da lagen ſie nebeneinander: die Großmutter, ſchon im Arme des Todes, der noch einmal die Geſtalt des Schlafes angenommen, auf ihr Lager hingeſtreckt wie auf eine Bahre; — zu ihren Fuͤßen knieend der jugendliche Enkel, umſchlungen vom Schlafe, wel- cher zum Bruder Tod hinuͤber laͤchelte, als’ wollt’ er ihm andeuten: Du ahm’ſt mich taͤuſchend nach!
Beide, die alte Frau, wie Anton, erwachten zugleich.
Als der Juͤngling, der den Tod bereits zu kennen waͤhnte, und ihn doch nicht kannte, ſeiner Großmut-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0217"n="201"/>
den arme Leute, wie Unſereins. Am Ende nehmen<lb/>ſie noch Puſchel und Rubs zu Maͤnnern. Das waͤr’<lb/>
eine Geſchichte! Und Tieletunke?... Ja, die iſt am<lb/>
Schlimmſten d’ran. Faſt ſo ſchlimm wie — ich.</p><lb/><p>Von dieſem letzten Gedanken gelangte unſer<lb/>
betruͤbter Denker, mit dem die fluͤchtige Phantaſie ohne-<lb/>
hin gar zu gern auf- und davon ging, immer tiefer<lb/>
in’s Gebiet der Moͤglichkeiten und Unmoͤglichkeiten,<lb/>
bis er ſich zuletzt in kuͤhne, wunderbarliche Luftſchloͤſ-<lb/>ſer verirrte, in deren allerſchoͤnſtem ihm der holde<lb/>
Schlaf, —ſeinem haͤßlichen Bruder Tod ſo nahe,<lb/>— die Stirn beruͤhrte und ſprach: hier weile und<lb/>
traͤume!</p><lb/><p>Da lagen ſie nebeneinander: die Großmutter,<lb/>ſchon im Arme des Todes, der noch einmal die Geſtalt<lb/>
des Schlafes angenommen, auf ihr Lager hingeſtreckt<lb/>
wie auf eine Bahre; — zu ihren Fuͤßen knieend der<lb/>
jugendliche Enkel, umſchlungen vom Schlafe, wel-<lb/>
cher zum Bruder Tod hinuͤber laͤchelte, als’ wollt’ er<lb/>
ihm andeuten: Du ahm’ſt mich taͤuſchend nach!</p><lb/><p>Beide, die alte Frau, wie Anton, erwachten<lb/>
zugleich.</p><lb/><p>Als der Juͤngling, der den Tod bereits zu kennen<lb/>
waͤhnte, und ihn doch nicht kannte, ſeiner Großmut-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[201/0217]
den arme Leute, wie Unſereins. Am Ende nehmen
ſie noch Puſchel und Rubs zu Maͤnnern. Das waͤr’
eine Geſchichte! Und Tieletunke?... Ja, die iſt am
Schlimmſten d’ran. Faſt ſo ſchlimm wie — ich.
Von dieſem letzten Gedanken gelangte unſer
betruͤbter Denker, mit dem die fluͤchtige Phantaſie ohne-
hin gar zu gern auf- und davon ging, immer tiefer
in’s Gebiet der Moͤglichkeiten und Unmoͤglichkeiten,
bis er ſich zuletzt in kuͤhne, wunderbarliche Luftſchloͤſ-
ſer verirrte, in deren allerſchoͤnſtem ihm der holde
Schlaf, — ſeinem haͤßlichen Bruder Tod ſo nahe,
— die Stirn beruͤhrte und ſprach: hier weile und
traͤume!
Da lagen ſie nebeneinander: die Großmutter,
ſchon im Arme des Todes, der noch einmal die Geſtalt
des Schlafes angenommen, auf ihr Lager hingeſtreckt
wie auf eine Bahre; — zu ihren Fuͤßen knieend der
jugendliche Enkel, umſchlungen vom Schlafe, wel-
cher zum Bruder Tod hinuͤber laͤchelte, als’ wollt’ er
ihm andeuten: Du ahm’ſt mich taͤuſchend nach!
Beide, die alte Frau, wie Anton, erwachten
zugleich.
Als der Juͤngling, der den Tod bereits zu kennen
waͤhnte, und ihn doch nicht kannte, ſeiner Großmut-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/217>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.