Und was die Erfahrung betrifft, die erwirbt man, wenn man sie nicht hat; nicht wahr mein Großvater? fügte Herr Joseph hinzu.
Besser ein kleiner Verlust im Anfange durch Unkunde, als übler Wille und Mißtrauen für immer, schloß der Urgroßvater.
Und Victor ergriff Anton's Kopf mit beiden Händen und bat flehentlich: bleiben Sie bei uns, mein schöner Freund; wir wollen Sie lieb haben, wir alle, jung und alt, ich und meine kleinen Schwe- stern.
Anton vergaß in diesem Augenblicke Paris, seinen Reisepaß, die Jartour, sich selbst. Ueberwältigt von dem, was er noch niemals gesehen: von dem Zauber einer Familie, floß des Armen empfängliches Gemüth in Wonne über; mit Freudethränen, deren er kaum Herr zu werden vermochte, stammelte er: Ach, ich würde zu glücklich sein!
"Ueber die pekuniairen Bedingungen," meinte das Haupt der Familie, "soll kein Zwiespalt entstehen. Jch denke, wir vereinigen uns, meine Kinder. Warum darf ich's nicht sagen, der junge Mensch gefällt mir sehr; sein Anblick thut meinen alten Augen wohl. Jch seh' ihm in's Gesicht, wie wenn er mein
Und was die Erfahrung betrifft, die erwirbt man, wenn man ſie nicht hat; nicht wahr mein Großvater? fuͤgte Herr Joſeph hinzu.
Beſſer ein kleiner Verluſt im Anfange durch Unkunde, als uͤbler Wille und Mißtrauen fuͤr immer, ſchloß der Urgroßvater.
Und Victor ergriff Anton’s Kopf mit beiden Haͤnden und bat flehentlich: bleiben Sie bei uns, mein ſchoͤner Freund; wir wollen Sie lieb haben, wir alle, jung und alt, ich und meine kleinen Schwe- ſtern.
Anton vergaß in dieſem Augenblicke Paris, ſeinen Reiſepaß, die Jartour, ſich ſelbſt. Ueberwaͤltigt von dem, was er noch niemals geſehen: von dem Zauber einer Familie, floß des Armen empfaͤngliches Gemuͤth in Wonne uͤber; mit Freudethraͤnen, deren er kaum Herr zu werden vermochte, ſtammelte er: Ach, ich wuͤrde zu gluͤcklich ſein!
„Ueber die pekuniairen Bedingungen,“ meinte das Haupt der Familie, „ſoll kein Zwieſpalt entſtehen. Jch denke, wir vereinigen uns, meine Kinder. Warum darf ich’s nicht ſagen, der junge Menſch gefaͤllt mir ſehr; ſein Anblick thut meinen alten Augen wohl. Jch ſeh’ ihm in’s Geſicht, wie wenn er mein
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Und was die Erfahrung betrifft, die erwirbt man,
wenn man ſie nicht hat; nicht wahr mein Großvater?
fuͤgte Herr Joſeph hinzu.
Beſſer ein kleiner Verluſt im Anfange durch
Unkunde, als uͤbler Wille und Mißtrauen fuͤr
immer, ſchloß der Urgroßvater.
Und Victor ergriff Anton’s Kopf mit beiden
Haͤnden und bat flehentlich: bleiben Sie bei uns,
mein ſchoͤner Freund; wir wollen Sie lieb haben,
wir alle, jung und alt, ich und meine kleinen Schwe-
ſtern.
Anton vergaß in dieſem Augenblicke Paris, ſeinen
Reiſepaß, die Jartour, ſich ſelbſt. Ueberwaͤltigt von
dem, was er noch niemals geſehen: von dem Zauber
einer Familie, floß des Armen empfaͤngliches Gemuͤth
in Wonne uͤber; mit Freudethraͤnen, deren er kaum
Herr zu werden vermochte, ſtammelte er: Ach, ich
wuͤrde zu gluͤcklich ſein!
„Ueber die pekuniairen Bedingungen,“ meinte
das Haupt der Familie, „ſoll kein Zwieſpalt entſtehen.
Jch denke, wir vereinigen uns, meine Kinder.
Warum darf ich’s nicht ſagen, der junge Menſch
gefaͤllt mir ſehr; ſein Anblick thut meinen alten Augen
wohl. Jch ſeh’ ihm in’s Geſicht, wie wenn er mein
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/189>, abgerufen am 21.11.2024.
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