lange, wie wenn sie überlegte, ob sie seinen Wunsch erfüllen dürfe? Dann aber sprach sie plötzlich: "Nein, Anton, es geht nicht. Es kommen Dinge vor in die- ser traurigen Geschichte, die für Dich noch zu früh sind. Sage was Du willst, Du bist ja doch nur ein Kind."
Meinst Du, Großmutter, wendete Anton dagegen ein, meinst Du wirklich? Jch weiß mehr, als Du denken magst, vom Leben und von den Menschen. Wer, wie ich, auf eigene Hand aufgewachsen ist, im- mer unter dem Landvolk sich herumtrieb, Alles hörte, Alles beobachtete, schon als kleiner Knabe denken und vergleichen lernte, der ist in meinen Jahren ein Mann. Erzähle mir, was Du willst, ich werde Dich verste- hen -- und ich werde dazu schweigen, wenn es nöthig ist.
Unschlüssig staunte die Alte ihren Enkel an, den sie niemals noch so entschieden sprechen gehört, und zweifelnd schüttelte sie den Kopf, indem sie vor sich hinflüsterte: "Werden denn in dieser Zeit die Kinder schon so früh mündig?"
Da ertönte vom kleinen Kirchthurme die Abend- glocke. Wehmüthig zitterten sanfte Klänge auf lauem Winde getragen über das bemooste Strohdach und
lange, wie wenn ſie uͤberlegte, ob ſie ſeinen Wunſch erfuͤllen duͤrfe? Dann aber ſprach ſie ploͤtzlich: „Nein, Anton, es geht nicht. Es kommen Dinge vor in die- ſer traurigen Geſchichte, die fuͤr Dich noch zu fruͤh ſind. Sage was Du willſt, Du biſt ja doch nur ein Kind.“
Meinſt Du, Großmutter, wendete Anton dagegen ein, meinſt Du wirklich? Jch weiß mehr, als Du denken magſt, vom Leben und von den Menſchen. Wer, wie ich, auf eigene Hand aufgewachſen iſt, im- mer unter dem Landvolk ſich herumtrieb, Alles hoͤrte, Alles beobachtete, ſchon als kleiner Knabe denken und vergleichen lernte, der iſt in meinen Jahren ein Mann. Erzaͤhle mir, was Du willſt, ich werde Dich verſte- hen — und ich werde dazu ſchweigen, wenn es noͤthig iſt.
Unſchluͤſſig ſtaunte die Alte ihren Enkel an, den ſie niemals noch ſo entſchieden ſprechen gehoͤrt, und zweifelnd ſchuͤttelte ſie den Kopf, indem ſie vor ſich hinfluͤſterte: „Werden denn in dieſer Zeit die Kinder ſchon ſo fruͤh muͤndig?“
Da ertoͤnte vom kleinen Kirchthurme die Abend- glocke. Wehmuͤthig zitterten ſanfte Klaͤnge auf lauem Winde getragen uͤber das bemooste Strohdach und
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lange, wie wenn ſie uͤberlegte, ob ſie ſeinen Wunſch
erfuͤllen duͤrfe? Dann aber ſprach ſie ploͤtzlich: „Nein,
Anton, es geht nicht. Es kommen Dinge vor in die-
ſer traurigen Geſchichte, die fuͤr Dich noch zu fruͤh
ſind. Sage was Du willſt, Du biſt ja doch nur ein
Kind.“
Meinſt Du, Großmutter, wendete Anton dagegen
ein, meinſt Du wirklich? Jch weiß mehr, als Du
denken magſt, vom Leben und von den Menſchen.
Wer, wie ich, auf eigene Hand aufgewachſen iſt, im-
mer unter dem Landvolk ſich herumtrieb, Alles hoͤrte,
Alles beobachtete, ſchon als kleiner Knabe denken und
vergleichen lernte, der iſt in meinen Jahren ein Mann.
Erzaͤhle mir, was Du willſt, ich werde Dich verſte-
hen — und ich werde dazu ſchweigen, wenn es
noͤthig iſt.
Unſchluͤſſig ſtaunte die Alte ihren Enkel an, den
ſie niemals noch ſo entſchieden ſprechen gehoͤrt, und
zweifelnd ſchuͤttelte ſie den Kopf, indem ſie vor ſich
hinfluͤſterte: „Werden denn in dieſer Zeit die Kinder
ſchon ſo fruͤh muͤndig?“
Da ertoͤnte vom kleinen Kirchthurme die Abend-
glocke. Wehmuͤthig zitterten ſanfte Klaͤnge auf lauem
Winde getragen uͤber das bemooste Strohdach und
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/22>, abgerufen am 09.11.2024.
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