Entschlüsse, deren er sich Herr gewähnt, als er vor einigen Minuten dies Gespräch eröffnet, schon nicht mehr sicher. Nein, er wankte. Die zunehmende Dunkelheit des trüben Abend's; die Abgeschiedenheit des Ortes; Käthchen's Schönheit; und mehr noch, als Alles dies zusammen genommen, eine Regung des Mitleidens für das reizende Weib, vermischt mit einiger Befürchtung: in ihren Augen wie ein dummer verzagter Junge zu erscheinen! Eitelkeit, Sinnen- glut, Theilnahme .... braucht es mehr? Er schloß die Zitternde in seine Arme .... Da vernahmen sie draußen im Saal, den sie zugesperrt meinten, etwas wie einen Fall zu Boden, das Geklirr einer Waffe!
"Mein Gemal," rief Käthchen.
Der Herr! sprach Anton und zog sich von ihr zurück.
Sie jedoch umschlang ihn wieder, riß ihn gewalt- sam an sich, zwang ihn mit unabweislicher Gewalt, ihr zu folgen aus dem Neben-Gemach in den großen Saal der Wachs-Figuren.
"Daß mein Schicksal sich jetzt entscheide, in diesem Augenblicke!" sprach sie mit einer Festigkeit und Ruhe, vor der Anton verstummte. Doch was in seiner Seele vorging läßt sich nicht genugsam aus-
Entſchluͤſſe, deren er ſich Herr gewaͤhnt, als er vor einigen Minuten dies Geſpraͤch eroͤffnet, ſchon nicht mehr ſicher. Nein, er wankte. Die zunehmende Dunkelheit des truͤben Abend’s; die Abgeſchiedenheit des Ortes; Kaͤthchen’s Schoͤnheit; und mehr noch, als Alles dies zuſammen genommen, eine Regung des Mitleidens fuͤr das reizende Weib, vermiſcht mit einiger Befuͤrchtung: in ihren Augen wie ein dummer verzagter Junge zu erſcheinen! Eitelkeit, Sinnen- glut, Theilnahme .... braucht es mehr? Er ſchloß die Zitternde in ſeine Arme .... Da vernahmen ſie draußen im Saal, den ſie zugeſperrt meinten, etwas wie einen Fall zu Boden, das Geklirr einer Waffe!
„Mein Gemal,“ rief Kaͤthchen.
Der Herr! ſprach Anton und zog ſich von ihr zuruͤck.
Sie jedoch umſchlang ihn wieder, riß ihn gewalt- ſam an ſich, zwang ihn mit unabweislicher Gewalt, ihr zu folgen aus dem Neben-Gemach in den großen Saal der Wachs-Figuren.
„Daß mein Schickſal ſich jetzt entſcheide, in dieſem Augenblicke!“ ſprach ſie mit einer Feſtigkeit und Ruhe, vor der Anton verſtummte. Doch was in ſeiner Seele vorging laͤßt ſich nicht genugſam aus-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0256"n="254"/>
Entſchluͤſſe, deren er ſich Herr gewaͤhnt, als er vor<lb/>
einigen Minuten dies Geſpraͤch eroͤffnet, ſchon nicht<lb/>
mehr ſicher. Nein, er wankte. Die zunehmende<lb/>
Dunkelheit des truͤben Abend’s; die Abgeſchiedenheit<lb/>
des Ortes; Kaͤthchen’s Schoͤnheit; und mehr noch,<lb/>
als Alles dies zuſammen genommen, eine Regung<lb/>
des Mitleidens fuͤr das reizende Weib, vermiſcht mit<lb/>
einiger Befuͤrchtung: in ihren Augen wie ein dummer<lb/>
verzagter Junge zu erſcheinen! Eitelkeit, Sinnen-<lb/>
glut, Theilnahme .... braucht es mehr? Er ſchloß<lb/>
die Zitternde in ſeine Arme .... Da vernahmen ſie<lb/>
draußen im Saal, den ſie zugeſperrt meinten, etwas<lb/>
wie einen Fall zu Boden, das Geklirr einer Waffe!</p><lb/><p>„Mein Gemal,“ rief Kaͤthchen.</p><lb/><p>Der Herr! ſprach Anton und zog ſich von ihr<lb/>
zuruͤck.</p><lb/><p>Sie jedoch umſchlang ihn wieder, riß ihn gewalt-<lb/>ſam an ſich, zwang ihn mit unabweislicher Gewalt,<lb/>
ihr zu folgen aus dem Neben-Gemach in den großen<lb/>
Saal der Wachs-Figuren.</p><lb/><p>„Daß mein Schickſal ſich jetzt entſcheide, in<lb/>
dieſem Augenblicke!“ſprach ſie mit einer Feſtigkeit<lb/>
und Ruhe, vor der Anton verſtummte. Doch was<lb/>
in ſeiner Seele vorging laͤßt ſich nicht genugſam aus-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[254/0256]
Entſchluͤſſe, deren er ſich Herr gewaͤhnt, als er vor
einigen Minuten dies Geſpraͤch eroͤffnet, ſchon nicht
mehr ſicher. Nein, er wankte. Die zunehmende
Dunkelheit des truͤben Abend’s; die Abgeſchiedenheit
des Ortes; Kaͤthchen’s Schoͤnheit; und mehr noch,
als Alles dies zuſammen genommen, eine Regung
des Mitleidens fuͤr das reizende Weib, vermiſcht mit
einiger Befuͤrchtung: in ihren Augen wie ein dummer
verzagter Junge zu erſcheinen! Eitelkeit, Sinnen-
glut, Theilnahme .... braucht es mehr? Er ſchloß
die Zitternde in ſeine Arme .... Da vernahmen ſie
draußen im Saal, den ſie zugeſperrt meinten, etwas
wie einen Fall zu Boden, das Geklirr einer Waffe!
„Mein Gemal,“ rief Kaͤthchen.
Der Herr! ſprach Anton und zog ſich von ihr
zuruͤck.
Sie jedoch umſchlang ihn wieder, riß ihn gewalt-
ſam an ſich, zwang ihn mit unabweislicher Gewalt,
ihr zu folgen aus dem Neben-Gemach in den großen
Saal der Wachs-Figuren.
„Daß mein Schickſal ſich jetzt entſcheide, in
dieſem Augenblicke!“ ſprach ſie mit einer Feſtigkeit
und Ruhe, vor der Anton verſtummte. Doch was
in ſeiner Seele vorging laͤßt ſich nicht genugſam aus-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/256>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.