Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

ganze Schwadron am andern Arme zöge! Der Vater
war zu Biere gegangen. Jch hatte sie allein, nahm
sie heftig in's Gebet. Doch sie hielt sich standhaft;
sie leugnete mit Festigkeit, -- und ich ließ mich täu-
schen. Ließ mich täuschen, weil ich bei der schärfsten
Aufmerksamkeit, von diesem Abend an zu rechnen,
nichts mehr wahrnehmen konnte, was meinen Arg-
wohn erneuert hätte. Jm Herbst war ich vollkommen
beruhiget; um so mehr, weil die Husaren schon wieder
in andere Garnison gerückt waren. So, daß ich mich
entschloß, wieder einmal die Neudorfer Muhme heim-
zusuchen; ich hatte das nicht gethan, seitdem mir der
Weg über die Brücke durch den Kornet im Bildhauer-
häuschen verdorben ward. Nun denke Dir meine
Verwunderung, Anton, wie ich nach dem Häuschen
suche und forsche und find' es nicht mehr? sondern
an seiner Statt entdeck' ich ein neues, größeres, von
Mauerziegeln fest errichtet, mit Schieferplatten einge-
deckt; das war über Sommer emporgewachsen. Und
wo hatte der hungrige Bildhauer das Geld dazu her-
genommen? Du meinst, dies wär' seine Sache gewesen
und hätt' ich nichts danach zu fragen gehabt. Ge-
wissermaßen wohl. Doch aber meldete sich in meinem
Herzen eine drohende Stimme, die mir den Besuch

ganze Schwadron am andern Arme zoͤge! Der Vater
war zu Biere gegangen. Jch hatte ſie allein, nahm
ſie heftig in’s Gebet. Doch ſie hielt ſich ſtandhaft;
ſie leugnete mit Feſtigkeit, — und ich ließ mich taͤu-
ſchen. Ließ mich taͤuſchen, weil ich bei der ſchaͤrfſten
Aufmerkſamkeit, von dieſem Abend an zu rechnen,
nichts mehr wahrnehmen konnte, was meinen Arg-
wohn erneuert haͤtte. Jm Herbſt war ich vollkommen
beruhiget; um ſo mehr, weil die Huſaren ſchon wieder
in andere Garniſon geruͤckt waren. So, daß ich mich
entſchloß, wieder einmal die Neudorfer Muhme heim-
zuſuchen; ich hatte das nicht gethan, ſeitdem mir der
Weg uͤber die Bruͤcke durch den Kornet im Bildhauer-
haͤuschen verdorben ward. Nun denke Dir meine
Verwunderung, Anton, wie ich nach dem Haͤuschen
ſuche und forſche und find’ es nicht mehr? ſondern
an ſeiner Statt entdeck’ ich ein neues, groͤßeres, von
Mauerziegeln feſt errichtet, mit Schieferplatten einge-
deckt; das war uͤber Sommer emporgewachſen. Und
wo hatte der hungrige Bildhauer das Geld dazu her-
genommen? Du meinſt, dies waͤr’ ſeine Sache geweſen
und haͤtt’ ich nichts danach zu fragen gehabt. Ge-
wiſſermaßen wohl. Doch aber meldete ſich in meinem
Herzen eine drohende Stimme, die mir den Beſuch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0031" n="15"/>
ganze Schwadron am andern Arme zo&#x0364;ge! Der Vater<lb/>
war zu Biere gegangen. Jch hatte &#x017F;ie allein, nahm<lb/>
&#x017F;ie heftig in&#x2019;s Gebet. Doch &#x017F;ie hielt &#x017F;ich &#x017F;tandhaft;<lb/>
&#x017F;ie leugnete mit Fe&#x017F;tigkeit, &#x2014; und ich ließ mich ta&#x0364;u-<lb/>
&#x017F;chen. Ließ mich ta&#x0364;u&#x017F;chen, weil ich bei der &#x017F;cha&#x0364;rf&#x017F;ten<lb/>
Aufmerk&#x017F;amkeit, von die&#x017F;em Abend an zu rechnen,<lb/>
nichts mehr wahrnehmen konnte, was meinen Arg-<lb/>
wohn erneuert ha&#x0364;tte. Jm Herb&#x017F;t war ich vollkommen<lb/>
beruhiget; um &#x017F;o mehr, weil die Hu&#x017F;aren &#x017F;chon wieder<lb/>
in andere Garni&#x017F;on geru&#x0364;ckt waren. So, daß ich mich<lb/>
ent&#x017F;chloß, wieder einmal die Neudorfer Muhme heim-<lb/>
zu&#x017F;uchen; ich hatte das nicht gethan, &#x017F;eitdem mir der<lb/>
Weg u&#x0364;ber die Bru&#x0364;cke durch den Kornet im Bildhauer-<lb/>
ha&#x0364;uschen verdorben ward. Nun denke Dir meine<lb/>
Verwunderung, Anton, wie ich nach dem Ha&#x0364;uschen<lb/>
&#x017F;uche und for&#x017F;che und find&#x2019; es nicht mehr? &#x017F;ondern<lb/>
an &#x017F;einer Statt entdeck&#x2019; ich ein neues, gro&#x0364;ßeres, von<lb/>
Mauerziegeln fe&#x017F;t errichtet, mit Schieferplatten einge-<lb/>
deckt; das war u&#x0364;ber Sommer emporgewach&#x017F;en. Und<lb/>
wo hatte der hungrige Bildhauer das Geld dazu her-<lb/>
genommen? Du mein&#x017F;t, dies wa&#x0364;r&#x2019; &#x017F;eine Sache gewe&#x017F;en<lb/>
und ha&#x0364;tt&#x2019; ich nichts danach zu fragen gehabt. Ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;ermaßen wohl. Doch aber meldete &#x017F;ich in meinem<lb/>
Herzen eine drohende Stimme, die mir den Be&#x017F;uch<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0031] ganze Schwadron am andern Arme zoͤge! Der Vater war zu Biere gegangen. Jch hatte ſie allein, nahm ſie heftig in’s Gebet. Doch ſie hielt ſich ſtandhaft; ſie leugnete mit Feſtigkeit, — und ich ließ mich taͤu- ſchen. Ließ mich taͤuſchen, weil ich bei der ſchaͤrfſten Aufmerkſamkeit, von dieſem Abend an zu rechnen, nichts mehr wahrnehmen konnte, was meinen Arg- wohn erneuert haͤtte. Jm Herbſt war ich vollkommen beruhiget; um ſo mehr, weil die Huſaren ſchon wieder in andere Garniſon geruͤckt waren. So, daß ich mich entſchloß, wieder einmal die Neudorfer Muhme heim- zuſuchen; ich hatte das nicht gethan, ſeitdem mir der Weg uͤber die Bruͤcke durch den Kornet im Bildhauer- haͤuschen verdorben ward. Nun denke Dir meine Verwunderung, Anton, wie ich nach dem Haͤuschen ſuche und forſche und find’ es nicht mehr? ſondern an ſeiner Statt entdeck’ ich ein neues, groͤßeres, von Mauerziegeln feſt errichtet, mit Schieferplatten einge- deckt; das war uͤber Sommer emporgewachſen. Und wo hatte der hungrige Bildhauer das Geld dazu her- genommen? Du meinſt, dies waͤr’ ſeine Sache geweſen und haͤtt’ ich nichts danach zu fragen gehabt. Ge- wiſſermaßen wohl. Doch aber meldete ſich in meinem Herzen eine drohende Stimme, die mir den Beſuch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/31
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/31>, abgerufen am 21.11.2024.