Onkel Nasus kühlstem Kellerloch; spüle die jungfräu- lich-verzagte Schüchternheit hinab; ergreife den Bo- gen und lass' mich erfahren, ob Dein Auge lügt!
Zum Erstenmal in seinem jungen Leben trank Anton Wein. Der edle Saft aus jenem gottgesegne- ten Lande durchdrang ihn mit rascher Glut. Ehe noch eine Minute vergangen, zog ein Feuerstrom durch seine Adern. Muthig ergriff er nun Carino's Violine und spielte frei, ohne Zagen, die alte schlichte Weise, die wir tausendmal vernahmen, ohne darauf zu achten, die uns aber entzücken würde, wenn wir sie als aus- ländisches Volkslied durch eine fremde Sängerin ken- nen gelernt hätten? ich meine die überall verbreitete Melodie voll tiefer Jnnigkeit und Wehmuth:
"Es ritten drei Reiter zum Thore hinaus" mit ihrem klagenden, wie drei Abschiedseufzer verhallen- dem:
"Ade! Ade! Ade!"
Dreimal geigte er das Lied, ohne irgend eine Va- riation, nur jedesmal trauriger, ging zuletzt in's Moll über und brach ab, ohne rechten musikalischen Schluß.
Die Anwesenden, obwohl erstaunt, weil sie ähn- liche Töne von Antons Fiedelbogen nie gehört, wag- ten doch nicht, sich zu äußern; gleich den Bewohnern
5 *
Onkel Naſus kuͤhlſtem Kellerloch; ſpuͤle die jungfraͤu- lich-verzagte Schuͤchternheit hinab; ergreife den Bo- gen und laſſ’ mich erfahren, ob Dein Auge luͤgt!
Zum Erſtenmal in ſeinem jungen Leben trank Anton Wein. Der edle Saft aus jenem gottgeſegne- ten Lande durchdrang ihn mit raſcher Glut. Ehe noch eine Minute vergangen, zog ein Feuerſtrom durch ſeine Adern. Muthig ergriff er nun Carino’s Violine und ſpielte frei, ohne Zagen, die alte ſchlichte Weiſe, die wir tauſendmal vernahmen, ohne darauf zu achten, die uns aber entzuͤcken wuͤrde, wenn wir ſie als aus- laͤndiſches Volkslied durch eine fremde Saͤngerin ken- nen gelernt haͤtten? ich meine die uͤberall verbreitete Melodie voll tiefer Jnnigkeit und Wehmuth:
„Es ritten drei Reiter zum Thore hinaus“ mit ihrem klagenden, wie drei Abſchiedſeufzer verhallen- dem:
„Ade! Ade! Ade!“
Dreimal geigte er das Lied, ohne irgend eine Va- riation, nur jedesmal trauriger, ging zuletzt in’s Moll uͤber und brach ab, ohne rechten muſikaliſchen Schluß.
Die Anweſenden, obwohl erſtaunt, weil ſie aͤhn- liche Toͤne von Antons Fiedelbogen nie gehoͤrt, wag- ten doch nicht, ſich zu aͤußern; gleich den Bewohnern
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Onkel Naſus kuͤhlſtem Kellerloch; ſpuͤle die jungfraͤu-
lich-verzagte Schuͤchternheit hinab; ergreife den Bo-
gen und laſſ’ mich erfahren, ob Dein Auge luͤgt!
Zum Erſtenmal in ſeinem jungen Leben trank
Anton Wein. Der edle Saft aus jenem gottgeſegne-
ten Lande durchdrang ihn mit raſcher Glut. Ehe noch
eine Minute vergangen, zog ein Feuerſtrom durch
ſeine Adern. Muthig ergriff er nun Carino’s Violine
und ſpielte frei, ohne Zagen, die alte ſchlichte Weiſe,
die wir tauſendmal vernahmen, ohne darauf zu achten,
die uns aber entzuͤcken wuͤrde, wenn wir ſie als aus-
laͤndiſches Volkslied durch eine fremde Saͤngerin ken-
nen gelernt haͤtten? ich meine die uͤberall verbreitete
Melodie voll tiefer Jnnigkeit und Wehmuth:
„Es ritten drei Reiter zum Thore hinaus“ mit
ihrem klagenden, wie drei Abſchiedſeufzer verhallen-
dem:
„Ade! Ade! Ade!“
Dreimal geigte er das Lied, ohne irgend eine Va-
riation, nur jedesmal trauriger, ging zuletzt in’s Moll
uͤber und brach ab, ohne rechten muſikaliſchen Schluß.
Die Anweſenden, obwohl erſtaunt, weil ſie aͤhn-
liche Toͤne von Antons Fiedelbogen nie gehoͤrt, wag-
ten doch nicht, ſich zu aͤußern; gleich den Bewohnern
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/83>, abgerufen am 21.11.2024.
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