Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

eine weichere Stimmung über ihn kommt, wieder-
holt er:

"Denn so hat sie aus des Waldes Nacht,"
"Einen Bären, ungeleckt und ungezogen,"
"Unter ihren Beschluß herein betrogen,"
"Unter die zahme Kompagnie gebracht,"
"Und mit den andern zahm gemacht:"
"Bis auf einen gewissen Punkt, versteht sich!"
"Wie schön und ach! wie gut"
"Schien sie zu sein. Jch hätte mein Blut"
"Gegeben, um ihre Blumen zu begießen!" --

Und dann fühlt er sich versucht, den indischen Bären
herauszulassen aus seinem Käfig, an dessen Statt
sich hinein zu begeben. Plötzlich aber ruft er sich den
Schluß des Gedichtes wieder in's Gedächtniß und
spricht mit Göthe:

-- "Götter, ist's in euren Händen"
"Dieses dumpfe Zauberwerk zu enden,"
"Wie dank' ich, wenn ihr mir die Freiheit schafft!"
"Doch sendet ihr mir keine Hülfe nieder, --"
"Nicht ganz umsonst reck' ich so meine Glieder:"
"Jch fühl's! Jch schwör's! Noch hab' ich Kraft."

Wie er es aber auch sprechen, durchdenken, durchfüh-
len, drehen und wenden mochte, fruchtlos blieb doch
jede seiner Bemühungen, die eigenthümliche Poesie
in's Französische zu übertragen, um etwa den Jnhalt

eine weichere Stimmung uͤber ihn kommt, wieder-
holt er:

„Denn ſo hat ſie aus des Waldes Nacht,“
„Einen Bären, ungeleckt und ungezogen,“
„Unter ihren Beſchluß herein betrogen,“
„Unter die zahme Kompagnie gebracht,“
„Und mit den andern zahm gemacht:“
„Bis auf einen gewiſſen Punkt, verſteht ſich!“
„Wie ſchön und ach! wie gut“
„Schien ſie zu ſein. Jch hätte mein Blut“
„Gegeben, um ihre Blumen zu begießen!“ —

Und dann fuͤhlt er ſich verſucht, den indiſchen Baͤren
herauszulaſſen aus ſeinem Kaͤfig, an deſſen Statt
ſich hinein zu begeben. Ploͤtzlich aber ruft er ſich den
Schluß des Gedichtes wieder in’s Gedaͤchtniß und
ſpricht mit Goͤthe:

— „Götter, iſt’s in euren Händen“
„Dieſes dumpfe Zauberwerk zu enden,“
„Wie dank’ ich, wenn ihr mir die Freiheit ſchafft!“
„Doch ſendet ihr mir keine Hülfe nieder, —“
„Nicht ganz umſonſt reck’ ich ſo meine Glieder:“
„Jch fühl’s! Jch ſchwör’s! Noch hab’ ich Kraft.“

