ich Weib und Kind verlor, -- sendete mir einen Unterhändler, den Ankauf der Leichen zu betreiben. Jch schlug meine Seelige zu billig los; keine Frage, um hundert Prozent zu wohlfeil: eine so tugendhafte Gattin, keinen Arm am Leibe und tausend Gulden! -- Verschleudert, offenbar verschleudert! Doch darü- ber darf ich nachträglich nicht jammern, denn, frei zu reden, unter uns: was hätte sie mir genützt? Als Leiche? Jch hätte sie begraben müssen; darin lag kein Reiz, weder für sie, noch für mich. Also, das wäre zu verschmerzen. Aber unsern Sohn! Unsern lieben, kleinen, hoffnungsvollen, eigensinnigen Sohn; ein Kind von solch' enormen Anlagen! Jch bitte Sie, sagen nicht eitle Väter, die ihre alle-Tags-Bälge von Kindern preisen wollen: mein Kind hat Kopf!? Nun frag' ich. Wie viel Kopf hat denn euer Wurm, wenn es hoch kommt? Einen! Einen einzigen! Mein Kind hatte deren zwei! Und ich gab es -- Räuber an mir selbst, der ich war! -- gab es für fünfhundert Dukaten fort. War ich ein Räuber an mir selbst? Sagen Sie!"
Anton hatte die größte Mühe ernsthaft zu bleiben; würde auch, trotz aller Mühe ein lautes Lachen aus- gebrochen sein, hätte nicht ein gewisser Widerwille, den die Brutalität seines neuen Freundes in ihm
ich Weib und Kind verlor, — ſendete mir einen Unterhaͤndler, den Ankauf der Leichen zu betreiben. Jch ſchlug meine Seelige zu billig los; keine Frage, um hundert Prozent zu wohlfeil: eine ſo tugendhafte Gattin, keinen Arm am Leibe und tauſend Gulden! — Verſchleudert, offenbar verſchleudert! Doch daruͤ- ber darf ich nachtraͤglich nicht jammern, denn, frei zu reden, unter uns: was haͤtte ſie mir genuͤtzt? Als Leiche? Jch haͤtte ſie begraben muͤſſen; darin lag kein Reiz, weder fuͤr ſie, noch fuͤr mich. Alſo, das waͤre zu verſchmerzen. Aber unſern Sohn! Unſern lieben, kleinen, hoffnungsvollen, eigenſinnigen Sohn; ein Kind von ſolch’ enormen Anlagen! Jch bitte Sie, ſagen nicht eitle Vaͤter, die ihre alle-Tags-Baͤlge von Kindern preiſen wollen: mein Kind hat Kopf!? Nun frag’ ich. Wie viel Kopf hat denn euer Wurm, wenn es hoch kommt? Einen! Einen einzigen! Mein Kind hatte deren zwei! Und ich gab es — Raͤuber an mir ſelbſt, der ich war! — gab es fuͤr fuͤnfhundert Dukaten fort. War ich ein Raͤuber an mir ſelbſt? Sagen Sie!“
Anton hatte die groͤßte Muͤhe ernſthaft zu bleiben; wuͤrde auch, trotz aller Muͤhe ein lautes Lachen aus- gebrochen ſein, haͤtte nicht ein gewiſſer Widerwille, den die Brutalitaͤt ſeines neuen Freundes in ihm
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ich Weib und Kind verlor, — ſendete mir einen
Unterhaͤndler, den Ankauf der Leichen zu betreiben. Jch
ſchlug meine Seelige zu billig los; keine Frage, um
hundert Prozent zu wohlfeil: eine ſo tugendhafte
Gattin, keinen Arm am Leibe und tauſend Gulden!
— Verſchleudert, offenbar verſchleudert! Doch daruͤ-
ber darf ich nachtraͤglich nicht jammern, denn, frei zu
reden, unter uns: was haͤtte ſie mir genuͤtzt? Als
Leiche? Jch haͤtte ſie begraben muͤſſen; darin lag kein
Reiz, weder fuͤr ſie, noch fuͤr mich. Alſo, das waͤre
zu verſchmerzen. Aber unſern Sohn! Unſern lieben,
kleinen, hoffnungsvollen, eigenſinnigen Sohn; ein
Kind von ſolch’ enormen Anlagen! Jch bitte Sie,
ſagen nicht eitle Vaͤter, die ihre alle-Tags-Baͤlge
von Kindern preiſen wollen: mein Kind hat Kopf!?
Nun frag’ ich. Wie viel Kopf hat denn euer Wurm,
wenn es hoch kommt? Einen! Einen einzigen! Mein
Kind hatte deren zwei! Und ich gab es — Raͤuber an mir
ſelbſt, der ich war! — gab es fuͤr fuͤnfhundert Dukaten
fort. War ich ein Raͤuber an mir ſelbſt? Sagen Sie!“
Anton hatte die groͤßte Muͤhe ernſthaft zu bleiben;
wuͤrde auch, trotz aller Muͤhe ein lautes Lachen aus-
gebrochen ſein, haͤtte nicht ein gewiſſer Widerwille,
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/153>, abgerufen am 18.12.2024.
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