sie ihm sterbend verziehen. Jch will es lebend. Jch will ihm verzeihen -- und todt sein für ihn. Nein, er soll nicht dort oben hängen, an dem schönen alten Baum!
Während Anton diese versöhnenden Worte dem Walde kund gab, erblickte er auf einem Ast der mäch- tigen Eiche, dicht an einer spaltigen Oeffnung des Stammes, mehrere wilde Turteltauben, die da drin'n nisteten. Es schienen die Eltern und ein paar Junge zu sein. Eins der letzteren war offenbar der Liebling der Alten, denn es empfing volle Nahrung von bei- den, während das andere, sobald es sich nähern wollte, unsanft zurückgestoßen wurde und sogar Bisse von den Schnäbeln ihres Vaters und ihrer Mutter erhielt. Einer dieser Stöße war zu stark für das kleine Thier; es wankte, verlor den Halt, und noch nicht völlig flügge, fiel es, -- ohne sich Schaden zu thun, -- halb schwebend vor Antons Füße.
Der Eindruck, den dies einfache Ereigniß auf unsern Helden hervorbrachte, ist nicht zu beschreiben. Er gab sich ihm kindlich hin. Sorgsam ergriff er die kleine Ausgestoßene, bedeckte sie mit Küssen und Thränen, verhieß ihr freundliche Pflege. Seine Lieb- kosungen thaten ihr wohl: sie ruhte friedlich in seinen Händen.
ſie ihm ſterbend verziehen. Jch will es lebend. Jch will ihm verzeihen — und todt ſein fuͤr ihn. Nein, er ſoll nicht dort oben haͤngen, an dem ſchoͤnen alten Baum!
Waͤhrend Anton dieſe verſoͤhnenden Worte dem Walde kund gab, erblickte er auf einem Aſt der maͤch- tigen Eiche, dicht an einer ſpaltigen Oeffnung des Stammes, mehrere wilde Turteltauben, die da drin’n niſteten. Es ſchienen die Eltern und ein paar Junge zu ſein. Eins der letzteren war offenbar der Liebling der Alten, denn es empfing volle Nahrung von bei- den, waͤhrend das andere, ſobald es ſich naͤhern wollte, unſanft zuruͤckgeſtoßen wurde und ſogar Biſſe von den Schnaͤbeln ihres Vaters und ihrer Mutter erhielt. Einer dieſer Stoͤße war zu ſtark fuͤr das kleine Thier; es wankte, verlor den Halt, und noch nicht voͤllig fluͤgge, fiel es, — ohne ſich Schaden zu thun, — halb ſchwebend vor Antons Fuͤße.
Der Eindruck, den dies einfache Ereigniß auf unſern Helden hervorbrachte, iſt nicht zu beſchreiben. Er gab ſich ihm kindlich hin. Sorgſam ergriff er die kleine Ausgeſtoßene, bedeckte ſie mit Kuͤſſen und Thraͤnen, verhieß ihr freundliche Pflege. Seine Lieb- koſungen thaten ihr wohl: ſie ruhte friedlich in ſeinen Haͤnden.
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ſie ihm ſterbend verziehen. Jch will es lebend. Jch will
ihm verzeihen — und todt ſein fuͤr ihn. Nein, er ſoll
nicht dort oben haͤngen, an dem ſchoͤnen alten Baum!
Waͤhrend Anton dieſe verſoͤhnenden Worte dem
Walde kund gab, erblickte er auf einem Aſt der maͤch-
tigen Eiche, dicht an einer ſpaltigen Oeffnung des
Stammes, mehrere wilde Turteltauben, die da drin’n
niſteten. Es ſchienen die Eltern und ein paar Junge
zu ſein. Eins der letzteren war offenbar der Liebling
der Alten, denn es empfing volle Nahrung von bei-
den, waͤhrend das andere, ſobald es ſich naͤhern wollte,
unſanft zuruͤckgeſtoßen wurde und ſogar Biſſe von
den Schnaͤbeln ihres Vaters und ihrer Mutter erhielt.
Einer dieſer Stoͤße war zu ſtark fuͤr das kleine Thier;
es wankte, verlor den Halt, und noch nicht voͤllig
fluͤgge, fiel es, — ohne ſich Schaden zu thun, — halb
ſchwebend vor Antons Fuͤße.
Der Eindruck, den dies einfache Ereigniß auf
unſern Helden hervorbrachte, iſt nicht zu beſchreiben.
Er gab ſich ihm kindlich hin. Sorgſam ergriff er die
kleine Ausgeſtoßene, bedeckte ſie mit Kuͤſſen und
Thraͤnen, verhieß ihr freundliche Pflege. Seine Lieb-
koſungen thaten ihr wohl: ſie ruhte friedlich in ſeinen
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/58>, abgerufen am 21.11.2024.
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