wen that ich es denn? Für wen goß ich Gift in diese kranke Brust? Für sie! Für ihr Entzücken! Und wie lohnen sie mir's? Säufer nennen sie mich! Wohin Du kommst wirst Du vernehmen, daß sie mich tadeln, daß sie mich anklagen, daß sie mich Trunkenbold schelten, Verschwender, Wüstling. Oh die Undank- baren! Die Dummen! Weil eine Stunde schlägt, welche zum Beginn des Schauspiels angesagt ist; weil sie versammelt sind auf ihren Sitzen, die lang- weiligen, gelangweilten Gesichter; weil sie ihr lum- piges Eintrittsgeld bezahlt haben; weil ich ihr Knecht bin, soll ich, sobald der Soufleur das Zeichen giebt ihr -- Gott weiß was? -- werden; ihr König Lear, ihr Schneider Fips, ihr Mephistopheles, ihr Gottlieb Koke, ihr armer Poet, je nachdem die Anschlagzettel es künden und sie ihre Karten gelöset. Und die Bestien begreifen nicht, daß eine Seele die solchem gewaltsamen Rufe zu gehorchen fähig ist; eine Seele, die sich so tief in den Zustand fremder Seelen zu ver- setzen vermag; daß diese Seele eine kranke werden, oder schon sein muß? Begreifen nicht, daß eine solche Seele den Körper der sie umgiebt, der für sie und mit ihr leidet, aufreiben muß? Die Bestien! Große Leidenschaften soll ich ihnen vorführen; ungeheure
wen that ich es denn? Fuͤr wen goß ich Gift in dieſe kranke Bruſt? Fuͤr ſie! Fuͤr ihr Entzuͤcken! Und wie lohnen ſie mir’s? Saͤufer nennen ſie mich! Wohin Du kommſt wirſt Du vernehmen, daß ſie mich tadeln, daß ſie mich anklagen, daß ſie mich Trunkenbold ſchelten, Verſchwender, Wuͤſtling. Oh die Undank- baren! Die Dummen! Weil eine Stunde ſchlaͤgt, welche zum Beginn des Schauſpiels angeſagt iſt; weil ſie verſammelt ſind auf ihren Sitzen, die lang- weiligen, gelangweilten Geſichter; weil ſie ihr lum- piges Eintrittsgeld bezahlt haben; weil ich ihr Knecht bin, ſoll ich, ſobald der Soufleur das Zeichen giebt ihr — Gott weiß was? — werden; ihr Koͤnig Lear, ihr Schneider Fips, ihr Mephiſtopheles, ihr Gottlieb Koke, ihr armer Poet, je nachdem die Anſchlagzettel es kuͤnden und ſie ihre Karten geloͤſet. Und die Beſtien begreifen nicht, daß eine Seele die ſolchem gewaltſamen Rufe zu gehorchen faͤhig iſt; eine Seele, die ſich ſo tief in den Zuſtand fremder Seelen zu ver- ſetzen vermag; daß dieſe Seele eine kranke werden, oder ſchon ſein muß? Begreifen nicht, daß eine ſolche Seele den Koͤrper der ſie umgiebt, der fuͤr ſie und mit ihr leidet, aufreiben muß? Die Beſtien! Große Leidenſchaften ſoll ich ihnen vorfuͤhren; ungeheure
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wen that ich es denn? Fuͤr wen goß ich Gift in dieſe
kranke Bruſt? Fuͤr ſie! Fuͤr ihr Entzuͤcken! Und wie
lohnen ſie mir’s? Saͤufer nennen ſie mich! Wohin
Du kommſt wirſt Du vernehmen, daß ſie mich tadeln,
daß ſie mich anklagen, daß ſie mich Trunkenbold
ſchelten, Verſchwender, Wuͤſtling. Oh die Undank-
baren! Die Dummen! Weil eine Stunde ſchlaͤgt,
welche zum Beginn des Schauſpiels angeſagt iſt;
weil ſie verſammelt ſind auf ihren Sitzen, die lang-
weiligen, gelangweilten Geſichter; weil ſie ihr lum-
piges Eintrittsgeld bezahlt haben; weil ich ihr Knecht
bin, ſoll ich, ſobald der Soufleur das Zeichen giebt
ihr — Gott weiß was? — werden; ihr Koͤnig Lear,
ihr Schneider Fips, ihr Mephiſtopheles, ihr Gottlieb
Koke, ihr armer Poet, je nachdem die Anſchlagzettel
es kuͤnden und ſie ihre Karten geloͤſet. Und die
Beſtien begreifen nicht, daß eine Seele die ſolchem
gewaltſamen Rufe zu gehorchen faͤhig iſt; eine Seele,
die ſich ſo tief in den Zuſtand fremder Seelen zu ver-
ſetzen vermag; daß dieſe Seele eine kranke werden,
oder ſchon ſein muß? Begreifen nicht, daß eine ſolche
Seele den Koͤrper der ſie umgiebt, der fuͤr ſie und mit
ihr leidet, aufreiben muß? Die Beſtien! Große
Leidenſchaften ſoll ich ihnen vorfuͤhren; ungeheure
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/113>, abgerufen am 09.11.2024.
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