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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

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Talent, Charakter; um sich einem unbedeutenden
Burschen hinzuwerfen, welcher nichts zu geben,
nichts darzubieten hat, nicht einmal sein Herz: denn
es gehört einer Andern, die er sucht, nach der er sich
sehnt! Ja, liebes Käthchen, hätte ihr Schutzgeist
nicht gleichsam durch ein Wunder Sie gerettet, wie
bedauernswerth würden wir beide, wie verworfen
würde ich sein! Sie von mir betrogen, vernachlässiget,
aufgegeben, gemieden nach kurzem Rausch, in ver-
zweifeltem Erwachen; ... ich, mit dem Jammer
zwiefachen Verrathes in der Seele!

Benützen wir diese Gunst des Aufschubes, die
höhere Mächte uns gegönnt; gehorchen wir dem
Wink eines Zufalles, der kein Zufall ist; den wir zu
Gottes Warnungsstimme erheben sollen. Sie wollen
nicht ferner neben mir durch die Welt ziehen? Sie
haben Recht. Jch kann und darf nicht mit Jhnen
gehen. Deshalb will ich scheiden. An mir ist es,
durch meine Entfernung Alles auszugleichen. Ein
paar Zeilen, die ich Jhrem Gatten zurücklasse, mögen
meine rasche Abreise vor ihm entschuldigen und ihn
bitten, mir ein nachsichtsvolles Andenken zu gönnen,
wie ich ihm ewig dankbar bleiben will. Auch bedarf
es keiner Lügen. Jch bin wirklich voll Ungeduld,

Die Vagabunden. II. 17

Talent, Charakter; um ſich einem unbedeutenden
Burſchen hinzuwerfen, welcher nichts zu geben,
nichts darzubieten hat, nicht einmal ſein Herz: denn
es gehoͤrt einer Andern, die er ſucht, nach der er ſich
ſehnt! Ja, liebes Kaͤthchen, haͤtte ihr Schutzgeiſt
nicht gleichſam durch ein Wunder Sie gerettet, wie
bedauernswerth wuͤrden wir beide, wie verworfen
wuͤrde ich ſein! Sie von mir betrogen, vernachlaͤſſiget,
aufgegeben, gemieden nach kurzem Rauſch, in ver-
zweifeltem Erwachen; ... ich, mit dem Jammer
zwiefachen Verrathes in der Seele!

Benuͤtzen wir dieſe Gunſt des Aufſchubes, die
hoͤhere Maͤchte uns gegoͤnnt; gehorchen wir dem
Wink eines Zufalles, der kein Zufall iſt; den wir zu
Gottes Warnungsſtimme erheben ſollen. Sie wollen
nicht ferner neben mir durch die Welt ziehen? Sie
haben Recht. Jch kann und darf nicht mit Jhnen
gehen. Deshalb will ich ſcheiden. An mir iſt es,
durch meine Entfernung Alles auszugleichen. Ein
paar Zeilen, die ich Jhrem Gatten zuruͤcklaſſe, moͤgen
meine raſche Abreiſe vor ihm entſchuldigen und ihn
bitten, mir ein nachſichtsvolles Andenken zu goͤnnen,
wie ich ihm ewig dankbar bleiben will. Auch bedarf
es keiner Luͤgen. Jch bin wirklich voll Ungeduld,

Die Vagabunden. II. 17
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[257/0259] Talent, Charakter; um ſich einem unbedeutenden Burſchen hinzuwerfen, welcher nichts zu geben, nichts darzubieten hat, nicht einmal ſein Herz: denn es gehoͤrt einer Andern, die er ſucht, nach der er ſich ſehnt! Ja, liebes Kaͤthchen, haͤtte ihr Schutzgeiſt nicht gleichſam durch ein Wunder Sie gerettet, wie bedauernswerth wuͤrden wir beide, wie verworfen wuͤrde ich ſein! Sie von mir betrogen, vernachlaͤſſiget, aufgegeben, gemieden nach kurzem Rauſch, in ver- zweifeltem Erwachen; ... ich, mit dem Jammer zwiefachen Verrathes in der Seele! Benuͤtzen wir dieſe Gunſt des Aufſchubes, die hoͤhere Maͤchte uns gegoͤnnt; gehorchen wir dem Wink eines Zufalles, der kein Zufall iſt; den wir zu Gottes Warnungsſtimme erheben ſollen. Sie wollen nicht ferner neben mir durch die Welt ziehen? Sie haben Recht. Jch kann und darf nicht mit Jhnen gehen. Deshalb will ich ſcheiden. An mir iſt es, durch meine Entfernung Alles auszugleichen. Ein paar Zeilen, die ich Jhrem Gatten zuruͤcklaſſe, moͤgen meine raſche Abreiſe vor ihm entſchuldigen und ihn bitten, mir ein nachſichtsvolles Andenken zu goͤnnen, wie ich ihm ewig dankbar bleiben will. Auch bedarf es keiner Luͤgen. Jch bin wirklich voll Ungeduld, Die Vagabunden. II. 17

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/259>, abgerufen am 24.11.2024.