alte Bekannte, die zu beiderseitiger Erholung eine kleine Lustreise unternähmen.
Noch ein Sprung über diesen Graben -- Hopp! -- und wir sind auf der großen Landstraße!
Der Nebel hatte schon längst aufgehört, ein gebil- deter anständiger Nebel zu sein; er war übergegangen in das, was man hier und da: "Bauernnebel" nennt; das heißt: er lösete sich in geraden, gutge- wachsenen Regen auf, der wie Bindfaden herabströmte. Anton und Koko wurden sehr naß. Die Landstraße blieb auch nicht trocken. Sie zeigte sich als alte, viel- erprobte, reicherfahrene, tiefausgefahrene Landstraße früherer Zeiten: nachgiebig, weich, anhänglich; stets darauf bedacht, daß jeder, so auf ihr in fremde Lande pilgerte, ein gutes Stück Vaterland, zum Andenken an die Heimath, mit den Stiefeln davon trage. Anton keuchte schon an der zwiefachen Last, die von unten an ihm zog und von oben auf ihn drückte.
Wo führt wohl so recht eigentlich diese Straße hin, guter Freund? fragte er einen ihm begegnenden Fuhrmann, der in etliche dicke Pferdedecken einge- schlagen, wie sein eigenes Denkmal auf einem Pech- Fasse klebte.
alte Bekannte, die zu beiderſeitiger Erholung eine kleine Luſtreiſe unternaͤhmen.
Noch ein Sprung uͤber dieſen Graben — Hopp! — und wir ſind auf der großen Landſtraße!
Der Nebel hatte ſchon laͤngſt aufgehoͤrt, ein gebil- deter anſtaͤndiger Nebel zu ſein; er war uͤbergegangen in das, was man hier und da: „Bauernnebel“ nennt; das heißt: er loͤſete ſich in geraden, gutge- wachſenen Regen auf, der wie Bindfaden herabſtroͤmte. Anton und Koko wurden ſehr naß. Die Landſtraße blieb auch nicht trocken. Sie zeigte ſich als alte, viel- erprobte, reicherfahrene, tiefausgefahrene Landſtraße fruͤherer Zeiten: nachgiebig, weich, anhaͤnglich; ſtets darauf bedacht, daß jeder, ſo auf ihr in fremde Lande pilgerte, ein gutes Stuͤck Vaterland, zum Andenken an die Heimath, mit den Stiefeln davon trage. Anton keuchte ſchon an der zwiefachen Laſt, die von unten an ihm zog und von oben auf ihn druͤckte.
Wo fuͤhrt wohl ſo recht eigentlich dieſe Straße hin, guter Freund? fragte er einen ihm begegnenden Fuhrmann, der in etliche dicke Pferdedecken einge- ſchlagen, wie ſein eigenes Denkmal auf einem Pech- Faſſe klebte.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0248"n="232"/>
alte Bekannte, die zu beiderſeitiger Erholung eine<lb/>
kleine Luſtreiſe unternaͤhmen.</p><lb/><p>Noch ein Sprung uͤber dieſen Graben — Hopp!<lb/>— und wir ſind auf der großen Landſtraße!</p><lb/><p>Der Nebel hatte ſchon laͤngſt aufgehoͤrt, ein gebil-<lb/>
deter anſtaͤndiger Nebel zu ſein; er war uͤbergegangen<lb/>
in das, was man hier und da: „Bauernnebel“<lb/>
nennt; das heißt: er loͤſete ſich in geraden, gutge-<lb/>
wachſenen Regen auf, der wie Bindfaden herabſtroͤmte.<lb/>
Anton und Koko wurden ſehr naß. Die Landſtraße<lb/>
blieb auch nicht trocken. Sie zeigte ſich als alte, viel-<lb/>
erprobte, reicherfahrene, tiefausgefahrene Landſtraße<lb/>
fruͤherer Zeiten: nachgiebig, weich, anhaͤnglich; ſtets<lb/>
darauf bedacht, daß jeder, ſo auf ihr in fremde Lande<lb/>
pilgerte, ein gutes Stuͤck Vaterland, zum Andenken<lb/>
an die Heimath, mit den Stiefeln davon trage. Anton<lb/>
keuchte ſchon an der zwiefachen Laſt, die von unten<lb/>
an ihm zog und von oben auf ihn druͤckte.</p><lb/><p>Wo fuͤhrt wohl ſo recht eigentlich dieſe Straße<lb/>
hin, guter Freund? fragte er einen ihm begegnenden<lb/>
Fuhrmann, der in etliche dicke Pferdedecken einge-<lb/>ſchlagen, wie ſein eigenes Denkmal auf einem Pech-<lb/>
Faſſe klebte.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[232/0248]
alte Bekannte, die zu beiderſeitiger Erholung eine
kleine Luſtreiſe unternaͤhmen.
Noch ein Sprung uͤber dieſen Graben — Hopp!
— und wir ſind auf der großen Landſtraße!
Der Nebel hatte ſchon laͤngſt aufgehoͤrt, ein gebil-
deter anſtaͤndiger Nebel zu ſein; er war uͤbergegangen
in das, was man hier und da: „Bauernnebel“
nennt; das heißt: er loͤſete ſich in geraden, gutge-
wachſenen Regen auf, der wie Bindfaden herabſtroͤmte.
Anton und Koko wurden ſehr naß. Die Landſtraße
blieb auch nicht trocken. Sie zeigte ſich als alte, viel-
erprobte, reicherfahrene, tiefausgefahrene Landſtraße
fruͤherer Zeiten: nachgiebig, weich, anhaͤnglich; ſtets
darauf bedacht, daß jeder, ſo auf ihr in fremde Lande
pilgerte, ein gutes Stuͤck Vaterland, zum Andenken
an die Heimath, mit den Stiefeln davon trage. Anton
keuchte ſchon an der zwiefachen Laſt, die von unten
an ihm zog und von oben auf ihn druͤckte.
Wo fuͤhrt wohl ſo recht eigentlich dieſe Straße
hin, guter Freund? fragte er einen ihm begegnenden
Fuhrmann, der in etliche dicke Pferdedecken einge-
ſchlagen, wie ſein eigenes Denkmal auf einem Pech-
Faſſe klebte.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/248>, abgerufen am 09.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.