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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

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Entschlüsse, deren er sich Herr gewähnt, als er vor
einigen Minuten dies Gespräch eröffnet, schon nicht
mehr sicher. Nein, er wankte. Die zunehmende
Dunkelheit des trüben Abend's; die Abgeschiedenheit
des Ortes; Käthchen's Schönheit; und mehr noch,
als Alles dies zusammen genommen, eine Regung
des Mitleidens für das reizende Weib, vermischt mit
einiger Befürchtung: in ihren Augen wie ein dummer
verzagter Junge zu erscheinen! Eitelkeit, Sinnen-
glut, Theilnahme .... braucht es mehr? Er schloß
die Zitternde in seine Arme .... Da vernahmen sie
draußen im Saal, den sie zugesperrt meinten, etwas
wie einen Fall zu Boden, das Geklirr einer Waffe!

"Mein Gemal," rief Käthchen.

Der Herr! sprach Anton und zog sich von ihr
zurück.

Sie jedoch umschlang ihn wieder, riß ihn gewalt-
sam an sich, zwang ihn mit unabweislicher Gewalt,
ihr zu folgen aus dem Neben-Gemach in den großen
Saal der Wachs-Figuren.

"Daß mein Schicksal sich jetzt entscheide, in
diesem Augenblicke!" sprach sie mit einer Festigkeit
und Ruhe, vor der Anton verstummte. Doch was
in seiner Seele vorging läßt sich nicht genugsam aus-

Entſchluͤſſe, deren er ſich Herr gewaͤhnt, als er vor
einigen Minuten dies Geſpraͤch eroͤffnet, ſchon nicht
mehr ſicher. Nein, er wankte. Die zunehmende
Dunkelheit des truͤben Abend’s; die Abgeſchiedenheit
des Ortes; Kaͤthchen’s Schoͤnheit; und mehr noch,
als Alles dies zuſammen genommen, eine Regung
des Mitleidens fuͤr das reizende Weib, vermiſcht mit
einiger Befuͤrchtung: in ihren Augen wie ein dummer
verzagter Junge zu erſcheinen! Eitelkeit, Sinnen-
glut, Theilnahme .... braucht es mehr? Er ſchloß
die Zitternde in ſeine Arme .... Da vernahmen ſie
draußen im Saal, den ſie zugeſperrt meinten, etwas
wie einen Fall zu Boden, das Geklirr einer Waffe!

„Mein Gemal,“ rief Kaͤthchen.

Der Herr! ſprach Anton und zog ſich von ihr
zuruͤck.

Sie jedoch umſchlang ihn wieder, riß ihn gewalt-
ſam an ſich, zwang ihn mit unabweislicher Gewalt,
ihr zu folgen aus dem Neben-Gemach in den großen
Saal der Wachs-Figuren.

„Daß mein Schickſal ſich jetzt entſcheide, in
dieſem Augenblicke!“ ſprach ſie mit einer Feſtigkeit
und Ruhe, vor der Anton verſtummte. Doch was
in ſeiner Seele vorging laͤßt ſich nicht genugſam aus-

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[254/0256] Entſchluͤſſe, deren er ſich Herr gewaͤhnt, als er vor einigen Minuten dies Geſpraͤch eroͤffnet, ſchon nicht mehr ſicher. Nein, er wankte. Die zunehmende Dunkelheit des truͤben Abend’s; die Abgeſchiedenheit des Ortes; Kaͤthchen’s Schoͤnheit; und mehr noch, als Alles dies zuſammen genommen, eine Regung des Mitleidens fuͤr das reizende Weib, vermiſcht mit einiger Befuͤrchtung: in ihren Augen wie ein dummer verzagter Junge zu erſcheinen! Eitelkeit, Sinnen- glut, Theilnahme .... braucht es mehr? Er ſchloß die Zitternde in ſeine Arme .... Da vernahmen ſie draußen im Saal, den ſie zugeſperrt meinten, etwas wie einen Fall zu Boden, das Geklirr einer Waffe! „Mein Gemal,“ rief Kaͤthchen. Der Herr! ſprach Anton und zog ſich von ihr zuruͤck. Sie jedoch umſchlang ihn wieder, riß ihn gewalt- ſam an ſich, zwang ihn mit unabweislicher Gewalt, ihr zu folgen aus dem Neben-Gemach in den großen Saal der Wachs-Figuren. „Daß mein Schickſal ſich jetzt entſcheide, in dieſem Augenblicke!“ ſprach ſie mit einer Feſtigkeit und Ruhe, vor der Anton verſtummte. Doch was in ſeiner Seele vorging laͤßt ſich nicht genugſam aus-

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/256>, abgerufen am 24.11.2024.