Wie er es aber auch ſprechen, durchdenken, durchfuͤh-
len, drehen und wenden mochte, fruchtlos blieb doch
jede ſeiner Bemuͤhungen, die eigenthuͤmliche Poeſie
in’s Franzoͤſiſche zu uͤbertragen, um etwa den Jnhalt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0314" n="298"/>
eine weichere Stimmung u&#x0364;ber ihn kommt, wieder-<lb/>
holt er:</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>&#x201E;Denn &#x017F;o hat &#x017F;ie aus des Waldes Nacht,&#x201C;</l><lb/>
          <l>&#x201E;Einen Bären, ungeleckt und ungezogen,&#x201C;</l><lb/>
          <l>&#x201E;Unter ihren Be&#x017F;chluß herein betrogen,&#x201C;</l><lb/>
          <l>&#x201E;Unter die zahme Kompagnie gebracht,&#x201C;</l><lb/>
          <l>&#x201E;Und mit den andern zahm gemacht:&#x201C;</l><lb/>
          <l>&#x201E;Bis auf einen gewi&#x017F;&#x017F;en Punkt, ver&#x017F;teht &#x017F;ich!&#x201C;</l><lb/>
          <l>&#x201E;Wie &#x017F;chön und ach! wie gut&#x201C;</l><lb/>
          <l>&#x201E;Schien &#x017F;ie zu &#x017F;ein. Jch hätte mein Blut&#x201C;</l><lb/>
          <l>&#x201E;Gegeben, um ihre Blumen zu begießen!&#x201C; &#x2014;</l>
        </lg><lb/>
        <p>Und dann fu&#x0364;hlt er &#x017F;ich ver&#x017F;ucht, den indi&#x017F;chen Ba&#x0364;ren<lb/>
herauszula&#x017F;&#x017F;en aus &#x017F;einem Ka&#x0364;fig, an de&#x017F;&#x017F;en Statt<lb/>
&#x017F;ich hinein zu begeben. Plo&#x0364;tzlich aber ruft er &#x017F;ich den<lb/>
Schluß des Gedichtes wieder in&#x2019;s Geda&#x0364;chtniß und<lb/>
&#x017F;pricht mit Go&#x0364;the:</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>&#x2014; &#x201E;Götter, i&#x017F;t&#x2019;s in euren Händen&#x201C;</l><lb/>
          <l>&#x201E;Die&#x017F;es dumpfe Zauberwerk zu enden,&#x201C;</l><lb/>
          <l>&#x201E;Wie dank&#x2019; ich, wenn ihr mir die Freiheit &#x017F;chafft!&#x201C;</l><lb/>
          <l>&#x201E;Doch &#x017F;endet ihr mir keine Hülfe nieder, &#x2014;&#x201C;</l><lb/>
          <l>&#x201E;Nicht ganz um&#x017F;on&#x017F;t reck&#x2019; ich &#x017F;o meine Glieder:&#x201C;</l><lb/>
          <l>&#x201E;Jch fühl&#x2019;s! Jch &#x017F;chwör&#x2019;s! Noch hab&#x2019; ich Kraft.&#x201C;</l>
        </lg><lb/>
        <p>Wie er es aber auch &#x017F;prechen, durchdenken, durchfu&#x0364;h-<lb/>
len, drehen und wenden mochte, fruchtlos blieb doch<lb/>
jede &#x017F;einer Bemu&#x0364;hungen, die eigenthu&#x0364;mliche Poe&#x017F;ie<lb/>
in&#x2019;s Franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che zu u&#x0364;bertragen, um etwa den Jnhalt<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[298/0314] eine weichere Stimmung uͤber ihn kommt, wieder- holt er: „Denn ſo hat ſie aus des Waldes Nacht,“ „Einen Bären, ungeleckt und ungezogen,“ „Unter ihren Beſchluß herein betrogen,“ „Unter die zahme Kompagnie gebracht,“ „Und mit den andern zahm gemacht:“ „Bis auf einen gewiſſen Punkt, verſteht ſich!“ „Wie ſchön und ach! wie gut“ „Schien ſie zu ſein. Jch hätte mein Blut“ „Gegeben, um ihre Blumen zu begießen!“ — Und dann fuͤhlt er ſich verſucht, den indiſchen Baͤren herauszulaſſen aus ſeinem Kaͤfig, an deſſen Statt ſich hinein zu begeben. Ploͤtzlich aber ruft er ſich den Schluß des Gedichtes wieder in’s Gedaͤchtniß und ſpricht mit Goͤthe: — „Götter, iſt’s in euren Händen“ „Dieſes dumpfe Zauberwerk zu enden,“ „Wie dank’ ich, wenn ihr mir die Freiheit ſchafft!“ „Doch ſendet ihr mir keine Hülfe nieder, —“ „Nicht ganz umſonſt reck’ ich ſo meine Glieder:“ „Jch fühl’s! Jch ſchwör’s! Noch hab’ ich Kraft.“ Wie er es aber auch ſprechen, durchdenken, durchfuͤh- len, drehen und wenden mochte, fruchtlos blieb doch jede ſeiner Bemuͤhungen, die eigenthuͤmliche Poeſie in’s Franzoͤſiſche zu uͤbertragen, um etwa den Jnhalt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/314
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/314>, abgerufen am 24.11.2024.